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Berlin: Ausschüttung Ost

Das Novum-Vermögen gehört dem Bund. 250 Millionen Euro der SED sollen jetzt in die neuen Länder fließen

Der kürzeste Weg durchs Dickicht führte geradeaus. Ganz schulmäßig prüfte der dritte Senat des Berliner Oberverwaltungsgerichts, wem denn nun die Novum-Millionen gehören – und kam zum Ergebnis: dem Bund. Damit entschied das Gericht unter Vorsitz von Hildegard Fitzner-Steinmann genau entgegengesetzt zur Vorinstanz. Die Revision wurde nicht zugelassen; gegen die Nichtzulassung ist aber noch Beschwerde möglich.

In dem Mammutprozess, dessen zweite Instanz allein sieben Jahre dauerte, ging es um die Frage, ob das Vermögen der Firma Novum den Deutschen gehört oder den österreichischen Kommunisten. Und das hing davon ab, ob die Firma zur DDR gehörte oder nicht. Rund 255 Millionen Euro kommen als Folge des Urteils jetzt gemeinnützigen Zwecken wie dem wirtschaftlichen Aufbau in den östlichen Bundesländern zugute. Vorher muss ein Großteil des Geldes aber erst einmal wiederbeschafft werden.

Die Vorgeschichte: 1951 gründeten österreichische Kommunisten in Ost-Berlin die Novum GmbH, die den Außenhandel der DDR vor allem mit Österreich abwickelte. Die Firma verdiente gut; in 40 Jahren sammelte sich eine halbe Milliarde Mark auf ihrem Konto an. Dann zerbrach die DDR. Millionensummen verschwanden; nur knapp 100 Millionen Euro konnte der Bund sichern. Der Großteil des Geldes wurde offenbar über die Bank Austria in Zürich weggeschafft; sie hat der Bund auf Schadensersatz in Höhe von gut 125 Millionen Euro verklagt, plus Zinsen.

Die Treuhand-Nachfolgerin BvS hat die ganze Zeit die Ansicht vertreten, Novum sei eine Firma der DDR gewesen; die Gegner waren der Meinung, es habe sich um eine Firma der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) gehandelt. Eine Schlüsselrolle bei dem Ganzen spielte die legendäre „rote Fini“, Rudolfine Steindling, letzte Alleingesellschafterin der Novum (siehe Kasten). Sie hatte stets behauptet, sie habe ihre Anteile treuhänderisch für die KPÖ gehalten. Andere Erklärungen, die eine Treuhand für die SED zu belegen schienen, habe sie „nur zum Schein“ abgegeben. Mehrere Zeugen stützten im ersten Prozess diese Version, darunter DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski und DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil. Das Berliner Verwaltungsgericht gab Frau Steindling im Dezember 1996 Recht. Dagegen ging die BvS in Berufung – mit Erfolg (OVG 3 B 11.96 und OVG 3 B 12.96).

Schritt für Schritt prüfte das Gericht, ob zwischen Frau Steindling und der DDR-Firma Zentrag ein Treuhandvertrag zustandegekommen war. Was braucht man für einen solchen Vertrag? Angebot und Annahme, außerdem ein Treugut. Lag ein Angebot vor? Wurde es angenommen? Das Gericht bejahte diese Fragen. Auf das, was die Parteien über die Jahre noch vorgetragen hatten, kam es nicht mehr an. Denn wenn Gesellschafter die Geschäftsanteile nur treuhänderisch halten, seien diese Anteile nach Paragraf 20 b des Parteiengesetzes der DDR der Partei oder parteieigenen Organisation zuzurechnen, für die sie gehalten werden, so das Gericht. Zwar sei die Firma nach außen als KPÖ-Firma getarnt gewesen. Die Tarnung von Firmen sei aber in der DDR durchaus üblich gewesen. Es bleibe eine SED-Firma.

Die Anwälte von Frau Steindling zeigten sich „enttäuscht und entsetzt“ über das „völlig überraschende“ Urteil. Das gesamte historische Material sei ignoriert und der KPÖ ihr Vermögen kaputtgemacht worden, sagte Anwalt Alexander Ignor. Anderenfalls wäre die KPÖ wohl zur reichsten Splitterpartei der Welt geworden. Auf jedes ihrer noch 5000 Mitglieder – früher waren es bis zu 135 000 – wären 51 000 Euro herabgeströmt.

Fatina Keilani

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