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Alma Mater. Anna-Maria Ludwig musste ihr Studium länger aussetzen als geplant – sie hatte niemanden, der auf Christian Alexander aufpassen konnte.

© Thilo Rückeis

Studieren mit Kind: Bachelor mit Baby

Wer während des Studiums ein Kind bekommt, muss sich auf eine anstrengende Zeit gefasst machen – wie eine Berliner Studentin der Erziehungswissenschaften.

Der Termin beim Professor fällt aus, weil das Kind zum Arzt muss. Die Vorlesung beginnt ausgerechnet während des Mittagsschlafs des Kleinen, und zu Hause neben dem Wickeltisch türmen sich Stapel von Papier. Wer während des Studiums ein Kind bekommt, muss vor allem eines sein: belastbar.

Das weiß auch Anna-Maria Ludwig, die an der Freien Universität (FU) Berlin Erziehungswissenschaften studiert. Vor einem Jahr kam Christian Alexander auf die Welt. Ein Wunschkind, wie die 24-Jährige sagt. Auf die Frage jedoch, ob sie während des Studiums noch einmal ein Kind bekommen würde, antwortet sie: „Wahrscheinlich nicht.“ Studium und Kind unter einen Hut zu bringen, sei alles andere als einfach.

Fast zehn Prozent aller Studierenden in Berlin haben ein Kind. Das zeigt die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Ihr Studium verläuft allerdings selten reibungslos: Wegen der Doppelbelastung unterbrechen sie es viermal häufiger als ihre kinderlosen Kommilitonen – im Schnitt für fünf Semester. In dieser Zeit haben andere schon fast den Bachelor in der Tasche. Zudem muss mehr als die Hälfte der studentischen Eltern nebenbei jobben, was abermals das Studium verlängert. Das Ergebnis: Nur die Hälfte der Befragten gab in der Erhebung an, erneut ein Kind im Studium bekommen zu wollen. „Die Rahmenbedingungen müssen ganz klar noch besser werden“, sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.

Tatsächlich ist der Wille groß, Studierende mit Kind zu unterstützen. Die Hochschulen zeigen sich familienfreundlich und versuchen, sich auf Eltern und Kinder einzustellen. An den Berliner Hochschulen etwa gibt es fünf zertifizierte Kindertagesstätten mit 410 Plätzen. 213 davon sind für Kinder unter drei Jahren bestimmt. Auch flexible Kurzzeit- und Notfallbetreuungen werden angeboten, falls die Tagesmutter oder der Babysitter unerwartet ausfallen.

An der Weddinger Beuth-Hochschule für Technik etwa, die wie auch die Technische Universität für ihre Familienfreundlichkeit bereits ausgezeichnet wurde, gibt es ein Familienzimmer und einen monatlichen Treff für studierende Eltern. Die werden außerdem von ihren Kommilitonen unterstützt: Bei der Prüfungsvorbereitung, durch Mitschriften oder Nachhilfe. Dafür wiederum gibt es Leistungspunkte.

Von einem lockeren Studentenleben ist der Alltag mit Kind dennoch weit entfernt. Ihre Eltern, sagt etwa Anna-Maria Ludwig, hätten ihr noch vorgeschwärmt, wie toll es sei, während des Studiums Kinder zu bekommen. Doch heute wird auf Bachelor studiert – es geht um feste Module, Anwesenheitspflicht und eine straffe Taktung, um alle Veranstaltungen unterzubringen. Flexible Vorlesungszeiten? Individueller Stundenplan? Fehlanzeige.

Nach einjähriger Pause steigt Anna-Maria Ludwig nun wieder in ihr Studium ein. Das war eigentlich schon für das vergangene Semester geplant – doch es scheiterte an der Betreuung. „Viele Pflichtkurse waren am späten Nachmittag. Da hatte ich einfach niemanden, der auf Christian Alexander hätte aufpassen können. Und mein Verlobter kann auch nicht einfach von der Arbeit weg, nur weil ich zur Uni muss“, sagt sie.

Eigentlich hätte ihr Sohn Anspruch auf einen Kita-Platz an der FU. Doch Ludwig wohnt in Potsdam und die Plätze seien nur für Studenten gedacht, die auch in Berlin wohnen, sagte man ihr. Auf einen Kita-Platz an einer Potsdamer Hochschule hat Ludwig wiederum keinen Anspruch, weil sie nicht dort studiert.

Zum Glück hat sie vor kurzem eine Tagesmutter in Kleinmachnow gefunden, die nun zeitweise auf Christian Alexander aufpassen wird. „Natürlich wäre es leichter, wenn mein Sohn an der Uni untergebracht werden könnte“, sagt Ludwig. Hoffnung, dass das noch klappen könnte, hat sie keine mehr. Eigentlich, sagt sie, hätte sie sich schon vor der Schwangerschaft um einen Betreuungsplatz kümmern müssen.

Anne Hansen

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