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Verschlungene Rechtslage. Die Befürworter der Viertelparität hoffen darauf, dass ihnen am Ende ein Gericht Recht gibt. Die Gegner halten das für ausgeschlossen.

© Böck/TU Berlin

Kampfabstimmung: Die Professorenmacht an der TU Berlin wird beschnitten

Gremium beschließt die Viertelparität/Befürworter sehen sich vor Rechtsstreit/TU-Präsident Christian Thomsen will in jedem Fall die Partizipation stärken

Die Professoren an der TU Berlin werden im Erweiterten Akademischen Senat (EAS) der TU Berlin entmachtet. Der Beschluss dazu fiel am Mittwoch im EAS nach stundenlanger Debatte mit hauchdünner Mehrheit: 31 Mitglieder stimmten dafür, 30 dagegen. Fortan kann also das Präsidium der TU gewählt werden oder ihre Grundordnung geändert werden, ohne dass auch nur eine Professorin oder ein Professor zustimmt. Bislang hatten die Professoren im EAS 31 von 61 Stimmen. Auf die anderen Gruppen entfielen jeweils zehn Stimmen. Fortan sollen auf jede Gruppe – die Professoren, die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Studierenden – je 15 Stimmen im EAS entfallen.

Gab es einen Verfahrensfehler, der die Abstimmung ungültig macht?

Nach Ende der Sitzung wies ein Professor jedoch auf einen möglichen Verfahrensfehler hin, der die Wahl ungültig machen könnte: Ein vierter Vertreter eines abwesenden Mitglieds habe mitgestimmt, obwohl der dritte Vertreter im Raum war, hieß es aus der TU. Der Vorstand des EAS will sich voraussichtlich am Freitag damit befassen. Verfahrensfehler müssen gerade bei dieser Abstimmung vermieden werden. Denn die Befürworter der Viertelparität gehen davon aus, dass sie ihren Beschluss gegen die mögliche Intervention des Berliner Senats vor Gericht verteidigen müssen. Als der EAS die Viertelparität im Jahr 2013 schon einmal beschloss, erklärte der damalige TU-Präsident Jörg Steinbach, die Entscheidung sei rechtswidrig und darum ungültig. Unterstützung bekam er von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft. Die Befürworter der Viertelparität klagten, scheiterten aber bereits an einem Formfehler.

Der jetzige TU-Präsident Christian Thomsen sagte nach der Sitzung auf Anfrage, die Rechtslage sei „hinreichend unklar“, weshalb er sich nicht verpflichtet fühle, den Beschluss für ungültig zu erklären. Nach dem Beschluss des Kuratoriums habe die Berliner Senatsverwaltung die Lage zu prüfen. Das Kuratorium der TU will in seiner Sitzung am 15. Juli sein Votum zu dem Beschluss des EAS abgeben. Das Ergebnis gilt als offen.
In der stundenlangen Debatte hatten die Gegner und Befürworter der Viertelparität noch einmal ihre Argumente ausgetauscht. Dabei ging es auch immer wieder um die Streitkultur. Mehrere Redner kritisierten, es sei polemisch und persönlich verletzend oder gar beleidigend diskutiert worden. Utz von Wagner, Professor für Maschinenbau, fragte die Befürworter der Viertelparität: „Was ist konkret schiefgelaufen, dass Sie uns das Misstrauen aussprechen? Das Thema spaltet uns, und das sollten wir verhindern.“

"Karrieristen, die noch gerne die Uni-Toiletten an McClean outsourcen würden"

Rico Clauß von der Studierendenliste „Profs abschaffen“ erklärte, unter den Professoren seien „Karrieristen, die noch gerne die Uni-Toiletten an McClean outsourcen würden“. Der Student Patrick Schubert rechnete vor, dass eine Sitzungsstunde im EAS die TU 1930 Euro koste. Würden nur noch 15 statt 31 Professoren Mitglied sein, sinke dieser Betrag auf nur noch 400 Euro. Daraufhin erklärte Ulf Schrader, Professor für berufliche Bildung, manche Studierende würden mit ihren Beiträgen die Sorgen noch verstärken, die die Gegner der Viertelparität umtreiben: „Bei dir ist bestimmt viel Frust“, sagte er zu dem Studenten Schubert: „Aber glaub mal nicht, dass wir Abends den Griffel hinlegen, wenn wir hier drei Stunden gesessen haben.“

"Maskulines Klima, Turnhallengeruch"

Der Informatik-Professor Oliver Brock, erklärte: „Dies ist ein ideologischer Kampf, der mit der Realität an der Uni nichts zu tun hat.“ Um zu illustrieren, was die meisten TU-Mitglieder stattdessen umtreibt, zitierte er aus einem Kommentar, den ein Student auf Youtube bei der Übertragung der Podiumsdiskussion über die Viertelparität hinterlassen hatte: „Ich brauch eine Stunde um eine scheiss Prüfung anzumelden. Scheiss auf eure Demokratie, ihr bekommt ja nichts gebacken!?“ Man müsse „gemeinsam etwas für die Uni tun“, sagte Brock – und sich auch fragen, ob „das maskuline Klima“ und der „Turnhallengeruch“ des EAS vielleicht TU-Mitglieder davon abhalte, sich dort zu engagieren.

"Wovor haben Sie Angst?"

„Sie haben Recht, die Viertelparität wird weder etwas an den langen Wartezeiten vorm Prüfungsamt ändern noch das Ozonloch schließen“, sagte der Chemie-Professor Peter Hildebrandt, der sich massiv mit seinen Kollegen von der Reformfraktion für die Viertelparität eingesetzt hatte. „Das Thema ist von uns auch nicht zum zentralen Thema gemacht worden.“ Es gehe nur darum, die Mitarbeiter an diesem Punkt mehr teilhaben zu lassen. „Wovor haben Sie Angst? Es wird nicht der Untergang des Abendlandes.“

Antragssteller Schmitt will ein "ganzheitliches Partizipationsmodell"

Wie kann die TU ihre Gräben nun zuschütten? TU-Präsident Thomsen sagte nach der Sitzung auf Nachfrage, die Gräben seien „nicht so groß“. Das Präsidium verstehe in jedem Fall, dass die Partizipation noch mehr gestärkt werden müsse. „Die TU ist von ihren Strukturen schon sehr partizipativ. Aber wir müssen entgegen nehmen, dass die Ausübung nicht zufriedenstellend ist.“ So müsse der Frage nachgegangen werden, ob die Fakultätsräte Empfehlungen der Ausbildungskommission, in der die Studierenden die Mehrheit haben, allzu oft ablehnten. Denkbar sei auch, die Strukturkommission viertelparitätisch zu besetzen, in der bislang die Professoren die Mehrheit haben. Generell müsse „mehr Interesse an Beteiligung“ geweckt werden. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Franz-Josef Schmitt, der den Antrag zur Viertelparität eingebracht hatte, erklärte nach der Sitzung, beide Seiten müssten nach der knappen Abstimmung aufeinander zugehen, um „ein ganzheitliches Partizipationsmodell – von unten nach oben – an der TU Berlin zu entwickeln“. Digitale Werkzeuge wie „liquid democracy“ könnten dabei helfen.

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