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BER-Flughafendesaster: Was der Großbaustelle noch droht

Im Luftschloss: Der als Vorzeigeprojekt geplante Flughafen ist längst zum Skandalfall geworden. Kann der BER noch scheitern?

Es ist das vielleicht wichtigste und prestigeträchtigste Infrastrukturprojekt in Deutschland. Es soll das Tor zur Welt der deutschen Hauptstadt werden. Milliarden Euro hat es bereits verschlungen. Renommierte deutsche Firmen wie Siemens und Bosch sind involviert. Zwei Ministerpräsidenten und die Bundesregierung tragen Verantwortung. Und das Ergebnis? Stillstand, Desaster, Peinlichkeit. Viermal wurde die Eröffnung bereits verschoben, immer noch macht die Brandschutzanlage Probleme, und ein Ende ist nicht absehbar. Droht der Hauptstadtflughafen BER zu scheitern?

Zurzeit wird viel gesprochen. Denn die Gesellschafter – Berlin, Brandenburg (jeweils 37 Prozent) und der Bund (26 Prozent) – wollen bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch ein großes, vor allem personelles Gesamtpaket schnüren, um das Signal zu setzen: Ab jetzt wird alles anders und vor allem besser. Es geht um einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) angekündigt hat, das Amt an den brandenburgischen Ministerpräsidenten und bisherigen Aufsichtsratsvize Matthias Platzeck (SPD) zu übergeben.

Der Bund sträubt sich offiziell noch. Erstens, weil es in den Regierungsfraktionen Widerstände gegen diese Rochade gibt, und zweitens, weil der Bund dieses Druckmittel erst aus der Hand geben will, wenn es Bewegung in den anderen Punkten gibt. Denn auch BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz soll auf Drängen des Bundes gekündigt werden. Es muss also ein Nachfolger gefunden werden. Außerdem will auch der Bund einen zusätzlichen Geschäftsführer für Finanzen. Auch der muss erst noch gefunden werden. Und weitere echte Experten sollen in das Kontrollgremium kommen.

Einig ist man sich im Bund wohl, dass die eigenen zwei Vertreter im Aufsichtsrat bleiben sollen. Man gibt sich optimistisch, bis zum 16. Januar das Paket komplett zu haben. Nur: Was ist das Ganze überhaupt noch wert?

Milliardengrab

Das Geld ist das vielleicht größte Risiko für den BER. Die öffentliche Hand, nämlich die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund als Anteilseigner, haben bereits 4,3 Milliarden Euro in den künftigen Hauptstadtflughafen gesteckt. Vor drei Jahren sollte der noch 2,5 Milliarden Euro kosten. Nun wird es knapp. Denn die öffentliche Hand darf nicht unbegrenzt Gelder zuschießen.

Jede Beihilfe muss von der EU in Brüssel genehmigt werden. Die hat die jüngsten Zuschüsse von 1,17 Milliarden Euro notifiziert, im Rahmen dieses Investor- Tests aber auch die Grenze errechnet, ab wann Beihilfen illegal wären. Der Puffer, der für die Mehrkosten der neuen Verschiebung noch da ist, ist nicht mehr groß. Nach Tagesspiegel-Informationen sind es noch 800 Millionen Euro. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, welche Kosten bei einem Umbau der Brandschutzanlage entstehen, dass ab Oktober wegen Fristablaufs Händler und Gewerbetreibende des Terminals anders als bisher Schadenersatzansprüche haben – und dass auch beim Lärmschutz ein Risiko bleibt. Folgt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hier nicht dem von Brandenburgs Behörden verfügten leicht abgeschwächten Standard gegenüber dem letzten OVG-Urteil, werden weitere knapp 200 Millionen Euro fällig. Die Höhe der neuen Mehrkosten ist bislang unkalkulierbar, die Schätzungen reichen von 500 Millionen Euro bis über eine Milliarde. Und im Bund wächst der Widerstand, neues Geld freizugeben.

