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© Pascale Müller

Ausstellung „Attitudes“ im Haus am Lützowplatz: Die Girls an deiner Seite

Plakataktion mit bewaffneten Mädchen soll Frauen im öffentlichen Raum Sicherheit vermitteln.

Eine Mädchengang aus Papier herrscht in Tiergarten. Unter dunklen Kapuzen hervor schaut sie böse auf alle, die vorbeilaufen. In der Hand: Baseballschläger, Messer, eine Axt. Überlebensgroß kleben die Bilder auf der Außenfassade des Hauses am Lützowplatz. Die Künstler Sarah Held und Tobias Frindt haben sie plakatiert. „Girl Gangs against Street Harassment“, heißt ihr Projekt, Mädchenbanden gegen Belästigung im öffentlichen Raum.

Es ist Teil der Jubiläumsausstellung „Attitudes“ zum 90. Geburtstag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie zeigt junge, zeitgenössische Kunst, die sich kritisch mit dem Geschehen auseinandersetzt. Zwölf von der Stiftung geförderte Künstler wurden dafür ausgewählt. Darunter auch Sarah Held, weiße Haare, Lederjacke, löchrige Strumpfhosen. Die 34-Jährige promoviert gerade am Institut für Visuelle Kultur der Universität Frankfurt am Main. Angereist ist sie nur mit ein paar Papprollen, Schere und Kleber. „Wir wollen diesen Kunsthabitus ein bisschen karikieren“, sagt sie.

Street Harassment noch nicht angekommen

Die Idee der Mädchenbande kam dem Aktivisten Tobias Frindt bei einem „Urban Hacking Workshop“ in Mannheim. Die ersten Girls klebte er heimlich in einer Unterführung. „Wir haben nicht gedacht, dass wir mal in so einem Kunstkontext ausstellen“, sagt er. Jetzt hängt die Papierbande in einer Galerie, Männer in Leinensakkos schlendern daran vorbei.

Mit seiner Kunst will er zum Nachdenken anregen. In einem Video zeigt er Bilder von Typen, die Frauen in der U-Bahn anmachen, obszöne Geste, tatschende Hände. „Das Problem des Street Harassment ist in Deutschland noch nicht angekommen. Das fängt damit an, dass es kein deutsches Wort dafür gibt“, sagt Frindt. „Ich wollte, dass Frauen darüber reden können, was da auf der Straße los ist.“

Unorte sollen erobert werden

Die Girl Gangs sind deshalb auch keine einmalige Angelegenheit, sondern ein kollektives Projekt, bei dem jeder mitmachen kann. Auf der Website können die Fotos für die Plakate heruntergeladen und ausgedruckt werden. Oder man macht gleich eigene. In Graz, Leipzig und Innsbruck gibt es bereits solche Aktionen. „Die Ausstellung soll Leute anstiften, selbst etwas zu machen“, sagt Held.

Mit ihren Plakaten will sie öffentliche Räume verändern; die Mädchen kleben in dunklen Ecken, Unterführungen und zwielichtigen Plätzen. „Unorte sollen erobert und ein ironischer Moment erzeugt werden“, sagt Held. Dadurch wird die Unterführung nicht weniger dunkel, der Bahnsteig nicht weniger einsam. „Aber du hast vielleicht das Gefühl, nicht alleine zu sein.“

Sexualisierte Frauen

Großformatige Darstellungen von Frauen im öffentlichen Raum seien fast immer sexualisiert, sagen die Künstler, Unterwäschemodels, halbnackte Frauenkörper, die Jeans, Kaffee oder Medikamente bewerben. Auch dazu wollen die beiden einen Kontrapunkt setzen. „Mit den Girl Gangs kann ich Orte markieren", sagt Held. „Orte, an denen ich belästigt worden bin, an denen ich immer wieder angequatscht werde.“

An ihrem derzeitigen Wohnort Kiel hat sie ein Plakatmädchen in einer Ecke festgekleistert, die ihr nicht ganz geheuer war. Direkt neben einer Wand wilder Werbeplakate. Nur die Frau war schnell abgekratzt, alles andere hängt heute noch dort. Held sagt: „Da habe ich gemerkt, dass die wehrhafte Frau im öffentlichen Raum anscheinend immer noch das ist, was am meisten stört.“

Die Ausstellung „Attitudes“ ist noch bis zum 10. Januar 2016 im Haus am Lützowplatz zu sehen. Mädchenbanden zum Ausdrucken und Mitmachen gibt es unter: www.girlgangsover.wordpress.com

Pascale Müller

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