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Am Ziel. Seit Jahrzehnten erforschen Biologen, wie das Bienenhirn arbeitet. Für seine Deutung des Schwänzeltanzes erhielt Karl von Frisch 1973 den Nobelpreis.

© picture-alliance/ dpa

Biologie: Die Sprache der Bienen

Blütenduft und Schwänzeltanz: Wie die Honigsammler den Weg zum besten Futterplatz finden.

Verlockender Duft, süßer Nektar: Für Bienen ist diese Verknüpfung lebenswichtig. Wie die Insekten einen mit Nektar verbundenen Blütenduft in ihr Gedächtnis einprägen, damit haben sich Forscher um den Biologen Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin beschäftigt – und dabei einen weiteren Puzzlestein zum Orientierungsvermögen der Honigbienen gefunden. Über ihre Ergebnisse berichten Martin Strube-Bloss, Martin Nawrot und Randolf Menzel im Fachblatt „Journal of Neuroscience“ (Band 31, Seite 3129).

Sobald Bienen ihren Stock zur Futtersuche verlassen wollten, fingen die Forscher sie ein und ließen die Insekten dann an verschiedenen Blumendüften riechen. Nach einem dieser Düfte wurden die Tiere mit einem Tropfen Zuckerlösung belohnt. Noch drei Stunden nach dieser Leckerei streckten die Bienen den Rüssel zum Auflecken der Süßigkeit aus, sobald sie diesen Duft erneut mit ihren Antennen schnupperten. Der inzwischen am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena forschende Martin Strube-Bloss untersuchte in Berlin die Reaktion im Gehirn der Insekten und fand in einer Pilzkörper genannten Struktur die Stelle, mit denen sich die Tiere den Duft gemerkt hatten.

Während die Nervenzellen dort beim Lernen selbst nicht auffällig reagierten, aktivierte drei Stunden später der mit der Zuckerlösung belohnte Duft in dieser Region mehr Nervenzellen zu einer stärkeren Reaktion als ein nicht belohnter Duft. Das Ganze läuft blitzschnell ab, bereits 0,15 Sekunden nach Präsentation des richtigen Duftes erfolgte die Antwort der Nervenzellen.

Auf der Suche nach leckerem Nektar fliegen die Bienen aber nicht nur ihren Antennen und dem eigenen Duftgedächtnis nach, sondern verlassen sich auch auf eine Navigationshilfe, die erfolgreiche Artgenossen ihnen geben: den Bienentanz. Solche Fluganleitungen für Bienen hatte bereits in den 1920er und 1940er Jahren Karl von Frisch an der Münchner Universität untersucht.

Hat eine Biene einen Obstbaum entdeckt, dessen Blüten sich gerade öffnen, beginnt sie nach der Rückkehr in den Stock mit einem „Schwänzeltanz“. Ein Stück läuft das Insekt geradeaus, bewegt dabei aber den Hinterleib rhythmisch hin und her. Dann kehrt es im Halbkreis an den Ausgangspunkt zurück und wiederholt das Ganze.

Andere Bienen erhalten mit diesem Tanz zwei Informationen: Die Tänzerin läuft beim Schwänzeln immer in eine Richtung. Damit zeigt sie, in welcher Richtung der Futterplatz liegt: Weicht der Lauf im Stock in einem 45-Grad-Winkel nach rechts von einer senkrecht in den Himmel zeigenden Linie ab, finden die Bienen das Futter, wenn sie außerhalb des Stocks 45 Grad nach rechts von der Richtung zur Sonne abweichen. Die Zeit, in der die Tänzerin auf der Geraden schwänzelt, gibt die Entfernung zum Fressen an. Mit diesen Informationen sollten die Bienen den Ort finden können, an dem die Tänzerin Futter entdeckt hat. Karl von Frisch brachte die Entdeckung 1973 den Nobelpreis.

Einen wichtigen Hinweis, wie genau der Tanz die Entfernung angibt, fanden die Bienenforscher Mandyam Srinivasam, Shaowu Zhang, Harald Esch und Jürgen Tautz. Sie hatten Bienen an den Universitäten in Canberra und Würzburg durch spezielle Tunnel zu einer künstlich angelegten Futterstelle fliegen lassen, die einfach aus einer Schale mit Zuckerwasser bestand. Die Innenwände des sechs Meter langen Tunnels waren mit einem unregelmäßigen Muster von weißen und schwarzen Rechtecken bedruckt, das Bienen erkennen können.

