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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)

© Thilo Rückeis

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: „Internationale Internetkonzerne gefährden unsere Freiheit“

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erläutert im Tagesspiegel-Interview, warum nicht die Geheimdienste eine Gefahr für Freiheit und Bürgerrechte seien, sondern Internetkonzerne. Außerdem fordert er eine Flüchtlingskonferenz zu Syrien und er warnt vor radikalisierten Islamisten.

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Herr Friedrich, wie nah ist uns der Giftgaskrieg in Syrien?
Viel näher als es den meisten Bürgern bewusst ist. Syrien ist nicht weit weg, sondern unmittelbar vor unserer Haustür. Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf Europa, sei es durch Flüchtlingsströme, sei es durch islamistische Kämpfer, die an diesem Bürgerkrieg beteiligt sind. Vor allem letztere machen mir Sorgen.

Inwiefern?
Wir haben derzeit hunderte Islamisten aus Europa, die in Syrien kämpfen, davon mehr als 120 aus Deutschland. Das sind Salafisten und Al-Qaida-Kämpfer. Die Gefahr, dass diese Personen radikalisiert und mit dem klaren Auftrag Anschläge zu verüben wieder nach Europa und zu uns nach Deutschland zurückkehren ist groß.

Wie viele sind bereits vom Einsatz im Bürgerkrieg nach Deutschland zurückgekehrt?
Wir sprechen von einer zweistelligen Zahl, die wir genau beobachten.

Auch die Zahl der Flüchtlinge könnte mit einem Militäreinsatz weiter steigen. Stellen Sie sich darauf ein, mehr als die schon zugesagten 5000 aufzunehmen?
Mit dem Beschluss, 5000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt, zudem stellen allein in Deutschland jeden Monat 1000 Syrer einen Asylantrag. Wir brauchen eine europäische Flüchtlings-Konferenz, um eine Antwort auf das Problem zu finden. Jetzt ist europäische Solidarität gefragt. Jede kriegerische Aktivität kann die Flüchtlingszahl weiter erhöhen. Und ich kann nur davor warnen, sich auf eine militärische Operation einzulassen, ohne einen Plan zu haben, wie das Danach aussehen soll. Es erstaunt mich, wie eifrig sich die französischen Sozialisten in ein solches Abenteuer stürzen wollen.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages ist fertig, in München kommt der Prozess allmählich voran. Ist das Thema NSU für Sie jetzt durch?
Der Untersuchungsausschuss hat eine beeindruckende Arbeit geleistet und viele Änderungsvorschläge erarbeitet. Jetzt geht es darum, diese umzusetzen. Einiges haben wir schon erreicht. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum etwa und die Rechtsextremismusdatei. Wichtig ist nun, den Verfassungsschutzverbund weiter zu stärken, um die Funktion des Bundesamtes als Zentralstelle zu verbessern. Gerade bei gewaltbereiten Extremisten muss das Bundesamt stärker selbst aktiv werden können. Da geht es nicht um die Kappung von Kompetenzen bei den Ländern, sondern darum, besser und effektiver ermitteln zu können. Wir müssen auch weiter an dem Thema Schulung und Ausbildung sowie Umgang mit Akten arbeiten. Insgesamt ist es wichtig, Transparenz herzustellen und in der Öffentlichkeit besser zu erklären, was ein Geheimdienst überhaupt macht.

Auch durch die NSA-Affäre sind die Geheimdienste in der Kritik. Von den USA wollen Sie Antworten. Haben Sie etwas?
Die Arbeitsgruppe in meinem Haus hat erste Dokumente erhalten, deren Geheimhaltungsstufe von den USA herabgesetzt wurde. Daraus wird ersichtlich, dass es sich beim US-Programm Prism um ein System handelt, dass Inhalte von Kommunikation speichert und auswertet, aber nicht flächendeckend ausspäht.

