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Berlin: Geruchlos, geschmacklos – und lebensgefährlich

Drei Jahrzehnte lang wurde mit Asbest gebaut. Was Mieter und Eigentümer wissen sollten.

Fünf tausendstel Millimeter sind sie klein, die krebsbringenden Fasern: Seit 1993 ist Asbest, der krank machende Bau- und Werkstoff, verboten. Und weil man die aus Stein gewonnene Faser nicht riechen und nicht schmecken kann, empfehlen Experten dringend, im Verdachtsfall Fachleute heranzuziehen – um den GAU zu verhindern.

Wie berichtet stehen rund 48000 Wohnungen von landeseigenen Gesellschaften im Verdacht, mit Asbest gebaut oder saniert worden zu sein. Im Abgeordnetenhaus wurde am Mittwoch heftig gestritten, wie schnell die rund 430 Millionen Euro teure Sanierung erfolgen soll. Aber wo genau lauert die Gefahr?

Im Fußbodenbelag von Wohnungen aus den sechziger Jahren – oder in den ungeliebten Zwischendecken von Altbauwohnung aus der Gründerzeit, die in den sechziger Jahren saniert wurde. In beiden Fällen stehen die Chancen nicht schlecht, dass Asbest im Spiel war. Und wenn Asbest erst einmal freigesetzt ist, dann ist der Schaden ähnlich schwer zu beseitigen „wie eine im Wohnzimmer gleichmäßig ausgestreute Tüte Feinmehl“, sagt Torsten Mussdorf vom Norddeutschen Asbestsanierungsverband.

Mussdorf rät dazu, im Verdachtsfall die Wohnung von Experten prüfen zu lassen. Das betrifft Objekte, die ab 1959 bis in die achtziger Jahre hinein gebaut wurden, aber auch Altbauten, die in dieser Zeit saniert wurden. Damals mengten Handwerker auch gerne bei Putz- oder Malerarbeiten Asbest bei, weil dann die Spachtelmasse oder die Farbe besser hafteten und weniger tropften.

Rund 3000 verschiedene Produkte wurden hergestellt mit Asbest – bis zumVerbot in den 90er Jahren. Dass Asbest in Nachtspeicheröfen eingesetzt wurde, ist bekannt, weniger, dass er in Fönen, Toastern und Bügelbrettauflagen zu finden war. Asbestfasern brennen nicht und wurden deshalb gerne zur Isolierung gegen Wärme oder zum Schutz von Kunststoff eingesetzt.

Heute noch sterben in Deutschland mehr als 1400 Menschen jährlich an Folgekrankheiten – und mehr als 3400 Neuerkrankungen werden gezählt. Oft sind Handwerker, die über längere Zeiträume Asbest ausgesetzt waren, darunter, Tischler, die Zementpappen schnitten, um sie unter den Dächern anzubringen, oder auch Arbeiter, die asbesthaltigen Spritzbeton an Stahlträger aufbrachten.

Am gefährlichsten sind die heute noch in „weichen Materialien“ gebundenen Asbestfasern: in Isolierungspappen zwischen Heizkörpern und Fensterbrettern aus Holz oder zwischen Öfen und Wänden, auch in den Trägerplatten und Klebern von PVC-Fußbödenbelägen (Flexplatten). Diese bestehen schon mal zu über 90 Prozent aus Asbest und lassen sich kaum von Böden oder Wänden trennen, ohne Fasern freizusetzen. Auch in Blumenkästen, Trennwänden, Dachpfannen und -platten, Lüftungskanälen und Abwasserrohren gab es Asbest. Laut Mieterverein kann der Hausverwalter im Falle einer Asbestbelastung um Beseitigung des Mangels gebeten werden. Die Stiftung Warentest liefert Tipps in einer kostenlose Broschüre. Ralf Schönball

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