zum Hauptinhalt
Erbaut unter den Nazis: Das Haus der Deutschen Kunst in München.

© mauritius images

Geschichte: Museen für die Nazis

Viele deutsche Museen beteiligten sich an der NS-Herrschaft, verkauften freiwillig Bilder. Doch nicht alle Direktoren ließen sich widerspruchslos ideologisieren.

Drei Jahre sind vergangen seit der Berliner Tagung „Museen im Nationalsozialismus“, die im Juni 2013 drei Tage lang den Kinosaal im Deutschen Historischen Museum (DHM) dicht gefüllt hatte. Erst jetzt liegt – endlich! – der Tagungsband vor. Die von der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte gemeinsam mit dem DHM ausgerichtete Konferenz bedeutete einen Meilenstein in der Erforschung der Geschichte der Museen unter dem NS-Regime, revidierten doch die Beiträge aus jeweils unterschiedlicher Perspektive das altbekannte, von den Museen nach 1945 sorgsam gepflegte Bild von den Museen als bedrängten Rückzugsorten vor der bösen Nazi- Herrschaft. So war es nicht. Allerdings auch nicht so – die Referenten malten mitnichten in simplem Schwarz-Weiß – , dass die Museen durchweg Brutstätten der NS-Ideologie gewesen wären.

Die Wahrheit liegt, wie stets, dazwischen. Verschiedene Museen hatten unterschiedliche Handlungsspielräume. Was für das Einzelthema der „Entarteten Kunst“ schon länger nachgewiesen ist, dass nämlich einzelne Direktoren sich voller Zustimmung an der „Säuberung des Kunsttempels“ beteiligten und andere hingegen das Unheil, wenn auch vergeblich, abzuwenden suchten, gilt für das Ganze der Museen unter dem Regime.

Christoph Zuschlag (Landau) berichtet über die – mehr oder minder – freiwilligen Verkäufe der Museen. So gab die Kunsthalle Mannheim Marc Chagalls „Rabbiner“ und George Grosz’ „Bildnis Max Hermann-Neisse“ ab, das Essener Museum Folkwang unter dem Parteigenossen Graf Baudissin Kandinskys „Improvisation 28“, das ans New Yorker Guggenheim Museum ging. Erstaunlicherweise blieb Baudissin auf Manets „Der Sänger Jean Baptiste Faure als Hamlet“, erst 1927 erworben, sitzen, einem der Höhepunkte der Sammlung. Dass die Hamburger Kunsthalle Max Liebermanns „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ veräußerte, versteht sich nahezu von selbst. Das Bild konnte 1989 zurückerworben werden.

Ein Eklat bei der Museumsdirektorentagung

Andererseits ließen sich die Museumsleiter nicht unwidersprochen ideologisieren. Wieder fällt der Name Baudissins. Er war als Mitarbeiter des Reichserziehungsministeriums für die Museumsdirektorentagung in Berlin vom November 1937 mitverantwortlich, die in einen Eklat mündete, als ein strammer Nazi in seinem Vortrag ausrief, „ebenso lehnen wir Rembrandt in seiner Ghettokunst ab“. Das mochten sich die Museumsleute, die antimoderne Kampfschrift „Rembrandt als Erzieher“ im Gedächtnis, nicht sagen lassen, wie Petra Winter (Berlin) schildert. Die Tagung war ein völliger Fehlschlag. Dabei fand sie kurz nach der Pariser Weltausstellung statt, in deren Abteilung „Muséographie“ die deutschen Museen wegen ihrer innovativen Konzepte bei Präsentation und Vermittlung mehrfach ausgezeichnet worden waren. So ging die höchste Auszeichnung an das 1930 eröffnete Pergamonmuseum. Clou des deutschen Beitrags, so Christina Kott (Paris), war die Vorführung von Lehrfilmen.

Für Neubauten von Museen hatte das NS-Regime kaum Zeit, so hypertroph die Planungen oder eher Visionen ausfielen. Es blieb vor allem bei Umbauten. Nikolaus Bernau (Berlin) zufolge lässt sich für kulturhistorische Museen „die Übernahme ästhetischer Ansätze konstatieren, die in den 1920er Jahren von der Avantgarde in Deutschland eigentlich für Kunstmuseen als Atelierräume gefordert worden waren“. Doch auch im Berliner „Deutschen Museum“ – der nordalpinen Abteilung von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung – dominierten ab 1937 monochrome Wände und „locker einreihig präsentierte Gemälde ohne Mittelachsen und Symmetrien“. Die „Atelierraumsimulation“, wie Bernau sie nennt, hatte bis Kriegsbeginn „mindestens in den größeren deutschen Institutionen alle älteren Inszenierungsstrategien ersetzt“.

Der erste NS-Museumsneubau war in Weimar

Moderne Gestaltung und NS-Ideologie schlossen sich nicht aus, das ist keine neue Erkenntnis. Vertieft hat sie Michael Tymkiw (Chicago), der die „Leistungsschauen“ und „Fabrikausstellungen“ unter die Lupe nimmt, temporäre Veranstaltungen mithin, die ihre Besucher durch die Art ihrer Präsentation zu aktivieren suchten. Das „stellt die tiefsitzende Fehlannahme infrage“ – so Tymkiw –, „dass nationalsozialistische Ausstellungen, gleich ob in musealen und nichtmusealen Umgebungen, auf gänzlich passives Zuschauen ausgerichtet gewesen seien.“

Ein Sonderfall ist das Goethemuseum in Weimar, dessen Erweiterung den ersten Museumsneubau des NS-Regimes darstellt. „Hitler und die Nationalsozialisten standen Goethe fremd gegenüber“, urteilt Paul Kahl (Göttingen). Vielmehr kam aus Weimar der Wunsch, unter dem neuen Regime einen herausragenden Platz zu finden. Zur Eröffnung des Neubaus 1935 kam Hitler nicht, obwohl er mit einer „persönlichen“ Spende in Höhe von 160 000 Reichsmark den Bau schließlich ermöglicht hatte. Die neue Dauerausstellung allerdings „war im Gegensatz zur Rhetorik im Umfeld ihrer Eröffnung biografisch-dokumentarisch und weitgehend ideologiefrei“, schreibt Kahl. Nach Kriegsende werden Goethe und sein Museum umstandslos in die neuen politischen Verhältnisse integriert – stattdessen wird gleich Ende 1945 das Nietzsche-Archiv aufgelöst. Auch dies gehört zu den Windungen der deutschen Geistesgeschichte.

Die Museen, die von ihrer NS-Vergangenheit jahrzehntelang nichts mehr gewusst haben, sind nun in den Fokus einer jüngeren Historikergeneration geraten. Jetzt zeigt der überfällige Tagungsband – wie es in der Einleitung der drei Herausgeberinnen heißt – „Perspektiven auf für weitere intensive Forschungen zur Rolle der Institution Museum im Nationalsozialismus“. Bernhard Schulz

- Tanja Baensch/Kristina Kratz-Kessemeier/Dorothee Wimmer (Hrsg.): Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2016, 411 S., 40 €.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false