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Gefährliche Erreger. Eine Petrischale mit MRSA-Keimen (Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus).

© Norbert Försterling/dpa

Medizin: Forscher finden neues Antibiotikum - in der Nase

Forscher der Uni Tübingen haben den Stoff Lugdunin entdeckt, der auch gegen resistente Erreger helfen könnte. Bis zu einer etwaigen Zulassung als Medikament ist es jedoch ein weiter Weg.

Ausgerechnet in der menschlichen Nase haben deutsche Forscher ein neues Antibiotikum entdeckt. Der Stoff mit dem Namen Lugdunin tötet Laborbefunden zufolge auch Bakterienstämme, die gegen andere Antibiotika resistent sind. Produziert wird er vom Bakterium Staphylococcus lugdunensis, das bei einem kleinen Teil der Menschen natürlicherweise in der Nase vorkommt. Andreas Peschel von der Universität Tübingen und seine Kollegen berichten über ihre Entdeckung im Fachmagazin „Nature“. Noch ist es allerdings ein weiter Weg bis zu einer etwaigen Zulassung als Medikament, andere Forscher verweisen zudem auf mögliche Nebenwirkungen.

Die Forscher sahen sich die mikrobiologische Lebensgemeinschaft in der menschlichen Nase an, wo das Bakterium Staphylococcus aureus bei etwa einem Drittel der Bevölkerung natürlicherweise vorkommt. Bei gesunden Menschen ist das kein Problem, doch bei Kranken und Geschwächten wird Staphylococcus aureus zu einer tödlichen Gefahr.

Lugdunin erfolgreich bei Infektion von Mäusen

Zahlreiche Bakterienstämme wurden im Labor einzeln mit Staphylococcus aureus zusammengebracht, darunter auch verschiedene Arten der Gattung Staphylococcus. Bei Staphylococcus lugdunensis zeigte sich ein Rückgang von Staphylococcus aureus, bis hin zum kompletten Absterben. Die Wissenschaftler entdeckten einen neuen Stoff, der den Tod von Staphylococcus aureus bewirkt und den sie Lugdunin nannten, sowie die Gene für seine Herstellung. Die weitere Forschung ergab, dass Lugdunin auch bei anderen Bakterienstämmen hilft, die gegen Antibiotika resistent sind.
„Die Entdeckung von Lugdunin zeigt wieder einmal, wie wichtig geduldige Grundlagenforschung ist“, betont Peschel. Zusammen mit seinen Kollegen zeigte er, dass Lugdunin eine Staphylococcus-aureus-Infektion auf der Haut von Mäusen bekämpfen kann. Einen weiteren Hinweis auf die Wirksamkeit brachten Proben aus den Nasen von 187 Menschen zu Tage: Bei Probanden, in deren Nase Staphylococcus lugdunensis siedelte, kamen nur in 6 Prozent der Fälle auch Staphylococcus aureus vor. Bei Patienten ohne Staphylococcus lugdunensis waren es 34,7 Prozent.

Der Mensch als Quelle für Antibiotika

„Normalerweise werden Antibiotika nur von Bodenbakterien und Pilzen gebildet“, sagt Peschel. „Die Vorstellung, dass die menschliche Mikroflora eine Quelle von antimikrobiellen Stoffen sein könnte, ist eine neue Entdeckung.“ Die Autoren hoffen, mit dieser Entdeckung den Zugang zu weiteren Quellen von Antibiotika erschlossen zu haben.

In einem „Nature“-Kommentar bescheinigen Kim Lewis und Philip Strandwitz von der Northeastern University in Boston, dass das Vorgehen der Tübinger einen allgemeinen Ansatz zur Suche nach Antibiotika bei Bakterien bietet, die den Menschen besiedeln. Schwierigkeiten für eine klinische Anwendung von Lugdunin könnte jedoch der Wirkmechanismus bereiten, der wahrscheinlich an der Synthese größerer Zellstrukturen wie der Membran ansetze und somit möglicherweise auch menschlichen Zellen gefährlich werden könnte.

Dietmar Pieper vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, der nicht an der Studie beteiligt war, geht davon aus, dass die Erforschung des neuen Wirkstoffs gerade erst begonnen hat: „Bei der Entwicklung von Antibiotika rechnet man in Jahrzehnten.“ So gelte auch in diesem Fall, dass Staphylococcus lugdunensis und Lugdunin auf alle möglichen Wechselwirkungen im Körper hin genau untersucht werden müssten. (dpa)

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