Nach der Rückkehr informierten die Insekten ihre Artgenossen über die neue Futterquelle, diesmal unter den Augen der Forscher: Die Bienen teilten ihren Fund mit einem Schwänzeltanz mit, der eine Entfernung von mehr als hundert Metern anzeigte. Offensichtlich überschätzten sie die Entfernung erheblich. Das zeigt, dass die Insekten keinen absoluten Kilometerzähler nutzen. Vielmehr orientieren sie sich an der Landschaft, durch die sie fliegen.

Der Tunnel mit dem unregelmäßigen Muster zeigte ihnen sehr viele unterschiedliche Eindrücke, daher übermittelten die Bienen ihren Artgenossinnen eine viel größere Strecke, als sie tatsächlich flogen. Beklebten die Forscher den Tunnel dagegen mit Streifen parallel zur Flugrichtung, war der Weg recht eintönig, die Bienen sahen keine Orientierungspunkte und „tanzten“ prompt eine kurze Flugstrecke. Menschen geht es nicht viel anders. Auch ein Wanderer ermittelt die Entfernung mithilfe der passierten Landschaft. Im Regenwald sieht er auf der gleichen Strecke viel mehr Baumstämme und andere Pflanzen als auf einer eintönigen Ebene und glaubt prompt, viel weiter gelaufen zu sein. Die Schwänzeltanzexperimente krankten seit den Zeiten von Karl von Frisch daran, dass man die Bienen nicht im Flug verfolgen kann.

Auch an der Futterstelle lassen sie sich nur beobachten, wenn sie dort auch landen. Das aber tun sie nur, wenn sie dort zum Beispiel mit einem Blütenduft hingelockt werden, der Bienen im Normalfall reichlich Nahrung verspricht und dessen Spur im Gedächtnis der Bienen die Berliner Forscher jetzt aufgedeckt haben.

Die landenden Insekten können dann von einem Beobachter oder einer Kamera beobachtet werden. Ob die Bienen aber vom Schwänzeltanz, vom Blütenduft oder von beiden Informationen gemeinsam an die richtige Stelle gelockt wurden, decken solche Experimente kaum auf. Am besten könnte man beide Möglichkeiten unterscheiden, wenn man untersucht, ob Bienen auch ohne Duft die Futterstelle erreichen. Da sie dann aber nicht landen, müsste man ihren Flug verfolgen. Das könnte man zum Beispiel mit Minisendern machen, die Bienen huckepack mitnehmen und die eine Ortung im Flug ermöglichen. Bisher aber gibt es keinen Sender, der leicht genug ist.

Joe Riley vom Forschungsinstitut Rothamsted Research und Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin befestigten daher gemeinsam mit ihren Kollegen Radar-Umsetzer auf den Bienen, die nur einige Milligramm wiegen und ein Radarsignal mit einer veränderten Frequenz zurückschicken. Damit konnten sie die Insekten während des Fluges beobachten, die vorher einen Schwänzeltanz gesehen hatten. Die aber hielten recht gut die Richtung zur Futterstelle.

Auch wenn die Forscher die Bienen gar nicht am Stock, sondern einige hundert Meter davon entfernt freiließen, flogen diese in die Richtung, die der Schwänzeltanz einer erfolgreichen Biene ihnen gezeigt hatte, obwohl dort gar keine Futterstelle war. Damit war eindeutig bewiesen, dass die Bienen den Schwänzeltanz so verstehen, wie bereits Karl von Frisch das beobachtet hatte und sich auch danach richten.

Kurz vor dem Ziel aber änderten die Bienen ihr Flugverhalten. „Normalerweise flogen sie auf den letzten Metern anscheinend einige Minuten lang Suchmanöver“, berichteten die Forscher im Fachblatt „Nature“ (Band 435, Seite 205). Der Schwänzeltanz führt die Tiere also in die Nähe des Ziels, um dort zu landen, brauchen sie aber eine endgültige Anleitung. In der Natur bringt der im Gedächtnis abgespeicherte Blütenduft oder der Anblick der Blüten diese letzte Information. Manchmal geben auch andere Bienen Hinweise, die dort bereits vorher „getankt“ hatten und noch über der Futterstelle manövrieren.

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