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Jonny K. soll nicht vergessen werden - auch mit Hilfe dieser Gedenkkarten.

© dapd

Abschiedsfeier in Westend: „Jeder könnte Jonny sein“

Zwei Wochen ist die grausame Gewalttat nun her. Am Sonntagnachmittag kamen hunderte Berliner zur Trauerfeier für Jonny K. nach Westend, darunter auch viele Menschen, die den Getöteten gar nicht kannten.

Den gelben Rosen folgen! Drei junge Frauen gehen den Fürstenbrunner Weg in Westend entlang, jede hält eine Blume in Händen. Ja, sie seien auf dem Weg zur Trauerfeier für Jonny. Zwei haben ihn gekannt. „Er war einst in der Parallelklasse“, erzählt die eine, „er war der Kumpel eines Freundes“, die andere. Der Tod des 20-Jährigen hat die junge Frauen tief erschüttert. Vor zwei Wochen war er auf dem Alexanderplatz zu Tode geprügelt worden, aus nichtigem Anlass, weil er einen betrunkenen Freund vor einer Gruppe aggressiver Jugendlicher zu schützen versuchte. „Er wollte doch nur helfen“ – die Mädchen können seinen Tod noch immer nicht fassen.

Das Haus der Begegnung in der Fürstenbrunner Weg ist ein eher nüchterner Zweckbau, nicht ohne ästhetische Ambitionen entworfen, unten viel Glas, oben Holz, ein Gebäude des Bestattungsinstituts Grieneisen, das, eingekeilt zwischen einem schmucklosen Wohnhaus und einem Lidl-Markt, keine für andächtige oder traurige Stimmungen unbedingt prädestinierte Baulage aufweist, was aber durch einigen gartengestalterischen Schmuck auszugleichen versucht wurde.

Am Sonntagvormittag war es bereits Ort für eine gewissermaßen offizielle, nichtöffentliche Trauerfeier für Jonny K., in der Form einer buddhistischen Zeremonie. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nahm daran teil, Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) und der neue Opferbeauftrage Roland Weber. Innensenator Frank Henkel (CDU) wollte kommen, ist aber krank.

„Wir müssen der Familie zeigen, dass wir sie unterstützen“, hatte Weber anlässlich der Feier betont. Eine Aufgabe nicht nur für Politiker. An diesem Sonntagnachmittag kann jeder dem Toten die letzte Ehre erweisen und der Familie seine Anteilnahme zeigen. Um 15 Uhr soll die Trauerfeier beginnen, da drängt sich auf dem Vorplatz bereits eine große Menge, vielleicht 250 Menschen, wie der Leiter der eingesetzten Polizeigruppe schätzt. Probleme erwartet er nicht, nur für alle Fälle sei man in etwas größerer Zahl anwesend, um nicht von der Anteilnahme wieder überrascht zu werden wie bei der spontanen Trauerkundgebung nach dem Tod des 23-jährigen Giuseppe Marcone, der vor einem Jahr am U-Bahnhof Kaiserdamm auf der Flucht vor Schlägern von einem Auto erfasst wurde und starb. Etwa 800 Menschen kamen damals.

Diesmal werden es vielleicht 400 sein. Eine Menge in respektvollem Schweigen, jedes Alter, jede Schicht, soweit man das dem Äußeren nach vermuten darf. Viele haben Blumen mitgebracht, legen sie am Eingang vor einem Foto des Toten ab, wo auch Kerzen brennen, ein Teddybär wacht für Jonny.

Eine junge Frau hat sich zur Seite gestellt, raucht. Nein, sie kannte Jonny nicht. Was sie so erschüttert hat: „Jeder könnte Jonny sein.“ Auch auf Facebook sei das bei vielen Thema gewesen. Und sie kennt ja selbst das Gefühl latenter Bedrohung, wohnt direkt an der Hasenheide, kommt oft spät von der Arbeit nach Hause.

Der Täter hatte offenbar mit der Tat geprahlt

Jonnys Schwester hatte die Feier mit der Familie organisiert
Jonnys Schwester hatte die Feier mit der Familie organisiert

© dpa

Kurz nach 15 Uhr setzt sich die wartende Menge dann in Bewegung. Anfangs getragene Musik, dann Stille. Durch das Foyer geht es in einen Raum, dort steht der weiße Sarg, daneben wieder ein Foto. Ein Beamer projiziert Bilder aus Jonnys Leben an die Wand. Auch Giuseppe Marcones Mutter und seine Schwester sind gekommen, sprechen der Familie ihre Anteilnahme aus. Wer könnte sie besser verstehen. Jonnys Schwester bittet die Vorbeiziehenden, so lange zu verharren, wie sie möchten, dann aber weiterzugehen, für die Nachfolgenden. Am Ausgang verteilen Jugendliche T-Shirts mit dem Bild des Toten.

Jeder hat hier seinen persönlichen Grund, herzukommen. Concetta Koskin etwa ist selbst Mutter eines 20-Jährigen. Auch ihn könnte es treffen. Wie hat ihr Sohn nach seinen nächtlichen Ausflügen, auch zum Alexanderplatz, doch gesagt: „Du kannst die gar nicht vorstellen, was da draußen los ist.“

Am Mittwoch hatten sich zwei Tatverdächtige gestellt. Einen Tag später kamen sie jedoch entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß. Der Richter hatte die Haftverschonung für einen 21-Jährigen mit dem Hinweis auf dessen Geständnis und seine sozial-familiäre Bindungen begründet. Gegen einen 19-Jährigen gab es keinen Haftbefehl, weil er „nur“ den Begleiter des getöteten Jonny K. angegriffen haben soll. Die Freilassung hatte empörte Reaktionen hervorgerufen, die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein.

Es ist zunächst nur der 19-jährige Verdächtige weiter in U-Haft, der am Dienstag gefasst worden war. Drei oder vier weitere Männer werden noch gesucht. Der Hauptverdächtige, der möglicherweise in der Türkei untergetaucht ist, ist nach Informationen mehrerer Zeitungen ein ehemaliger Box-Profi. Wenige Wochen vor der Tat soll er wegen mehrfacher Vorstrafen ein Anti-Gewalt-Seminar absolviert haben. Dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zufolge soll er mit der tödlichen Gewalttat geprahlt haben. (mit dpa)

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