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Eine blau leuchtende Gonionemus-vertens-Qualle.

© IMAGO

Leuchtende Fische: Lichtshow in der Tiefsee

Von wegen stockdunkel: Viele Tiere leuchten selbst. Das hilft bei der Kommunikation – und schützt vor Feinden. Über das Phänomen der Biolumineszenz finden Meeresbiologen immer mehr heraus.

Die Tiefsee galt lange Zeit als Reich ewiger Finsternis. Kein Sonnenstrahl schafft es, weiter als rund 200 Meter unter die Oberfläche vorzudringen. Dennoch blitzt und leuchtet es da unten regelmäßig, weil Fische und andere Meeresbewohner raffinierte Lichtspiele veranstalten. Wie vielfältig diese sind, beginnen Biologen erst langsam zu erahnen, denn die extreme Welt ist für sie schwer zu erreichen. Mithilfe von Tauchbooten und Laboruntersuchungen gelingen ihnen immer wieder neue verblüffende Entdeckungen. So fanden kürzlich Biologen der Universität Tübingen bei einem Gespensterfisch neben seinen eng fokussierenden Röhrenaugen eine Spiegeloptik aus winzigen Kristallen, die sein Blickfeld wesentlich erweitern. Damit kann er in seinem Lebensraum rund einen Kilometer unter der Wasseroberfläche Leuchterscheinungen besser wahrnehmen.

Licht an zur Selbstverteidigung

„Sehr viele Organismen in der Tiefsee leuchten“, sagt der Meeresbiologe Uwe Piatkowski vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel (hier). Während über Wasser nur wenige Lebewesen wie Glühwürmchen oder Hallimaschpilze am eigenen Körper ein Licht anknipsen können, gehören Leuchtorgane in der Tiefsee anscheinend zur Grundausstattung. Knochenfische und Tintenfische, Haie und Bakterien, Schnecken und Quallen – in allen diesen Gruppen leuchtet zumindest eine Art. Und das keineswegs nur mit schwachen Funzeln. „In der Tiefsee sind Lightshows an der Tagesordnung“, berichtet Edith Widder von der Ocean Research and Conservation Association in Fort Pierce in Florida.

Die Tiefseebewohner haben gute Gründe für die Biolumineszenz, wie Forscher das biochemisch erzeugte Licht nennen. „Am häufigsten ist anscheinend die Selbstverteidigung“, sagt Widder. Da gibt es zum Beispiel den Vampirtintenfisch. Ähnlich wie bei einer Fledermaus spannen sich zwischen den Armen dieses Weichtieres Häute, auf dem Körper sitzen einige Leuchtorgane. Während Tintenfische nahe der Oberfläche eine dunkle Tintenwolke ausstoßen, um Feinde zu verwirren, schleudert der kleine Vampir aus diesen Organen eine Wolke von Partikeln hervor, die blau leuchten. Im Dunkel der Tiefsee blendet die blitzende Wolke einen Feind oder lenkt ihn zumindest ab. Mit Lichtwolken verteidigen sich auch andere Tintenfische, Quallen, Krebse und Fische, weil es andere Verstecke im offenen Meer sonst kaum gibt.

Zu leuchten kann auch eine gute Tarnung sein

„Im ewigen Dämmerlicht zwischen der hellen Oberfläche und der stockdunklen Tiefe tarnen sich auch etliche Tiere mit Licht“, nennt Uwe Piatkowski eine weitere Strategie. Dazu haben sie an der Unterseite ihres Körpers Organe, die in ähnlicher Farbe und Intensität wie das Licht schimmern, das von oben in diese Tiefe gelangt. In der Dämmerungszone spähen die Augen vieler Räuber nach oben, entdecken aber ihre mit Licht getarnte Beute nicht, weil deren Konturen mit der Umgebung verschwimmen. In größeren Tiefen wiederum knipsen manche Organismen ein besonders auffälliges Licht an, das jedem Räuber das Gleiche signalisiert wie die knalligen Farben mancher Frösche an der Oberfläche: „Lass mich besser in Ruhe, ich bin giftig!“

Dem Drachenfisch dient sein Unteraugenlicht als Suchscheinwerfer

Solche Verhaltensweisen können Forscher aber nur selten direkt beobachten. In der Tiefe müssen sie sich schließlich selbst mit Licht orientieren. Die Suchschweinwerfer von automatischen oder bemannten U-Booten verjagen jedoch viele Tiere oder locken andere an – und schon haben die Wissenschaftler die Natur durcheinandergebracht. Ob die Lebewesen dann ihre natürlichen Leuchtmuster zeigen, ist zumindest zweifelhaft.

