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Ralf Müller im Hauptquartier der Lärmgegener.

© DAVIDS

BER-Flugrouten über den Müggelsee bestätigt: "Das lassen wir uns nicht gefallen!"

Das Oberverwaltungsgericht hat den Verlauf der geplanten Flugrouten über den Müggelsee bestätigt. Nach der Niederlage sitzen die Flugrouten-Gegner zusammen – enttäuscht, aber kämpferisch.

Der Morgen nach der Flugrouten-Entscheidung könnte kaum idyllischer sein. Enten putzen sich an der Uferpromenade des Müggelsees, während die ersten Segelboote über das Wasser gleiten. In der Strandbar am Anleger sitzen zu früher Stunde bereits die ersten Gäste. Der eine Mann beobachtet durch ein Fernglas das Treiben auf dem Wasser. Der andere ist Ralf Müller, 49, Sprecher der Friedrichshagener Bürgerinitiative gegen den neuen Flughafen BER. Über so etwas Banales wie das Wetter kann er sich heute wenig freuen. Er ist vor allem eins: konzentriert. „Ich wälze bereits die Unterlagen für die nächste Montagsdemo“, sagt Müller.

Es ist der Morgen nach dem Urteil des Oberverwaltungsgericht, das am Freitag den Verlauf der geplanten Flugrouten über den Müggelsee bestätigt hat. Die Naturfreunde Deutschland, die Deutsche Umwelthilfe und Anwohner des Müggelsees, darunter einige Friedrichshagener, hatten die ausreichende Planung und Umweltverträglichkeit der Routen des neuen Flughafens infrage gestellt – ohne Erfolg.

Müller erfuhr von dem Urteil zu Hause. Seine Frau sollte ihm aus dem Gerichtssaal schnell eine SMS schicken. Nur mit Ziffern: eins für gut, sechs für schlecht. „Sie hat mir eine sechs mit drei Fragezeichen und drei Ausrufezeichen geschickt.“ Dann ging er runter zum Anleger. Schon am Nachmittag hatten sich die Mitglieder der Friedrichshagener Bürgerinitiative in der Strandbar versammelt, um gemeinsam der Urteilsverkündung entgegenzufiebern. „Die Stimmung hier war geteilt. Die eine Hälfte war geschockt, die andere wütend.“ Man werde diesem Urteil noch hinterhertrauern, mahnte einer der Friedrichshagener. Bis spät in die Nacht saß man hier zusammen und schaute hinaus auf den Müggelsee.

Und jetzt? Weiterkämpfen, sagt Müller. Das volle Programm: Montagsdemonstrationen auf dem Marktplatz, Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht, notfalls wird das Verfahren bis vor den Europäischen Gerichtshof getragen. Der Rückhalt in der Bevölkerung sei groß. „Es gibt viele mit der Faust in der Tasche, die noch nicht auf die Straße gehen“, sagt Müller überzeugt. „Ich höre überall Kommentare wie: Das lassen wir uns nicht gefallen! Ein bisschen ist aus Friedrichshagen ein gallisches Dorf geworden.“

Der Praxistest auf dem Marktplatz. Neben dem Bronze-Standbild des Ortsgründers Friedrich der Große trifft man sich am Samstagmorgen, plaudert, kauft Erdbeeren und frisch gestochenen Spargel. „Es gibt einfach Leute, die gegen alles protestieren müssen“, beschwert sich eine ältere Dame sofort über die Initiative. „Die ändern ja doch nichts“, winkt eine andere ab. Nicht alle sehen das so.

In der Tat, die Mehrheit der Friedrichshagener, die an den Gemüseständen vorbeischlendern, war bereits bei einer der mehr als hundert Montagsdemonstrationen und ist entsetzt über das Urteil. So wie Werner Jäger, 78, der seit fast 50 Jahren in Friedrichshagen lebt. „Unverständlich“ findet er die Entscheidung der Richter. „Die Mehrheit hier hatte mit einem anderen Urteil gerechnet. Vor allem für die Jüngeren, die werden Jahrzehnte mit dem Lärm leben müssen.“ Eine von ihnen ist Wiebke Rissling, die mit ihren zwei Kindern auf dem Markt einkauft. Was mit dem Flughafen geschehe, „das ist Betrug“, findet Rissling. „So ähnlich wie in China, wo sie auch einfach Hochhäuser hinstellen.“

Für andere Einwohner bedroht das Urteil im schlimmsten Fall die ganze Existenz. Erst im Mai hat Matthias Müller-Klauke das Vereinslokal des Berliner Ruderclubs Ägir gekauft. Von den Stegen fahren die Boote auf den See, auf der Terrasse des Lokals wird sich nach der Paddeltour mit deftiger Küche gestärkt. Vor ein paar Jahren habe er mal in einem Büro am Flughafen Tegel gearbeitet, erzählt Müller-Klauke. Vielleicht holt ihn der Fluglärm nun bald ein. „Es wäre sehr bitter, wenn es so extrem wird wie damals“, sagt er. „Dann wird man sich nicht mehr unterhalten können und keiner wird sich freiwillig auf die Terrasse setzen.“ Bis zu 75 Dezibel sollen die Jets, die über den Müggelsee starten werden, erzeugen.

Zum Glück ist Ralf Müller nicht lärmempfindlich. „Ich bin auf einem Eisenbahntunnel groß geworden. Wenn ein Zug rausfuhr, hat’s gewackelt wie bei einem Erdbeben.“ Sein Sinn für Recht wird durch das Urteil mehr gestört als der Sinn fürs Hören. Also wird er weitermachen. Der Protest gegen den Flughafen sei „wie ein Boxkampf über 15 Runden“, sagt Müller kämpferisch. „Und wir werden über die vollen 15 Runden gehen.“

Kalle Harberg

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