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Spritzig. Nicht nur das Prinzenbad gehört zu den begehrtesten Orten der Stadt.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Bäder-Chefin von Berlin: "Ich bin Frühschwimmerin"

Annette Siering bringt Abkühlung für Berlin: Sie ist kommissarische Bäderbetriebe-Chefin. Ein Gespräch über Wetter, Gewalt am Beckenrand und ihre Freibad-Pläne.

Frau Siering, wir treffen uns im Prinzenbad. Haben Sie schon Polizisten in Badehosen gesehen?

Nein. Die gibt es hier auch nicht.

Warum kommt es in Schwimmbädern immer wieder zu Gewalttaten?
Messer und Waffen gehören weder in Freibäder noch auf Schulhöfe. Freibäder sind keine Gewaltorte. Wenn die Stimmung sich aufheizt, gibt es schon mal Rangeleien. Das ist kein Phänomen von Freibädern. Wir setzen auf Prävention. Da haben die Bäderbetriebe sicher noch Potenzial.

„Bleib cool am Pool“ heißt ein gemeinsames Projekt der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit, der Polizei und der Bäderbetriebe in Neukölln und Pankow. Wird das ausgeweitet?
Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Projekt gemacht und wollen künftig aktiver nach Partnern suchen, um schon vor der Saison an Jugendliche heranzukommen. Jugendliche sollen sich stärker als bisher mit ihrem Bad identifizieren. So werden sie ihr Bad auch mehr schätzen. Und was man wertschätzt, zerstört man nicht. Wenn die kleine Schwester oder der kleine Bruder in dem Bad schwimmen gelernt hat, wird es der große Bruder wohl nicht auseinandernehmen.

Wir haben gerade tolles Badewetter. Wie sieht Ihre Sommer-Zwischenbilanz aus?
Bei diesem traumhaften Wetter kann man schnell vergessen, wie gruselig der Juni war. Berlinweit hatten wir ein Defizit von 800.000 Euro. Betrachtet man die Statistik, sieht man, dass im Juni jeweils an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Badewetter war, dann war es wieder kalt. Hat man aber eine Woche lang schönes Wetter, kommen die Leute auch ins Freibad. Der Juli wiederum war sehr gut für uns. 700.000 Badegäste brachten uns einen Umsatz von 2,2 Millionen Euro. Ich hoffe, dass der August sehr warm bleibt und wir dann das Defizit von Juni wieder ausgleichen können.

Annette Siering, 49, ist die kommissarische Bäderbetriebe-Chefin.
Annette Siering, 49, ist die kommissarische Bäderbetriebe-Chefin.

© Kai-Uwe Heinrich

Warum sind die Öffnungszeiten der Freibäder so unübersichtlich? Manche öffnen um 8 Uhr, andere um 10 Uhr, manche schließen um 18 Uhr, andere wiederum um 20 Uhr.
Das empfinde ich nicht als unübersichtlich. Wir versuchen örtliche Badegewohnheiten auszutarieren. Berlin funktioniert sehr kiezorientiert. Beispiel Prinzenbad: Wir öffnen um 7 Uhr, weil hier ein starkes Frühschwimmerklientel existiert, das auch bei bedecktem Himmel schwimmen geht.

Schwimmen Sie regelmäßig?
Ich bin Frühschwimmerin und mache das fünfte Jahr in Folge mein Sportabzeichen. Diese Woche war ich im Columbiabad, in Wilmersdorf und in Kreuzberg schwimmen. Mein Ziel ist es, 100 Mal im Jahr zu schwimmen. Bisher bin ich 48 Mal die 1000 Meter geschwommen.

Die Bäder können auch länger geöffnet bleiben. Das entscheiden Mitarbeiter vor Ort. Kommt das bei den Besuchern an?
Wir sind damit erstmals in dieser Saison gestartet. Für die Teams ist das auch ein Lernprozess. Wir geben die Kunden-Feedbacks weiter. Im Sommerbad Wuhlheide gab es zum Beispiel Kritik, dass es trotz guten Wetters schon um 18 Uhr schließt. Dann hat das Team vor Ort das Bad bis 19 Uhr geöffnet gelassen – und alle waren glücklich.

Haben Ihre Kunden das neue Tarifsystem jetzt angenommen?
Wir haben die Premiumkarte und die Sommerbad-Karte, die wir im Vorverkauf sogar für 50 statt 70 Euro angeboten hatten. Sie wird sehr gut angenommen, weil sie übertragbar ist. Was die Hallensaison anbelangt, haben wir die Anzahl der Gäste in der Basiszeit zwischen 10 und 15 Uhr um zehn Prozentpunkte erhöhen können.