Weder das Bundesverkehrs- noch das Bundesfinanzministerium wollen eine pauschale Zusage für weiteres Geld abgeben. Der Bund verweist darauf, dass es keine festgeschriebene Regelung gibt, die besagt, wie Mehrkosten beglichen werden müssten und von wem. „Das wird dann in Gesprächen geklärt“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums lediglich. Die letzten Zusatzkosten in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro habe man gemäß den Anteilen der Gesellschafter verteilt. Ob das auch diesmal wieder der Fall sein wird, lässt der Bund vorerst offen. Auch die Bundesmittel aus dem 1,2-Milliarden-Paket hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages erst zur Hälfte freigegeben. In den Koalitionsfraktionen macht vor allem die FDP mobil gegen neue Bundesmittel für den BER. Sollte der Bund tatsächlich bei dieser starren Haltung bleiben, wovon wenige ausgehen, würde das letztlich heißen, dass der Bund als Gesellschafter aussteigen müsste. Ein verheerendes Signal.

Aber selbst wenn sich die öffentliche Hand entscheiden sollte, kein Geld mehr in den BER zu stecken, bliebe immer noch die Privatisierung. Ein Verkauf der Bauruine für fünf Milliarden Euro, die man wohl bis dahin mindestens investiert haben wird, erscheint wenig wahrscheinlich. Möglich aber, dass der Flughafen „günstig“ als Insolvenzmasse für einen privaten Investor zu haben sein wird. Und das könnte dann wiederum interessant sein und dazu führen, dass am Ende doch noch Flugzeuge vom BER starten.

Baumängel und rechtliche Risiken

Baumängel

Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass mitten in Europa, zumal in Deutschland, ein neu errichteter Flughafen nicht in Betrieb geht, einfach weil auf der Baustelle gepfuscht wurde. Dennoch steht angesichts immer neuer Mängel die Frage im Raum: Ist der BER bereits eine Bauruine? Ausgeschlossen ist nichts mehr. Selbst Technikchef Horst Amann, als Retter in die Flughafengesellschaft geholt, ist seit Monaten nicht mit Bauarbeiten beschäftigt, sondern nur noch auf Fehlersuche – und er fand immer mehr. Vor einer Woche zog er die Reißleine und erklärte den Eröffnungstermin am 27. Oktober 2013 für nicht haltbar.

Zu Wochenbeginn sagte Amann auch, warum: Die Brandschutzanlage funktioniere noch immer nicht. Als er seinen Job aufgenommen habe, sei er davon ausgegangen, dass man mit den vorhandenen Gebäuden und Installationen weiterkomme. Dass die Substanz ausreiche, um nachzuweisen, dass das Gebäude (in seiner nicht der Baugenehmigung entsprechenden Form) am Ende doch sicher sei und genehmigt werden könne.

Deshalb sei er von einer Eröffnung im Herbst 2013ausgegangen. Es kam anders. Die hochkomplexe Brandschutzanlage ist aus Sicht der zuständigen Bauaufsichtsbehörde im Landkreis Dahme-Spree nicht genehmigungsfähig. Entweder müsse ein neuer Bauantrag her oder die Anlage müsse entfernt und eine neue eingebaut werden, heißt es dort.

Amann sagte es so: „Wir prüfen jetzt, ob es sinnvoll ist, auf der Schiene des Testens und des Nachweises weiterzufahren, oder ob es nicht doch der kürzere und bessere Weg ist, das eine oder andere baulich zu verändern.“

Es geht um die Frage, ob ein Umbau nicht der schnellere Weg ist. Die Prüfung dauert etwa ein halbes Jahr, dann muss neu geplant, alles mit der Baubehörde abgestimmt und womöglich neu gebaut werden. Und es droht weiteres Ungemach. Amann sagt, er sei „teilweise auf grauenhafte Probleme“ gestoßen. Bis heute gebe es Überraschungen auf der Baustelle.

