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Ein Bauer besprüht in Mecklenburg-Vorpommern sein Feld.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Unkrautvernichter: Glyphosat-Streit eskaliert

Die EU-Kommission will am umstrittenen Unkrautvernichter festhalten. Nachdem dafür nicht genügend Stimmen zusammenkamen, geht der Streit in die nächste Runde.

Die EU-Kommission gibt den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat nicht auf. Nachdem bei der Abstimmung über eine erneute Zulassung des Wirkstoffs am Donnerstag wieder nicht die notwendigen Stimmen zusammengekommen sind, kündigte die Kommission an, bis zum 20. November die Sache in der Berufungsinstanz erneut abstimmen zu lassen.

Die Zeit drängt. Die Glyphosat-Zulassung in der EU läuft Mitte Dezember aus. Wenn der Termin verstreicht, würden nach 18 Monaten sowohl der Verkauf von Restbeständen als auch der Einsatz auf den Feldern verboten sein. In der Landwirtschaft wird der Wirkstoff in großem Stil als Unkrautvernichter eingesetzt.

Ein Kommissionssprecher machte deutlich, dass der zuständige Kommissar Vytenis Andriukaitis weiter für die Verlängerung der Zulassung ist: „Die meisten Mitgliedstaaten unterstützen unseren Antrag.“ 14 von 28 EU-Mitgliedsländern hatten sich für den Antrag der Kommission ausgesprochen, die Zulassung um fünf weitere Jahre zu verlängern. Neun stimmten dagegen und fünf, darunter Deutschland, haben sich enthalten. Für eine Zulassung sind die Stimmen von mindestens 16 Mitgliedstaaten notwendig, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die geschäftsführende Bundesregierung ist in der Frage zerstritten: Das unionsgeführte Agrarministerium ist für die Verlängerung, das SPD-geführte Umweltministerium ist dagegen. Daher musste sich der Vertreter der Bundesregierung enthalten.

Wenn auch in der Berufungsinstanz keine Mehrheit zustande kommt, könnte die EU-Kommission aus eigener Kraft die Verlängerung der Zulassung beschließen. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will dies vermeiden. Seine Begründung: Die Kommission wolle den Mitgliedsländern nicht mehr durchgehen lassen, dass sie sich bei unpopulären Entscheidungen wegducken und den Schwarzen Peter in Brüssel abladen.

Vertreter der europäischen Bürgerinitiative gegen Glyphosat demonstrieren im Oktober 2017 in Brüssel mit einem Transparent.
Vertreter der europäischen Bürgerinitiative gegen Glyphosat demonstrieren im Oktober 2017 in Brüssel mit einem Transparent.

© Oliver Beckhoff/dpa

Der Wirkstoff Glyphosat ist umstritten. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) IARC hält die Substanz für „wahrscheinlich Krebs auslösend“. Dagegen kommen die beiden EU-Agenturen für Lebensmittelsicherheit und für Chemikalien, EFSA und ECHA, zu dem Urteil, bei richtiger Dosierung sei das Unkrautvernichtungsmittel unbedenklich.

Unbestritten ist, dass der Einsatz des Wirkstoffs der Artenvielfalt schadet. Glyphosat vernichtet so gut wie alle unerwünschten Gräser, Kräuter und andere Pflanzen auf dem Acker und raubt damit vielen Insekten und Vogelarten die Lebensgrundlage.

Die Federführung bei der Gefahrenabschätzung von Glyphosat lag beim Bundesamt für Risikobewertung (BfR). Der Behörde wurde in Folge einer immer erhitzter geführten öffentlichen Debatte vorgeworfen, die mögliche Gefährdung der Substanz nicht eigenständig geprüft, sondern die Bewertung von der „Glyphosat Taskforce“ der Industrie kritiklos übernommen zu haben. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich die Behörde. Es sei üblich, nach kritischer Prüfung der Originalstudien auch Textpassagen aus eingereichten Dokumenten in die Bewertungsberichte zu integrieren, argumentiert das BfR. Die wörtliche Übernahme sei auch im Sinne einer ökonomischen Bearbeitung sinnvoll und durch vollständige Quellenangaben transparent nachvollziehbar.

„Die Kommission darf nicht weiter auf Zeit spielen und die Aufforderungen zum Glyphosat-Ausstieg ignorieren. Sie muss endlich das Votum des Europaparlaments und der Mehrheit der Bevölkerung ernst nehmen und ein konkretes Ausstiegsszenario für Europa auf den Weg bringen“, sagte Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Bundestag, dem Tagesspiegel. Auch die amtierende Bundesregierung müsse jetzt Farbe bekennen „und sich ohne Wenn und Aber für das Ende des krebserregenden Herbizids starkmachen“, fügte sie hinzu. „Wir Grüne wollen in den Sondierungen den Einstieg zum Ausstieg von Glyphosat besiegeln – für eine nachhaltige Landwirtschaft mit Artenvielfalt und gesunden Böden“, warb Künast.

Roundup - Das gängigste Herbizid auf Glyphosat-Basis für Hobbygärtner, hergestellt von Monsanto.
Roundup - Das gängigste Herbizid auf Glyphosat-Basis für Hobbygärtner, hergestellt von Monsanto.

© imago/Steinach

Die noch amtierende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warf Landwirtschaftminister Christian Schmidt (CSU) derweil ein „Foulspiel“ im Streit um den Unkrautvernichter vor. Ein Brief Schmidts an die EU-Kommission sei weder mit dem Bundesumweltministerium noch mit dem Bundeskanzleramt abgestimmt worden, sagte Hendricks am Donnerstag. „Einfach zu behaupten, dass die Bundesregierung für eine Verlängerung der Zulassung um weitere drei Jahre wäre, ist ein Foulspiel.“ Hendricks sagte, sie bleibe bei ihrem Nein zu Glyphosat. „Die Kommission hat bis heute keinerlei Vorkehrungen gegen die katastrophalen Auswirkungen auf die Artenvielfalt vorgesehen.“ (mit kph/dpa)

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