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Bedrohte Idylle. Wie lange ein Teil der Pächter in der Kolonie Oeynhausen noch die Blumenpracht genießen kann, ist fraglich. Ein Investor plant dort Wohnungen.

© Thilo Rückeis

Bedrohte Laubenkolonie in Berlin-Schmargendorf: In der City West geht das Tauziehen um Kleingärten weiter

Am 25. Mai gibt es einen Bürgerentscheid zur bedrohten Kleingartenkolonie Oeynhausen in Schmargendorf, die eine der ältesten und größten in Berlin ist. In einer BVV-Sondersitzung stritten Politiker erneut um Wege zu deren Rettung. Dabei ging es auch um angeblich unterschlagene Akten.

Zumindest ein Erfolg ist den Kleingärtnern der Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf nicht mehr zu nehmen: Sie haben mehr als 12 000 Unterschriften für ihre bedrohten Parzellen gesammelt und damit einen Bürgerentscheid durchgesetzt. Falls am 25. Mai zehn Prozent der rund 242 000 Wahlberechtigten in Charlottenburg-Wilmersdorf teilnehmen und mehrheitlich zustimmen, wird das Bezirksamt aufgefordert, einen seit Jahren vorbereiteten Bebauungsplan zur Sicherung der Kolonie in Kraft zu setzen. Das Votum käme einem BVV-Beschluss gleich.

Darum ging es am Freitagabend in einer Sondersitzung der Bezirksverordneten, die der Piraten-Politiker Siegfried Schlosser beantragt hatte. Er forderte eine baurechtliche Veränderungssperre, um „mögliche weitere Schritte“ der Luxemburger Eigentümerfirma Lorac zu verhindern. Dieser gehören 302 Parzellen; 122 weitere auf landeseigenem Gelände sind nicht gefährdet.

Auf dem privaten Grundstücksteil plant der Berliner Unternehmer Klaus Groth luxuriöse Wohnungen. Die Kompromisslösung einer Teilbebauung, die Baustadtrat Marc Schulte (SPD) ausgehandelt hatte, setzte die BVV im Sommer 2013 außer Kraft.

Der Bezirk plant neue Vorstöße bei der Landesregierung

Jetzt scheiterte Schlossers Antrag an der rot-grünen Mehrheit. Diese äußerte rechtliche Bedenken, es ging erneut um mögliche Schadensersatzsprüche der Eigentümer. Den weitreichendsten Antrag stellte die CDU. Sie forderte zusätzlich zu einer Veränderungsperre, der Bezirk solle „Gespräche mit dem Finanzsenator führen“ und die BVV „beim Senat und den Fraktionen des Abgeordnetenhauses“ für die Rettung der Kolonie werben.

Diese Formulierungen stehen auch im dritten Antrag, den SPD und Grüne einbrachten und beschlossen. Die Veränderungssperre ist nicht enthalten. Zumindest aber soll Baustadtrat Marc Schulte (SPD) eventuelle Bauanträge oder Bauanzeigen „zurückstellen“. Dies habe er sowieso vor, sagte Schulte, ebenso wie ein Gespräch mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Dieser hatte es jedoch bereits im Sommer 2012 abgelehnt, finanzielle Risiken mit zu tragen.

Jahre zuvor war bereits der damalige Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) bei Nußbaums Vorgänger Thilo Sarrazin (SPD) abgeblitzt mit der Bitte, Berlin möge das private Grundstück kaufen, das zu dieser Zeit der Post gehörte.

Alle Fraktionen waren sich einig im Ziel, die Kolonie zu erhalten. Nach Ansicht von Siegfried Schlosser wurde aber „nur der Status quo bestätigt“, das Ergebnis bedeute „viel Lärm um nichts“.

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Baustadrat

Zugespitzt hat sich der Streit um die Höhe des Schadensersatzes, den Lorac einklagen könnte, falls nicht gebaut werden darf. Die von Anwohnern gegründete Bürgerinitiative „Schmargendorf braucht Oeynhausen“ hat bei Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Stadtrat Schulte eingereicht.

Die Initiative wirft dem Baudezernenten vor, er habe Akten „unterdrückt“. Es geht um Vermerke vom Dezember 2011 und Februar 2012, die dem Tagesspiegel vorliegen. Darin korrigiert ein Mitarbeiter des Stadtplanungsamts seine frühere Annahme, das Lorac-Gelände sei Bauland und die Schadensersatzansprüche könnten bis zu 26 Millionen Euro betragen. Nach einem klärenden Gespräch mit einem Gutachter sei dieses Szenario „hinfällig und überholt“: Es handele sich um Kleingarten-Pachtland im Wert von nur 870 000 Euro.

In die Bebauungsplan-Akte gelangten die Vermerke nicht.

Die Initiative erwägt auch eine Strafanzeige gegen Schulte. Das Bezirksamt hatte durchgesetzt, dass die Kleingärtner im Text ihrer Unterschriftensammlung auf eine drohende Entschädigung in Höhe von „bis zu 25 Millionen Euro“ hinweisen mussten. Eine Klage dagegen wies das Verwaltungsgericht ab, es fand die Schätzung plausibel. Allerdings lagen die Vermerke auch den Richtern nicht vor.

In der BVV argumentierte Schulte, es habe „ganz verschiedene Varianten“ der Schadensersatz-Schätzungen gegeben. „Ich könnte auch ein Papier mit der Summe 50 Millionen Euro rausziehen.“ Außerdem bestätige ein neueres Gutachten – es ist mittlerweile das vierte – das von ihm genannte Risiko.

Die CDU äußerte „großes Erstaunen“ über die Aktenführung des Stadtrats, die „zumindest kritisch zu hinterfragen“ sei. Der Vize-Fraktionschef und Bauexperte Arne Herz nannte die finanziellen Risiken „beherrschbar“, zumal die Kleingärtner bereit seien, gegebenenfalls einen Teil davon zu übernehmen.

- Informationen der Kleingärtner und der Bürgerinitiative gibt es unter www.kleingaertnerverein-oeynhausen.de und www.oeynhausen-retten.de.

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