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Schah-Masken - wie vor 50 Jahren: Gedenken an den 2. Juni 1967 vor dem Rathaus Schöneberg.

© imago/ZUMA Press

50. Todestag von Benno Ohnesorg: Senator entschuldigt sich für Polizeigewalt am 2. Juni 1967

Es hieß "Knüppel frei": 50 Jahre nach dem Tod von Benno Ohnesorg hat Dirk Behrendt staatliches Versagen bei der Anti-Schah-Demo eingestanden. Wir dokumentieren seine Rede im Wortlaut.

Es sollte eine friedliche Demonstration werden. Zahlreiche Studenten gingen am 2. Juni 1967 in Berlin auf die Straße, um gegen den Besuch des Schahs von Persien zu protestieren. Doch nach Angriffen von Anhängern des Schahs auf die Demonstranten wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen.

Die folgende Rede hielt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Freitag vor dem Rathaus Schöneberg am 50. Todestag von Benno Ohnesorg. Darin bat er um Entschuldigung für den damaligen Polizeieinsatz und die unzureichende juristische Aufarbeitung. Die Polizei habe die Demonstranten nicht vor den Schah-Anhängern geschützt, die auf die Studenten mit Dachlatten und Stahlruten losgegangen seien, sondern selbst zum Knüppel gegen die Studenten gegriffen.

Behrendt sprach vor rund 50 Teilnehmern einer Kundgebung, darunter mehrere „Veteranen“ der Protestbewegung wie dem Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs (Grüne) und Gretchen Klotz-Dutschke, Witwe des an den Folgen eines Attentats gestorbenen Studentenführers Rudi Dutschke (1940-1979).

Hier seine Rede im Wortlaut:

"Liebe Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

am Mittag des 2. Juni 1967, heute vor 50 Jahren, versammelten sich auf diesem Platz vor dem Rathaus Schöneberg Hunderte Studierende, um gegen den Besuch von Schah Reza Pahlevi und Farah Diba zu demonstrieren. Diese jungen Menschen demonstrierten für die Menschenrechte im Iran.

Ich freue mich sehr, heute zwei Zeitzeuginnen begrüßen zu dürfen, Gretchen Dutschke und Wolfgang Wieland.

Wolfgang, du warst damals selbst bei den Protesten hier am Rathaus Schöneberg und am Abend vor der Deutschen Oper dabei. Ich freue mich, dass ihr heute zu uns sprechen werdet. 

Ihr standet damals hinter den rot-weiß-gestreiften Absperrgittern, die euch von der davor patrouillierenden Polizei und den Schah-Anhängern trennten.

Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bei der Gedenkfeier.
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bei der Gedenkfeier.

© Paul Zinken/dpa

Die Situation, die ihr hier vor 50 Jahren auf dem John-F.-Kennedy-Platz erlebtet, beschrieb der Tagesspiegel in einem Artikel vom 03. Juni 1967 wie folgt: 

„Ein außerordentlich starkes Polizeiaufgebot – Schutzpolizisten, berittene Polizisten und Angehörige der freiwilligen Polizeireserve – hatte auf dem Platz, an der Auffahrt unmittelbar vor der Rathaustreppe, ein gestaffeltes System von Absperrungen errichtet, so dass die Zuschauer zunächst in weit größerer Entfernung als sonst üblich vom Portal zurück gehalten wurden.

Der dadurch entstandene freie Raum vor der Freitreppe wurde erst kurz vor der Ankunft des Schahs mit etwa 60 kaisertreuen Persern spärlich aufgefüllt, die in mehreren Bussen herantransportiert worden waren.

Auf ihren Schildern war zu lesen „Persische Studenten grüßen den Schah“ und „Es lebe die deutsch-iranische Freundschaft!“ doch die weiter hinter ihnen stehenden Anti-Schah-Demonstranten waren in der Überzahl, auf ihren Transparenten waren Losungen zu lesen wie: „Nieder mit der Militärdiktatur!“, „Schluss mit der Folterung politischer Gefangener“, „Mörder“ und „Ist Farah glücklich?“ oder „Freiheit für Persien“. 

In Sprechchören riefen sie immer wieder: „Mo-Mo-Mossadek!“ und „Schah-Schah-Scharlatan!“. Dann wurden steckbriefähnliche Zettel mit dem Bild des Schahs gezeigt sowie ein von der „Konföderation iranischer Studenten“ unterzeichnetes Flugblatt in die Luft geworfen, auf dem das Schah-Regime angegriffen wurde. 

[…]

Als die Wagenkolonne vorfuhr, erhob sich ein ohrenbetäubender Lärm; Protestschreie mischten sich mit den in persischer Sprache gerufenen „Es lebe der Schah“. Lächelnd ging der Schah in das Innere des Rathauses.“ Zitatende.

So beschrieb der Tagesspiegel die Ereignisse vom 2. Juni 1967.

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Die Schah-Anhänger, die mit der Wortneuschöpfung „Jubelperser“ in die Geschichtsbücher eingehen sollten, waren überwiegend Agenten des iranischen Geheimdienstes Savak. 

Auf die „Schah, Mörder“-Sprechchöre antworteten die Jubelperser mit maßloser Gewalt. Mit Dachlatten und Stahlruten schlugen sie unter den Augen der Polizei auf die Demonstrierenden ein. Es gab kein Entkommen. Blut floss. Erst nach mehreren Minuten griff die Polizei ein.

Statt die Gewalttäter zu stoppen, hieß es „Knüppel frei“ für die Studierenden. Die Personalien der Gewalttäter wurden nicht festgestellt. Es gab auch keine Festnahmen.

Heute möchte ich die Opfer dieser Gewalt und Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden, um Entschuldigung bitten. 

Meine Damen und Herren, dieses Ereignis war der Beginn einer langen, harten Auseinandersetzung, der viele zum Opfer fielen. Der 2. Juni 1967 wurde zum Wendepunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Studentenbewegung nahm von hier ihren Ausgang. 

Die Jugend begann die Nazivergangenheit der Eltern zu hinterfragen. Mit diesem Tag begann die alte Bundesrepublik zu bröckeln. Die moderne und weltoffene Bundesrepublik heute wäre ohne diese Proteste damals nicht möglich. 

Nun übergebe ich an Gretchen Dutschke und Wolfgang Wieland.

Vielen Dank!"

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