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Das Hauptterminal des BER.

© Ralf Hirschberger/dpa

BER-Abschlussbericht: Als wäre das Flughafendesaster ein Fall von höherer Gewalt

Keine Verantwortlichen, keine Verantwortung: Der Mehrheitsbericht im BER-Untersuchungsausschuss bleibt unkonkret. Aufklärung leistet er nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Dreieinhalb Jahre Aktenanalyse, siebzig Zeugen, 578 Seiten – und nichts ist klar. In weiten Passagen liest sich der Mehrheitsbericht der Koalitionsmitglieder im BER-Untersuchungsausschuss wie die fatalistische Beschreibung eines Phänomens, als wäre das Flughafendesaster eine Art Naturereignis, das man nicht hätte verhindern, allenfalls etwas besser abwettern können. Ein Fall von höherer Gewalt, die man erst spät hat aufziehen sehen, weil die Warnsysteme offline waren, aus ebenso unerklärlichen Gründen. O. k., hier und da wurde ein Fenster nicht richtig geschlossen, der eine oder andere Blumentopf nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Aber wer hätte das tun sollen? Der Chef? Wofür hat man Hausmeister.

So ist das eben, wenn man in Sumpflandschaften baut: viel Nebel, ab und zu ein übles Gewitter – und am Ende stehen alle im Regen. In den Worten der Ausschussmitglieder von SPD und CDU: „Seriöserweise kann in einem derart komplexen Projekt nur von einer Verflechtung geteilter Verantwortlichkeiten gesprochen werden.“ Das ist selbst für die Hauptstadt der unzuständigen Verantwortungslosigkeit ein bemerkenswerter Befund: Die Verdächtigten werden von Schuld freigesprochen, weil sie sich in geteilte Verantwortlichkeiten verflochten hatten – „geflüchtet hatten“ wäre wenigstens etwas ehrlicher gewesen, aber nicht einmal dazu hat es gereicht.

Stattdessen wird sogar noch das gute alte Kollektiv aus den Ruinen untergegangener Gesellschaftexperimente hervorgekramt: „Kollektiven Wirklichkeitsverlust“ attestieren die vermeintlichen Aufklärer den Beteiligten unisono, so als handele es sich bei der Flughafengesellschaft um eine obskure Sekte, die sich von halluzinogenen Pilzen ernährt. Wie praktisch, dass die Mitgliedschaft in einer transzendentalen Vereinigung kein Straftatbestand ist.

Auf Kosten der Gesellschaft

So gesehen, ist es für die Koalitionsabgeordneten natürlich auch „einseitig, die Hauptverantwortung einem einzelnen Beteiligten aufzubürden“. Daran wiederum stimmt allenfalls, dass die finanzielle Hauptlast tatsächlich dem Kollektiv der deutschen Steuerzahler aufgebürdet wird. Der Rest geht atemlos unter in einem behaupteten „Verantwortungsvakuum“, und das bedeutet: Wer auch immer hier jemanden zu fassen kriegen will, greift ins Leere.

Ein Baustellenzaun und ein Verbotsschild vor dem Terminalgebäude des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg.
Ein Baustellenzaun und ein Verbotsschild vor dem Terminalgebäude des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg.

© dpa

Selbst vor der Aufklärung diametral widersprüchlicher Zeugenaussagen von Ex-Aufsichtsratschef Wowereit und Ex-Geschäftsführer Schwarz, die nichts anderes als die Schlussfolgerung einer strafbewehrten Falschaussage des einen oder des anderen bedeutet, machte der Ausschuss halt: Dies habe leider offenbleiben müssen, „da eine Konfrontation des Zeugen Wowereit mit der Aussage des Zeugen Prof. Dr. Schwarz nicht mehr erfolgte“. So ein Pech aber auch. Folgerichtig hatten die Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg beizeiten, also weit vor dem Erscheinen des Berichts, auf eine ernsthafte Haftungsprüfung verzichtet. Der Mehrheitsbericht sanktioniert diese Zurückhaltung auf Kosten der Gesellschaft, die so in keinem privat geführten Unternehmen denkbar wäre.

Doch damit war das Gremium gar nicht beauftragt. Die Ausschussmitglieder sollten „Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen“ aufklären. „Mission not accomplished“ müsste konsequenterweise über dem Bericht stehen – hätte er nicht noch einen zweiten Teil mit den Sondervoten der Opposition. Deren besonderer Wert besteht vor allem darin, die dringend notwendigen Konsequenzen des Desasters konkret zu benennen, zum Beispiel eine effektivere Kontrolle durch eine bessere fachliche Expertise im Aufsichtsrat, wie das schon der Brandenburger Rechnungshof in seinem parteipolitisch schonungslosen Bericht gefordert hatte.

Dass sich daran etwas ändert, ist allerdings nicht zu erwarten: Der Gesellschafter Berlin hat seit dem Abgang seines letzten unabhängigen, nicht politischen Aufsichtsrats im Februar die vakante Stelle einfach erst mal gar nicht besetzt.

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