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Der Automat war kaputt. Doch die Kontrolleure in der S-Bahn bestanden darauf, einen Schwarzfahr-Vermerk auszustellen.

© Kai-Uwe Heinrich

Ärger bei Fahrscheinkontrolle in Berlin: 120 Euro Strafe für Ticketstempel aus der Zukunft

Ein Automat entwertete ein Ticket mit einem in der Zukunft liegenden Datum. Deswegen hätte eine Pendlerin fast 120 Euro Strafe gezahlt.

Bahnhof Bellevue, kurz nach zehn an einem Dienstagmorgen im Oktober. "Die Fahrausweise, bitte!", ruft ein Kontrolleur. Die S-Bahn setzt wieder zur Fahrt an. Gabriele Peters (Name geändert) kramt in ihrer Geldbörse, noch zwei Stationen bis zur Arbeit. Fünf Minuten zuvor hatte sie ein Ticket am S-Bahnhof Charlottenburg entwertet, nun zeigt sie es vor. "Das ist nicht gültig", sagt der Kontrolleur.

Da muss ich mich vergriffen haben, denkt Peters, und sieht sich das Ticket genau an: Das Datum auf dem Ticket liegt in der Zukunft. "46. KW" steht darauf. Dabei ist erst die 41. Woche des Jahres. Die Bahn hält am Hauptbahnhof, man bittet sie auszusteigen. Sie müsse eine Strafe zahlen, sagt der Kontrolleur. Ein Kollege schreitet ein, er kenne den Fall, der Automat in Charlottenburg sei wohl defekt, sie solle sich an die Zentrale wenden. Aufschreiben müsse er das Vergehen trotzdem, sagt der andere und vermerkt: "Kein Fahrschein". So erzählt es Gabriele Peters einige Wochen später.

Das Schreiben der S-Bahn kommt nicht an

Der Vermerk des Kontrolleurs macht aus dem technischen Defekt ein Desaster. Gabriele Peters scannt ihr Ticket ein, schreibt eine Mail, bekommt eine Eingangsbestätigung vom Kundenservice – und wartet. Vier Wochen lang. Die Antwort ist eine Rechnung: 119,58 Euro soll sie zahlen, mehr noch als die eigentliche Strafgebühr, wegen der Verzögerung. Sofort wendet sich Peters wieder an den Kundenservice. Sie hätte ein Schreiben erhalten sollen, in dem ihr Ersuchen abgelehnt wurde, sagen die Mitarbeiter.

Sie hätte den Brief nicht erhalten, sagt Peters. Warum der Brief nicht zugestellt wurde, ist unklar. Aber, fragt Peters, warum sollte jemand diesen klaren Fall ablehnen? Weil die Angabe des Kontrolleurs ausschlaggebend sei, erklärt S-Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert. Und die lautete ja: kein Fahrschein.

"Das ist absurd", sagt Peters dem Tagesspiegel. "Es geht hier nicht nur um das Geld, es geht vor allem um Ungerechtigkeit." Sie wendet sich erneut an die Bahn. Und endlich wird ihr bestätigt: Der Ticketautomat war defekt. Die Strafgebühr wird erlassen. "Eine Einzelfallentscheidung", schreibt der S-Bahn-Sprecher.

Denn es sei die Pflicht eines jeden Fahrgasts, sich von der Entwertung seines Tickets zu überzeugen. Die gleiche Vorsicht gilt beim Feststellungsbeleg, also dem Strafzettel, auch den solle der Fahrgast prüfen. Man müsse direkt beim Kontrollpersonal beanstanden, wenn die Begründung nicht stimmt. Ob so "Kein Fahrschein" noch in "Ticket in die Zukunft" hätte geändert werden können? Wir haben einen besseren Tipp: Legen sie das Zukunftsticket zur Seite und warten Sie, bis es reif ist.

Lisa McMinn

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