60 Kilometer lange Kühlleitungen sind unter Decken und in Mauern verlegt worden, allerdings ohne die nötige Dämmung. Ob Wände aufgerissen werden müssen, ist noch unklar. Das gilt auch für Stahlträger, bei denen die Brandschutzbeschichtung fehlerhaft ist. Überdies müssen Kabelschächte erneuert werden, da sie überbelegt wurden. Hinzu kommen zu kurze Rolltreppen vom Terminal zum Bahnhof, fehlende Genehmigungen für die Tankanlage unter dem Rollfeld, eine zu klein bemessene Kühlanlage für die Computeranlage, Probleme im Steuerungsnetzwerk und undichte Belüftungsschächte, durch die Wasser in den Bahnhof läuft.

Ist das alles zu schaffen? Experten rechnen nicht damit, dass der BER zur Bauruine wird. Das könne sich niemand leisten. Auch Amann ist zuversichtlich. Es werde ein toller Flughafen, den wolle er auch in Betrieb nehmen. Wenn nicht noch mehr Überraschungen warten.

Die rechtlichen Risiken

Rechtliche Risiken

Der Hauptstadtflughafen „Berlin-Brandenburg International“, wie er früher hieß, war und ist Gegenstand vieler juristischer Auseinandersetzungen. Bei einem Infrastrukturprojekt dieser Dimension ist das fast nicht zu vermeiden. Ganz aktuell wird um den BER auf verschiedenen Ebenen gestritten, wobei davon nicht abhängt, ob der Flughafen ans Netz gehen darf – sondern nur wie, mit welchen Konditionen. Allerdings bleiben auch hier, wie immer bei Verfahren, Risiken und Unwägbarkeiten.

Ein Überblick: Am 23. Januar verhandelt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg über eine Klage der Gemeinden Stahnsdorf, Kleinmachnow, Teltow und der Deutschen Umwelthilfe gegen die veränderten Flugrouten, genauer gegen die Wannsee-Route. Eine ähnliche Klage gibt es gegen die Müggelsee-Route. Die Kläger sehen sich durch das von der EU-Kommission in Brüssel jetzt angedrohte Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu den Flugrouten über EU-Vogelschutzgebiete bestärkt. Sie argumentieren, die gesamte Flugroutenregelung sei rechtswidrig.

Allerdings gehen der Bund, Berlin und Brandenburg nicht davon aus, dass die rechtlichen Grundlagen des Flughafens durch die Intervention oder die Prozesse vor dem OVG einen BER-Start gefährden. Denn die entscheidenden Verfahren dafür hat der Flughafen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewonnen. Die Leipziger Richter haben den Planfeststellungsbeschluss, der auch die Nachtflugregelung mit einer Kernruhezeit von 24 bis 5 Uhr und einem Kontingent von Ausnahmeflügen zwischen 23 Uhr und Mitternacht sowie zwischen 5 und 6 Uhr regelt, bereits in letzter Instanz bestätigt. In Leipzig war auch die spätere Klage von Anrainerkommunen gegen nachträglich veränderte, nämlich abgeknickte und vom Planfeststellungsbeschluss abweichende Flugrouten gescheitert. Trotzdem gibt es auch hier noch eine Unwägbarkeit: Betroffene Bürgerinitiativen haben das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen.

Auch beim Schallschutz ist das letzte Wort der Gerichte noch nicht gesprochen. Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das Billigschallschutzprogramm des Flughafens für rund 20 000 betroffene Anwohner gestoppt, das nach dem Urteil vom Mai 2012 von Beginn an systematisch gegen den Planfeststellungsbeschluss verstieß. Im BER-Etat vorgesehen waren über Jahre lediglich 140 Millionen Euro. Nach dem OVG-Urteil müsste er um 595 Millionen Euro aufgestockt werden. Brandenburgs Infrastrukturministerium als zuständige Planfeststellungsbehörde hat aber einen abgemilderten Standard verfügt, der knapp 300 Millionen Euro kosten würde. Dagegen wird geklagt. Mit einer Entscheidung des OVG wird im Frühjahr 2012 gerechnet. Und auch bei einem möglichen EU-Vertragsverletzungsverfahren zu den Flugrouten hätten erfahrungsgemäß Richter das letzte Wort – in diesem Fall der Europäische Gerichtshof.

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