„Oft entdecken Biologen leuchtende Muster erst, wenn sie gefangene Tiere im Labor untersuchen und dabei kleine Leuchtorgane finden“, sagt Piatkowski. Dabei fielen ihnen Zellen auf, die unter den Augen der Schwarzen Drachenfische aus der Gattung Idiacanthus sitzen und rotes Licht von rund 705 Nanometern Wellenlänge aussenden. Diese Farbe wird in der Tiefe rasch vom Wasser verschluckt, blaues Licht mit einer Wellenlänge von rund 475 Nanometern leuchtet dagegen besonders weit. Deshalb blitzt es in der Tiefe meist in Blautönen, Rot kommt dagegen äußerst selten vor. Viele Organismen sehen darum vor allem die blauen Wellenlängen und sind für rot blind. Die Biologen vermuten, dass der Schwarze Drachenfisch mit seinem roten Unteraugenlicht sein Opfer regelrecht anleuchtet, ohne dass dieses den knapp zwei Meter weit reichenden „Suchscheinwerfer“ wahrnimmt.

Ähnlich raffiniert jagen die rund 20 Zentimeter langen Tiefseeanglerfische. Ihnen wächst eine Art Angel aus dem Kopf, deren leuchtende Spitze vor ihrem Maul hängt. Mit einer beweglichen Haut können diese Fische den Leuchtpunkt verdecken oder sichtbar machen. Solche Blinklichter locken Krebse und andere Fische vors Maul, die dann nur noch verschlungen werden müssen.

Weibchen leuchten anders als Männchen

Manchmal finden Biologen auch Leuchtmuster auf der Haut von Tintenfischen und anderen Meeresbewohnern. „Bei Laternenfischen sieht das Muster bei jeder der ungefähr 250 Arten anders aus“, sagt Piatkowski. Die Muster helfen den Tieren offenbar in der Dunkelheit der Tiefsee herauszufinden, ob ihnen ein Artgenosse, eine weniger interessante andere Art oder vielleicht sogar ein gefährlicher Räuber entgegenkommt.

Häufig tragen auch Jungtiere ein anderes Muster als Erwachsene, Weibchen leuchten anders als Männchen. Solche Signale helfen in der ewigen Dunkelheit bei der Orientierung: ob das Gegenüber vielleicht ein begehrter Partner oder ein weniger interessanter Youngster ist.

Die Leuchtsignale können Tiefseebewohner allerdings auch ins Verderben locken. „Segelkalmare haben etliche Leuchtorgane auf ihrer Haut“, sagt Piatkowski, der die Tiere seit Jahren erforscht. Die rund 30 Zentimeter langen Tintenfische werden anscheinend immer wieder Beute der riesigen, bis zu 18 Meter langen Pottwale, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Ihre Theorie: Vielleicht betäuben die großen Säugetiere die Kalmare mit einem lauten, für Menschen aber unhörbaren Brüllen. Anschließend müssen sie nur noch mit weit aufgerissenem Maul die leblos im Wasser treibenden Segelkalmargruppen aufsammeln. „Dabei könnten sich die Leuchtzellen abrubbeln und an den Pottwalzähnen hängenbleiben“, sagt Piatkowski. „Die leuchtenden Zähne locken wiederum weitere Segelkalmare Richtung Pottwalmaul.“

Ob ihre Vermutung richtig ist, wissen die Forscher nicht. Bislang ist es ihnen nicht gelungen, das Geschehen mit eigenen Augen zu verfolgen. Womöglich gelingt es einem Tauchboot oder speziellen Kameras von Unterwasserobservatorien, die Jagd der Pottwale zu verfolgen. Wenn es dafür nicht zu dunkel ist.

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