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Wolken hängen über dem Gelände der früheren Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau. Auf dem Gelände wurden kurzfristig Zelte errichtet, in denen 600 Flüchtlinge untergebracht werden können.

© Paul Zinken/dpa

Update

1000 Flüchtlinge aus Budapest erwartet: Die Zeltstadt in Spandau steht

Der Senat ergreift angesichts der zusätzlichen Flüchtlinge aus Ungarn Notmaßnahmen: Unter anderem ziehen Flüchtlinge in den Flughafen Tempelhof ein - und in die Kaserne in Spandau.

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Eigentlich hatte Berlin ja Zeltstädte für Flüchtlinge immer ausgeschlossen, aber dann ging auf einmal alles ganz schnell: Als Innensenator Frank Henkel (CDU) am Donnerstagnachmittag auf dem Gelände der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau eintrifft, werden nur noch Feldbetten aufgestellt und erste Filzfußböden verlegt. Henkel schüttelt Hände, dankt vielen Einsatzkräften persönlich und erkundigt sich bei Betreibern der Unterkunft, Polizei und Feuerwehr nach dem Stand des Aufbaus; wenig später wollte auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorbeischauen.

In der Nacht auf Donnerstag vollzogen die Berliner Feuerwehr und freiwillige Feuerwehren einen Kraftakt. 71 Zelte, jedes über zehn Meter lang und etwa fünf Meter breit, wurden von den Einsatzkräften für 710 Flüchtlinge errichtet. Die Entscheidung zum Aufbau der Zeltstadt wurde erst am Mittwochnachmittag getroffen.

Flüchtlinge nach Tempelhof - Bread & Butter abgesagt

Nachdem tausende Flüchtlinge in Ungarn am Weiterreisen gehindert worden waren, strömen hunderte von Ihnen nun nach Berlin. Wegen der plötzlichen Entwicklung hat die Berliner Landesregierung neue Notmaßnahmen beschlossen. Michael Müller, Frank Henkel und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) traten deshalb am Mittwoch gemeinsam bei einer ungewöhnlich kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Roten Rathaus auf: Bis zu 14.000 Flüchtlinge sind in Zügen aus Ungarn nach Deutschland unterwegs. Die Berliner Verwaltung erwartet in den nächsten 24 Stunden zusätzlich 1000 Flüchtlinge allein in der Hauptstadt. Darüber hinaus erreichen Berlin seit Wochen ohnehin jeden Tag 500 Männer, Frauen und Kinder. Sie alle wollen in Deutschland Asyl beantragen, die meisten der Flüchtlinge kommen inzwischen aus dem Nahen Osten.

Haben einen neuen Notfallplan für den Umgang mit Flüchtlingen aufgelegt: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (rechts) und Sozialsenator Mario Czaja.
Haben einen neuen Notfallplan für den Umgang mit Flüchtlingen aufgelegt: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (rechts) und Sozialsenator Mario Czaja.

© dpa

Zwei Hangars auf dem Flughafen Tempelhof sollen zu Notunterkünften werden, dort wollte der Online-Modehändler Zalando im Januar die von ihm übernommene Modemesse Bread & Butter veranstalten. Er verzichtet nun aber angesichts der neuen Entwicklungen auf diesen Termin. Man begrüße und unterstütze die dortige Unterbringung von Flüchtlingen, sagte ein Zalando-Sprecher dem Branchendienst „Textilwirtschaft online“. Zu dieser Situation passe aber keine Fashion-Party. „Deshalb werden wir die erste Bread & Butter in Tempelhof unter unserer Leitung erst im Sommer 2016 starten.“

Auch das frühere Landesbank-Gebäude in der Bundesallee in Wilmersdorf wird zur Erstaufnahmestelle. Es wurde am Mittag zu diesem Zweck beschlagnahmt. In dem Haus sind geschützte Wartebereiche und genug Tresore, in denen das auszuzahlende Bargeld gelagert werden kann. In dem Gebäude sollen Lageso-Mitarbeiter Flüchtlinge registrieren. Was eine mögliche Belegung des Internationalen Congress-Centrums (ICC) mit Flüchtlingen betrifft, sagte Müller, dürfe es keine Denkverbote geben.

Das Bürogebäude der Investitionsbank an der Bundesallee in Berlin soll zur neuen Erstaufnahmestelle werden.
Das Bürogebäude der Investitionsbank an der Bundesallee in Berlin soll zur neuen Erstaufnahmestelle werden.

© Kai-Uwe Heinrich

Mit Blick auf die Sicherheitslage – nicht nur im Bahnverkehr – dürfte Regierungschef Müller auch Innensenator Henkel dazu geholt haben: Henkel ist für Polizei und Ordnungsämter zuständig. Die Bundespolizeidirektion in Berlin bestätigte die erwarteten Zahlen vorerst nicht. "Wir haben derzeit keine Erkenntnisse, dass ein Zug mit einer größeren Zahl von Flüchtlingen nach Berlin unterwegs wäre", sagte ein Sprecher, "wir stehen aber permanent in engem Kontakt mit den Kollegen aus Bayern und Sachsen, um reagieren zu können."

Erst vor einigen Wochen hatte Sozialsenator Czaja mehr Befugnisse erhalten: Angesichts des Massenandrangs vor seinem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) konnte Czaja die Lage aber noch kaum verbessern. Vor dem Gebäude in der Turmstraße in Moabit herrschten aufgrund des großen Andrangs bis zuletzt teilweise chaotische Zustände.

Jan Stöß, Landesvorsitzender der SPD, rief die Berliner in einer Pressemitteilung direkt dazu auf, durch Spenden und Arbeit mitzuhelfen: "Wir bitten die Berlinerinnen und Berliner um Unterstützung bei dieser großen Aufgabe. Es werden Sachspenden für die Erstunterbringung benötigt." Die Berliner hätten in den letzten Monaten bewiesen, dass die Stadt für Tolerenz, Offenheit und Mitmenschlichkeit stehe, so Stöß: "Beweisen wir es weiterhin!"

Update: Inzwischen haben wir uns die geplanten neuen Unterkünfte und Aufnahmestellen angeschaut. Zu dem Artikel geht es hier.

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