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Die Maaßenstraße ist jetzt eine Begegnungszone – hier ein Blick in Richtung Nollendorfplatz. Viele Parkplätze verschwanden; prompt standen am Abend die ersten Autos im Halteverbot.

© Cay Dobberke

Begegnungszone in Berlin-Schöneberg: Neue Ruhe in der Maaßenstraße

Zwischen dem Nollendorf- und dem Winterfeldtplatz in Schöneberg wurde Berlins erste „Begegnungszone“ eröffnet. Fußgänger gewinnen Platz, für Autofahrer wird es eng.

In der ersten Berliner „Begegnungszone“ in der Schöneberger Maaßenstraße soll das Verkehrsgeschehen „entschleunigt“ werden – doch zunächst mussten sich die Bauarbeiter am Montag noch sehr beeilen, damit die Fahrbahn zwischen Nollendorf- und Winterfeldtplatz freigegeben werden konnte. Container und Baumaterial am Straßenrand sollen erst im Laufe der Woche verschwinden. In gewisser Weise passte dies zu den Reden der Planer, die betonten, das Pilotprojekt sei keineswegs abgeschlossen.

Man werde die Entwicklung im Auge behalten und im Laufe der kommenden zwei Jahre sicherlich noch etwas verändern, sagten der Berliner Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler, die Tempelhof-Schöneberger Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) und Bezirksbaustadtrat Daniel Krüger (CDU).

Mehr Platz für Passanten

Statt Tempo 30 gilt nun Tempo 20. Um Raser zu bremsen, kamen vier „Aufpflasterungen“ hinzu, die Fahrbahn wurde verschwenkt und schmaler gestaltet. Auf freigewordenen Flächen gibt es Aufenthaltsbereiche für Fußgänger mit 29 Sitzbänken, für Kinder wurden drei farbenfrohe Sitze in der Form von Hunden und Katzen gestaltet. Gastronomie ist an diesen Stellen verboten, damit sich die vielen Lokale rundum nicht weiter ausbreiten. Auf Initiative von Künstlern bemalten Anwohner rechteckige Poller am Fahrbahnrand.

Die Fahrbahn dient nun auch Radlern

Pro Richtung teilen sich Auto- und Radfahrer eine Spur. Die Radwege auf den Gehwegen wurden entfernt, da sich Fußgänger und Radfahrer oft in die Quere gekommen waren. Dieses „hohe Konfliktpotenzial“ sei einer der Gründe für das Projekt gewesen, sagte Stadtrat Krüger. Rund 50 Parkplätze sind entfallen, nur für Lieferwagen gibt es eine Haltezone.

Um die Barrierefreiheit zu verbessern, wurden einige Bordsteine abgesenkt – wenn auch aus Kostengründen nicht alle. Als Orientierungshilfe für sehbehinderte Fußgänger dienen spezielle Pflasterungen mit fühlbarem Punkteraster.

„Den Kiez erlebbar machen“

Als Ziel nannte Gaebler, die „Lebensräume im Kiez erlebbar zu machen“. Er wisse, dass die Anrainer „nicht alle sofort überzeugt sind“, die Begegnungszone sei aber „nicht von oben verordnet worden“. Es habe einen langen Beteiligungsprozess gegeben. Laut Bürgermeisterin Schöttler haben sich seit Ende 2013 mehr als 2500 Bürger zu Wort gemeldet. Es gab Diskussionsabende, ein Online-Forum und geführte Rundgänge. Der Umbau kostete etwa 700 000 Euro und wurde vom Senat finanziert, zum Teil mit EU-Fördermitteln.

Autos haben noch immer Vorfahrt

Die Berliner Variante der Begegnungszone bleibt hinter den Vorbildern des „Shared Space“ in anderen Ländern zurück. In den Niederlanden sind alle Verkehrsteilnehmer in solchen Zonen gleichberechtigt, in der Schweiz haben Fußgänger sogar Vorrang.

Erste Falschparker

Am Montag passierten nur wenige Autos die Straße, viele Fahrer wussten wohl noch nichts von der Freigabe. Außerdem können am Nollendorfplatz derzeit nur Fahrzeuge, die aus der Kleiststraße kommen, rechts einbiegen. Denn wegen der BVG-Bauarbeiten am U-Bahnhof ist eine Spur gesperrt, die sonst aus nördlicher Richtung in die Maaßenstraße führt. Dort standen schon am Abend mindestens zwei falsch geparkte Autos auf der Fahrbahn – es wurde eng.

Einige Anwohner und Gewerbetreibende bleiben skeptisch

Anwohner haben vor allem den Wegfall der Parkplätze kritisiert. Der Bezirk prüft eine Parkraumbewirtschaftung in den Seitenstraßen, um den „Parkdruck zu vermindern“. Auch manche Geschäftsleute zeigten sich am Montag kritisch. Jost Müller vom Café „Eckstein“ an der Ecke Winterfeldtstraße nannte die Maßnahmen „groben Unfug“: Die Verkehrsberuhigung sei richtig, aber „man hätte sie auch mit viel einfacheren Mitteln umsetzen können“. Durch den Parkplatzmangel könne der Wochenmarkt auf dem Winterfeldtplatz an Attraktivität verlieren. Die Neugestaltung sei auch „nicht schön“ und wirke „wie ein Schulhof in Marzahn“.

Der Besitzer eines Gebrauchtwarenladens an der Nollendorfstraße hätte sich mehr Bäume und Grünflächen gewünscht. Positiver sah ein Kellner im „Café Berio“ die Umbauten: „Das ist gut, weil es die Raser abhält.“

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hatte sich in einem Arbeitskreis an der Planung beteiligt. Vize-Hauptgeschäftsführerin Melanie Bähr lobt die „Chance, neue Arten der Verkehrsorganisation zu erproben“. Der Austausch zwischen den Beteiligten dürfe aber nicht enden: „Erst jetzt beginnt der eigentliche Lernprozess.“

Zwei weitere Projekte folgen

Begegnungszonen sind auch in der Kreuzberger Bergmannstraße und am Checkpoint Charlie zwischen Kreuzberg und Mitte geplant. Im September startete die Bürgerbeteiligung für die Bergmannstraße mit einer Auftaktveranstaltung.

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