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Arbeitsrecht: Arzt vergleicht Kollegen mit Josef Mengele

Ein Anästhesist kam mit dem neuen Chefarzt nicht klar und verglich ihn mit dem Nazi Josef Mengele. Darauf wurde ihm fristlos gekündigt. Er klagte - mit Erfolg: Das Arbeitsgericht erklärte die Kündigung für unwirksam.

Von Fatina Keilani

Die Operation dauerte zehn Stunden und war recht blutig. Da sagte der Anästhesist zum Chirurgen: „Das ist hier ja wie bei Josef.“ Er meinte Josef Mengele, den Lagerarzt des Konzentrationslagers Auschwitz. Am Marienkrankenhaus in Lankwitz sprach sich dieser Vorfall sofort herum; schon einen Tag nach der Entgleisung bekam Anästhesist Frank R. die fristlose Kündigung. Gegen die klagte er – und gewann am Mittwoch vor dem Arbeitsgericht. Die Stiftung Maria Immaculata, Trägerin des Marienkrankenhauses, will Berufung einlegen.

Für Richterin Andrea Hennies machte es einen Unterschied, ob die Äußerung nur einmalig, in der Stresssituation einer stundenlangen OP fiel, oder ob R. seinen Nazi-Vergleich mehrfach äußerte. Das behauptet sein früherer Arbeitgeber. R. habe mit dem neuen Chefarzt für plastische Chirurgie, dem no ch jungen, aber schon sehr prominenten Professor Nektarios Sinis, nicht gekonnt und ihn des Öfteren als „Josef“ bezeichnet. Um dies zu beweisen, hätte das Marienkrankenhaus allerdings Mitarbeiter als Zeugen aufbieten müssen. Dies wollte man den Angestellten nicht zumuten – um den Betriebsfrieden nicht zu gefährden, so der Rechtsanwalt des Krankenhauses, Thomas Ritter. Deswegen habe er die Auflage des Gerichts, zu diesem Punkt mehr Tatsachen vorzutragen, nicht erfüllt.

Nach seiner Überzeugung dürfte die Zahl der Beleidigungen auch gar keinen Unterschied machen – schon eine einmalige Entgleisung dieser Art rechtfertige die Kündigung. Das sei auch ständige Rechtsprechung. In der Tat hatte das Bundesarbeitsgericht unter anderem im vergangenen Dezember bekräftigt, dass im Grunde jeder Nazi-Vergleich ein Kündigungsgrund „an sich“ ist. Allerdings müsse trotzdem eine Interessenabwägung stattfinden, so das Erfurter Gericht. Das betonte auch Richterin Hennies: „Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe.“ Der Kläger R. hatte die Äußerung zugegeben und auch gesagt, sie tue ihm leid. Er gehörte 17 Jahre zum Unternehmen. Bei der Abwägung all dessen kam das Gericht eben zu dem Schluss, die Kündigung sei unwirksam.

Frank R. fand nach seiner Kündigung im Februar schnell wieder eine neue Anstellung; seine Probezeit ist auch schon abgelaufen. Nach dem Urteil kann er sich im Grunde aussuchen, welchen Job er weitermachen will. „Mein Mandant kann sich gut vorstellen, wieder im Marienkrankenhaus anzufangen“, sagte sein Anwalt Sascha Herms. Er hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei seinem alten Arbeitgeber und auch auf Weiterbezahlung. Allerdings muss er sich sein neues Gehalt anrechnen lassen.

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