In diesem Jahr wurde das Bäderkonzept vorgelegt. Der damalige Bäderchef Ole Bested Hensing setzte ja auf die Spaßbad-Strategie. Wie sehen Sie das?
Ole Bested Hensing war zuvor Geschäftsführer des Tropical Islands, wo das Konzept klar auf Spaßbad ausgerichtet ist. Ich plädiere mehr für Ausgleich statt Action. Wir müssen die unterschiedlichen Interessen berücksichtigen. Es sollte für jeden etwas da sein, für Schwimmer, Sportler, Familien, Senioren, Kinder. Wir wollen Schwimmen als Gesundheitsvorsorge anbieten. Für Kinder soll es mehr Schwimmkurse geben. Da sind wir in den Hallen schwach aufgestellt. Dort liegt der Schwerpunkt auf sportorientiertem Schwimmen. Nur elf Prozent der Beckenkapazitäten gehen zu Kurs- oder Planschbecken. Das ist zu wenig. Wir haben drei freizeitorientierte Bäder. Das Stadtbad Schöneberg wird den aktuellen Ansprüchen am ehesten gerecht. Nur für die Sauna hat das Geld für die Sanierung nicht mehr gereicht.

Werden Sie sich um die Nachfolge von Ole Bested Hensing bewerben?
Nur so viel: Als Sportlerin stelle ich mich gerne Herausforderungen.

Laut Bäderkonzept sollen mindestens 50 Prozent der Wasserflächen für die Belange von mobilitätseingeschränkten Menschen vorgehalten werden. Wird das überhaupt umgesetzt?
Alle Neubauten sind barrierefrei mit behindertengerechten Sanitäranlagen bis hin zu breiten Beckeneingängen. Das kann aufgrund baulicher Vorschriften zum Teil bei Sanierungen nicht umgesetzt werden.

Wann wird mit dem Bau der Kombibäder in Pankow und Mariendorf denn begonnen?
Die Bedarfsplanung wird derzeit vorbereitet. Sie soll im September dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Die gesamte Planung wird eineinhalb Jahre dauern. Das erste Bad soll 2020 öffnen.

Die Bäderbetriebe erhalten einen jährlichen Zuschuss von 45 Millionen Euro. Im Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt sind weitere vier Millionen Euro festgeschrieben. Trotzdem sind die Bäderbetriebe defizitär. Woran liegt das?
Der Umsatz ist enorm wetterabhängig. 65 Prozent unserer Flächen sind Freibäder. Wenn Sie Wannsee und Tegel noch mitnehmen, sind es sogar 85 Prozent. Würden wir subventioniert werden, ohne Umsätze zu erzielen, bräuchten wir 70 bis 80 Millionen. Wir haben einen Sanierungsstau in Höhe von 88 bis 93 Millionen Euro. Die Investitionsmittel sind künftig keine Landes-, sondern Bundesmittel. Der bisherige investive Zuschuss von fünf Millionen Euro fällt weg. Dafür erhalten wir sechs Millionen Euro aus dem Kommunalen Investitionsprogramm für strukturschwache Regionen mit Schwerpunkt energetische Sanierung.

Welche Bäder werden demnächst saniert?
Geplant sind das Wellenbad am Spreewaldplatz in Kreuzberg und die Schwimmhalle in Tiergarten. Auch das Paracelsus-Bad wird saniert. Und wir wollen kein Bad schließen.

Etliche Badegäste kritisieren das gastronomische Angebot in einigen Bädern. Ein Bad ohne Pommes geht zwar gar nicht, aber der Trend geht doch zu gesundheitsbewussterer Ernährung, oder?
Ja, aber mittlerweile sind auch Sandwichs mit viel Salat, Obstsalate gefragt. Einer unserer Bädermanager hat sich auf gastronomische Konzepte spezialisiert. Er wird demnächst in Kontakt mit den Gastronomen treten und mit ihnen gegebenenfalls über eine Angebotserweiterung sprechen. Aber das Kerngeschäft bleibt Pommes rot-weiß.

Annette Siering, 49, ist kommissarische Chefin der Berliner Bäderbetriebe. Ihr Vorgänger Ole Bensted Hensing hatte im März aus persönlichen Gründen vorzeitig aufgehört.

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