Wenn alles gut ist, wofür dann ein „No-Spy-Abkommen“ mit den USA?
Manchmal muss man eben Selbstverständliches nochmal festhalten. Es geht dabei um eine auch demonstrative Klarstellung, dass wir von den Amerikanern nicht ausspioniert werden. Eines hat die Debatte doch gezeigt: Es gibt ein hohes Schutzbedürfnis. Deshalb lasse ich derzeit auch prüfen, welche realistischen technischen und juristischen Möglichkeiten es gibt, um innerdeutsche Kommunikation nicht über ausländische Server laufen zu lassen. Denn das hat immer zur Folge, dass das deutsche Rechtssystem nicht mehr gilt.

Aber brauchen wir nicht auch ein „No-Spy-Abkommen“ in Europa?
Derzeit wird zwischen den europäischen Diensten über gemeinsame Regeln gesprochen. Aber: Wir brauchen eine Art Digitale Grundrechtecharta, der sich so viele Staaten wie möglich anschließen, damit die Persönlichkeitsrechte der Menschen im Netz geschützt sind. Das ist wichtig. Denn die wirkliche Bedrohung unserer Freiheit geht nicht vom amerikanischen, britischen oder französischen Geheimdienst aus. Es sind vielmehr die großen weltweit operierenden Internetkonzerne, die unsere Daten massenhaft auswerten, analysieren und verkaufen. Das ist die Gefahr für unsere Freiheit und unsere Bürgerrechte.

Ist die von der EU geplante Harmonisierung der Datenschutzregeln sinnvoll?
Es ist zwingend notwendig, einheitliche Datenschutzstandards zu haben für Unternehmen, die in Europa tätig sind. Aber die Verordnung ist an vielen Stellen nicht rund und zu vage. Da gibt es keine konkreten Regeln, sondern delegierte Rechtsakte. Das ist eine Art Ermächtigung für die Kommission, selbst Recht zu setzen. Das kommt nicht infrage. Denn die Verordnung ersetzt nationale Datenschutzregeln, die wir gemeinsam in Europa tragen müssen, und nicht von der Kommission verordnet bekommen wollen.

Sie planen, dass Nicht-EU-Bürger, die in die EU einreisen wollen, einen Online-Anmeldebogen ausfüllen müssen. Warum?
Es gibt von immer mehr Ländern den Wunsch, Visa abzuschaffen, was ich verstehe. Hohe Durchlässigkeit ist in einer globalisierten Arbeitswelt wichtig. Aber den Verlust an Sicherheit müssen wir kompensieren. Ein Online-Anmeldesystem wie von mir vorgeschlagen ist handhabbar und effektiv. Es schafft eine neue Hürde für Personen, die nicht aus friedlicher Absicht kommen und ihre Identität verschleiern wollen. Lange bevor das von der EU-Kommission vorgeschlagene Entry-Exit-System, bei dem man mit biometrischen Daten an jeder Grenze kontrolliert, Wirklichkeit wird, könnte ein schlankes Registrierungssystem sowohl Vorteile für den Reiseverkehr als auch für die notwendigen Kontrollvorgänge bringen.

Möglicherweise müssen Sie nach der Wahl weiter mit Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger arbeiten. Erfreut?
Wir haben in den letzten zwei Jahren manchen Konflikt gehabt, aber diesen auch gelöst. Wenn ich an die gemeinsamen Anti-Terror-Zentren denke oder an die Rechtsextremismus-Datei. Da arbeiten wir gut zusammen. Nur beim Thema Vorratsdatenspeicherung klemmt es. Aber das Thema spielt derzeit sowieso auf europäischer Ebene. Und spätestens, wenn Deutschland Strafzahlungen leisten müsste, immerhin 300 000 Euro pro Tag, weil wir wegen der Blockade der Justizministerin die europäische Richtlinie nicht umsetzen, wird sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger bewegen müssen.

Das Gespräch führten Frank Jansen und Christian Tretbar.

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