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Der bronzene Gedenkkopf einer Königinmutter aus Benin.

© Zemanek-Münster

Versteigerung von Benin-Bronze: Narben der Zeit

Eine seltene Benin-Bronze aus der Mosse-Sammlung wurde in Würzburg versteigert. Das Objekt berührt nicht nur jüngste deutsche, sondern auch koloniale Geschichte.

Die Skulpturen sind rar und schön, doch der Handel mit ihnen birgt Probleme. „Heikel“ lautet deshalb das Urteil des Provenienzforschers Andreas Schlothauer zur Herkunft jener Benin-Bronze, die aus der Berliner Sammlung von Gerda Bassenge stammt und am 10. März vom Auktionshaus Zemanek-Münster in Würzburg versteigert wurde: Eine Königinmutter mit charakteristisch hohem Kragen, Schmucknarben auf der Stirn und aufwendig gearbeitetem Haarnetz. Schlothauer konnte den Kopf aus dem Königreich Benin identifizieren: Er ist im Deutschen Zentrum Kulturgutverluste als NS-Raubkunst dokumentiert und stammt aus der Sammlung des 1920 verstorbenen deutsch-jüdischen Verlegers Rudolf Mosse, die 1934 zwangsversteigert wurde. Kurz nach dieser Entdeckung haben sich die Erben des Verlegers zwar gütlich mit dem Einlieferer geeinigt. Aber ist die Provenienz damit tatsächlich geklärt?

Denn das Objekt berührt nicht nur die jüngste deutsche, sondern auch koloniale Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts versuchten die Briten ihre Herrschaft in Nigeria auf das Königreich Benin auszudehnen. Weshalb im Dezember 1896 eine britische Delegation mit 240 afrikanischen Begleitern den Oba, Gottkönig des Königsreichs, besuchte, ist bis heute umstritten. Die Truppen des Oba töteten jedenfalls die meisten der unbewaffneten Afrikaner und Briten. Letzteren lieferte dieses Benin Massacre einen willkommenen Vorwand zur Revanche. Nur sechs Wochen später schickten sie eine „Strafexpedition“ nach Benin City, die große Teile der Stadt zerstörte. Über die Zahl der Toten ist wenig bekannt, doch die Soldaten plünderten aus dem königlichen Palast und dem Lagerhaus Tausende von Kunstobjekten; darunter handwerklich virtuose Gedenkköpfe, deren Entstehungszeit bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht.

Aktivisten fordern die Rückgabe von „Beutekunst“

Als die Bronzen in der westlichen Welt eintrafen, begeisterten sie Kunstexperten wie Justus Brinckmann vom Hamburger Museum für Kunstgewerbe oder den Berliner Forscher Felix von Luschan. Ein Run auf die Werke begann, Institutionen wie das deutsche Völkerkundemuseen Berlins kauften die schönsten Stücke. Nun, mehr als hundert Jahre später, wird um jene Schätze gestritten: Aktivisten in Europa wie Nigeria sehen die Museen in der Pflicht zur Rückgabe der „Beutekunst“. Solche Forderungen stützen sich allerdings auf keine rechtliche Grundlage. Im Fall der Benin-Bronzen herrscht überdies eine weitere Unklarheit. Wem stünden die Objekte zu? Dem nigerianischen Staat oder der heutigen Provinz Edo, auf der einst das Königreich errichtet wurde? Vielleicht hat aber auch der jetzige Oba einen Anspruch auf das kulturelle Erbe.

Tatsächlich stammen nicht alle in Europa kursierenden Objekte aus dem Beutezug. Bei dem überwiegenden Teil der Bestände in den Museen kann man sicher sein. Andere alte Objekte kamen bereits vorher entweder als Geschenk oder Ankauf nach Europa oder wurde nach 1897 abgegeben. Früher galt auf dem Kunstmarkt nur als echt, was aus der Strafexpedition stammte. Mittlerweile argumentiert man differenzierter. So vermutet die Expertin des Auktionshauses Sotheby’s, Marguerite de Sabran, dass es authentische Stücke gibt, die nicht aus der Plünderung stammen. Im Dezember 2017 ließ sie in Paris einen Bronzekopf für fast 1,9 Millionen Euro versteigern, dessen Provenienz bis Anfang der 1930er Jahre belegt werden konnte.

Im Einzelfall muss rechtmäßiger Erwerb nachgewiesen werden

Zehn Jahre früher hatte das Auktionshaus noch geradezu stolz darauf verwiesen, dass ein für über 4,7 Millionen Dollar versteigerter Kopf im Besitz eines Mitglieds der Expedition gewesen sei: Dies galt als unzweifelhafter Beleg für die Authentizität. Doch auch wenn nun sensibler mit dem Thema umgegangen wird, scheint bei der Provenienzforschung hinsichtlich kolonialer Beutekunst noch lange nicht dasselbe Problembewusstsein zu herrschen wie bei NS-Raubkunst, meint Jürgen Zimmerer, Professor für Afrikanische Geschichte an der Universität Hamburg: „Zwar ist es möglich, dass Benin-Bronzen auf legalem Wege nach Europa kamen. Dennoch steht außer Frage, dass der Großteil der sich heute in deutschen und europäischen Museen befindlichen Bronzen aus der Eroberung und Plünderung Benins 1897 stammt, also geraubt wurde. Im Einzelfall müsste nachgewiesen werden, dass ein Stück rechtmäßig erworben wurde.“

Der Bronzekopf im Würzburger Auktionshaus Zemanek-Münster wird auf 40 000 bis 80 000 Euro geschätzt und kostet damit ein Bruchteil jener Stücke, die bei Sotheby’s versteigert wurden. Es handelt sich um eine Arbeit aus dem späten 19. Jahrhundert, das in der Kunst des Bronzegusses qualitativ hinter den frühen Objekten aus dem Königsreich Benin zurückbleibt. Nicht mehr geklärt werden wird wohl, wie und wo Rudolf Mosse ihn seinerzeit erworben hat.

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