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Symbolbild für den neuen anonymen Briefkasten auf Tagesspiegel.de, mit dem Informanten unerkannt Dokumente an die Journalisten des Tagesspiegel schicken können.

© dpa/Montage: Atila Altun

Anonymer Briefkasten beim Tagesspiegel: Helfen Sie, Missstände aufzudecken!

Durch unseren anonymen Briefkasten auf Tagesspiegel.de können Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, uns Dokumente zukommen lassen und als Absender dabei unerkannt bleiben.

Von Markus Hesselmann

In seinem Nachruf auf Bill Bradlee, der als Chefredakteur der "Washington Post" den Watergate-Skandal mitaufdeckte, schreibt Robert G. Kaiser, selbst 50 Jahre für die "Washington Post" tätig: "Mr. Bradlees wichtigste Entscheidung könnte es aber gewesen sein, gemeinsam mit Verlegerin Katharine Graham Artikel zu den Pentagon-Papieren zu veröffentlichen, einer geheimen Chronik des Pentagon über den Vietnamkrieg."

Daniel Ellsberg, neben dem Watergate-Informanten Mark Felt ("Deep Throat") einer der großen Whistleblower in der Geschichte der Vereinigten Staaten, hatte die Dokumente 1971 an Zeitungen weitergegeben. Dadurch wurden unter anderem bis dahin vertuschte frühe Kriegsvorbereitungen der USA enthüllt. Ellsberg hatte als ranghoher Mitarbeiter im Pentagon Zugriff auf die Dokumente. Als dann unlängst der NSA-Skandal enthüllt wurde, lobte Ellsberg den Whistleblower Edward Snowden in einem Beitrag für den britischen "Guardian" als Retter vor der "Vereinigten Stasi von Amerika".

Watergate, die Pentagon-Papiere, der NSA-Skandal - das sind die ganz großen Geschichten, die ohne Whistleblower wohl nicht erzählt worden wären. Doch größere und kleinere "-gates" - die Wortendung steht inzwischen sprichwörtlich für Affären und Skandale - gibt es auf allen Ebenen, von der internationalen Politik bis ins kleinteilig Kommunale. Damit noch mehr davon ans Licht kommen, bietet auch der Tagesspiegel jetzt einen anonymen Briefkasten an, mit dem engagierte Bürger auf Missstände hinweisen können, indem sie uns Journalisten Dokumente zur Verfügung stellen, die aus Sicht derer, die etwas vertuschen wollen, nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.

Skandal um Flughafen BER als Beispiel für Intransparenz

Gerade im Lokalen ist das öffentliche Korrektiv einer bisweilen als inkompetent oder willkürlich empfundenen Kommunalpolitik und -Verwaltung wichtig, weil die Bürger davon noch direkter betroffen sind. Und gerade in Berlin führt sich so manches Bezirksamt auch in Zeiten vermeintlich zunehmender Transparenz wie ein Mini-Pentagon auf. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky zum Beispiel weigerte sich, Auskunft darüber zu geben, inwieweit ihm Bezirksamtsmitarbeiter bei seinem multikulti-kritischen Bestseller "Neukölln ist überall" halfen, bis er gerichtlich dazu verpflichtet wurde.

Eine politische Ebene höher versuchen die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen in Berlin seit Jahren die Öffentlichkeit im Dauerskandal BER im Unklaren zu halten, obwohl der neue Hauptstadt-Flughafen mit Steuergeld finanziert wird. Die meist vergeblichen Versuche des Tagesspiegels, auf behördlichem Weg an Informationen und Unterlagen zu kommen, haben wir vor einiger Zeit in einem umfassenden Beitrag auf unserer Seite "Mehr Berlin" dokumentiert - als unendliche Geschichte.

Umso wichtiger ist es, in solchen krassen Fällen von Ressourcenverschwendung und Inkompetenz, dass Unterlagen, die Missstände aufzeigen, öffentlich gemacht werden. Dass Journalisten nicht immer aus eigenem Antrieb derart Skandalöses aufdecken, hat uns das Beispiel BER schmerzlich vor Augen geführt. Ein BER-Whistleblower hätte uns Journalisten auf die Sprünge geholfen.

Glenn Greenwald: Hinweisgebern sichere Wege anbieten

Auch aus dieser Erfahrung heraus haben wir uns entschieden, auf Tagesspiegel.de einen anonymen Briefkasten für Informanten anzubieten. Ermutigt fühlen wir uns dabei auch von großen Vorbildern wie Glenn Greenwald, mit dem Edward Snowden bei seinen Enthüllungen über die NSA zusammenarbeitet. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte Greenwald: "Die Verantwortung liegt bei den Journalisten, dass sie sichere Wege anbieten, über die man ohne Gefahr Kontakt aufnehmen kann. Also zum Beispiel einen sicheren Briefkasten einrichten, der technisch jede Überwachung ausschließt." Journalisten müssten "ihren Informanten einen sicheren Weg anbieten und allen die Möglichkeit geben, auf sichere Art Dokumente und Informationen zu hinterlassen". Je mehr Medien diesen Weg gingen, umso mehr Hinweisgeber würden sich bestärkt fühlen.

Und nicht zuletzt haben uns die Kollegen von Zeit Online durch ihre guten Erfahrungen mit ihrem anonymen Briefkasten bestärkt. Den Kollegen danken wir auch dafür, dass wir uns technologisch bei ihnen bedienen durften.

Beim digitalen Briefkasten bleibt der Informant unerkannt

Journalisten kritische Dokumente zugänglich zu machen, ist heute technisch viel einfacher als zu Zeiten der Pentagon-Papiere. Daniel Ellsberg musste das 7000-seitige Konvolut noch mit Hilfe seiner Kinder fotokopieren. Heute sind Dokumente jeder Art digital erfasst und können ebenso digital ohne großen Aufwand weiterverbreitet werden.

Und deutlich sicherer für den Absender: Der Informant bleibt anonym, wenn er uns Dokumente über unseren neuen anonymen Briefkasten zugänglich macht. Der Absender kann nicht ermittelt werden, auch nicht von uns. Bei der Einrichtung des Briefkastens haben uns Sicherheits-Experten unterstützt und wir greifen wie gesagt auf ein bereits bei unseren Kollegen von "Zeit Online" erprobtes System zurück. Alles weitere zu den technischen Gegebenheiten, zur Sicherheit und zur Anonymität von Informanten lesen Sie hier.

Nach der Übermittlung der Dokumente beginnt unsere Arbeit, denn Tagesspiegel.de ist ein journalistisches Portal, keine Enthüllungs-Plattform, die massenhaft Dokumente nach dem Prinzip Wikileaks in die Öffentlichkeit bringt. Als Journalisten nehmen wir die uns zur Verfügung gestellten Informationen über Missstände als Ausgangspunkt für unsere Recherchen und Berichte - und setzen auf den öffentlichen Druck, der diese Missstände schließlich beseitigen kann. Helfen Sie mit! Unseren anonymen Briefkasten finden Sie hier.

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