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Auf der falschen Seite der Geschichte gekämpft und gefallen - wie man den Wehrmachtssoldaten in Berlin gedenkt.

© dpa

Berlin erinnert sich: Gedenken an gefallene Wehrmachtssoldaten

50.000 Wehrmachtssoldaten starben beim Kampf um Berlin kurz vor Kriegsende. Ein Mal im Jahr wird in einer Neuköllner Ehrenhalle der Soldaten gedacht, die auf der falschen Seite der Geschichte kämpften und fielen.

Die siegreiche Rote Armee hat sich überdeutlich im Stadtbild verewigt. Drei Mahnmäler, viel Granit und Bronze, Heldenposen, Panzer. Und was ist mit den Besiegten? Sind die deutschen Soldaten, die verführt oder gezwungen wurden oder aus Überzeugung auf der falschen Seite kämpften und starben, keines Gedenkens und Erinnerns würdig?

Das Zentrum der Hauptstadt gehört gedenkgeografisch den Opfern der NS-Diktatur, zu denen im erweiterten Sinne auch die gefallenen Sowjetsoldaten gehören. 200.000 von ihnen sind im Kampf um Berlin zwischen dem 16. April und 2. Mai 1945 – an diesem Tag kapitulierte der Stadtkommandant – gefallen. Auf der Seite der Kriegsverursacher kamen in der Region Berlin 50.000 Wehrmachtsangehörige ums Leben.

Anonymes Gedenken, Leichen in Vorgärten

Auch ihrer wird am zentralen Gedenkort für die „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ in der Neuen Wache, Unter den Linden 4, in Mitte gedacht. Doch diese Gedenkformel hat keine zeitliche, nationale oder räumliche Begrenzung. „Diffus“ nannte der Präsident des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Markus Meckel diesen Erinnerungsort vor einigen Jahren. Aller zu gedenken, ist der einfachste Weg, niemanden zu vergessen. Aber für wirkliches Trauern und Gedenken erscheint das vielen zu anonym.

„Die gefallenen deutschen Soldaten sind auf 195 Friedhöfe verteilt“, sagt Ingolf Wernicke vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Landesverband Berlin. Schon dieser Fakt macht deutlich, dass zum Ende des Zweiten Weltkrieges kein Interesse an einem zentralen Mahnmal für ihren sinnlosen Tod bestand. Viele Soldaten wurden in den Wirren vor und nach dem 8. Mai 1945 in Vorgärten, Bombentrichtern oder schnell ausgehobenen Massengräbern verscharrt und später auf Friedhöfe umgebettet.

"Ich hatt' einen Kameraden"

Und doch gibt es einen zentralen Gedenkort für die Wehrmachtstoten, der jedes Jahr am Vorabend des Volkstrauertages zum Leben erwacht und den Rest des Jahres stillliegt: Auf dem Friedhof Lilienthalstraße in Neukölln wird in der „Ehrenhalle“ der deutschen Kriegsopfer gedacht, der zivilen wie der militärischen. An der Stätte, die in den Jahren 1938 bis 1941 als Begräbnisplatz für Soldaten errichtet wurde, nehmen dann Vertreter von Abgeordnetenhaus, Senat, Bundeswehr, Polizei und verschiedene Botschafter an der „Internationalen Gedenkveranstaltung“ teil. Gesungen wird die deutsche Nationalhymne und das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“.

Das Wachbataillon des Bundesverteidigungsministeriums stellt Fackelträger. Von den Medien, in der Öffentlichkeit wird diese Feierstunde kaum wahrgenommen. Auch die Ehrenhalle, ein tempelartiger Bau aus hellem Stein, ist weithin unbekannt, obwohl sie genau für diesen Zweck, der Ehrung der Kriegstoten, gebaut wurde. Von den Nazis. 1940 eingeweiht, obwohl erst in Teilen fertiggestellt, wurden hier die ersten Kriegstoten bestattet. Im weiteren Kriegsverlauf, mit einer wachsenden Zahl von Gefallenen, erlosch das Interesse der Naziführung an ihrem Heldenfriedhof. 4935 Kriegsopfer in Einzelgräbern liegen hier an der Lilienthalstraße 7, hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Toten in Massengräbern. Wer Soldat war, Bombenopfer oder durch andere Kriegsereignisse umgekommen war, lässt sich heute oft nicht mehr nachvollziehen. Die Grabsteine verzeichnen nur das Geburts- und Todesdatum. Die Rotarmisten, erzählt Ingolf Wernicke, hätten gefallenen deutschen Soldaten oftmals die Erkennungsmarken abgenommen, bevor sie verscharrt wurden.

Soldatenfriedhof Spandau

Der Friedhof Lilienthalstraße wurde nach dem Krieg auch für private Bestattungen genutzt, ist inzwischen aber geschlossen. Seit 2012 gibt es Kunst- und Jugendprojekte in den Gebäuden, Bands können hier proben, Künstlerateliers sollen eingerichtet werden, auch ein Restaurant ist geplant. „Lilienkulturgarten“-Leiterin Lucyna Jachymiak Królikowska will die Geschichte des Ortes sichtbar machen, mit Schildern und geführten Touren, die auch junge Leute anziehen. Zugleich sollen die Trauernden, die vereinzelt noch auf den Friedhof kommen, nicht verschreckt werden. „Hier liegen ganze Häuser begraben“, sagt Królikowska, in Anspielung auf die Bombenopfer. Viele Gräber tragen das Datum 3. Februar 1945, damals flogen die Amerikaner ihren schwersten Luftangriff auf Berlin.

Der größte Friedhof für Kriegsopfer ist der Spandauer „Soldatenfriedhof“ In den Kisseln. Von den 6000 Toten, so schätzt Wernicke, sind rund ein Drittel Wehrmachtsangehörige. Auch Zwangsarbeiter aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten, Bombenopfer und Flüchtlinge aus dem Osten liegen hier begraben, jede Opfergruppe in ihrer eigenen „Abteilung“. Auf dem zentralen Gedenkplatz steht ein sieben Meter hohes Kreuz aus Sandstein.

Die Gedenkstätten

Sowjetische Ehrenmale

Die größten Kriegsgräberstätten in Berlin sind den russischen Soldaten gewidmet, die im Kampf um Berlin gefallen waren. In den drei Gräberstätten in Pankow-Schönholz, Tiergarten und Treptower Park liegen mehr als 22 000 Soldaten der Roten Armee begraben. Auf dem Ehrenfriedhof am Parkfriedhof Marzahn sind es 150 sowjetische Militärangehörige. In Alt-Hohenschönhausen gibt es einen Friedhof mit 1647 Toten.

Berlin War Cemetery

Auf dem Soldatenfriedhof der britischen Streitkräfte an der Heerstraße wurden 3500 Soldaten aus den Commonwealth-Staaten beerdigt. Viele von ihnen waren im Luftkrieg über Berlin gefallen. Ein unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg angelegter britischer Soldatenfriedhof zwischen Trakehner und Heilsberger Allee wurde 1959 aufgelöst, die Toten auf den Friedhof an der Heerstraße umgebettet. In Stahnsdorf gibt es einen weiteren britischen Soldatenfriedhof mit 1167 Gräbern. US-Amerikaner und Franzosen haben keine Soldatenfriedhöfe in Berlin hinterlassen.

Denkmal des polnischen Soldaten

Im Volkspark Friedrichshain wurde 1972 ein Gedenkstein errichtet, der an die Soldaten der polnischen Untergrundarmee erinnern sollte und zugleich die „Waffenbrüderschaft“ zwischen der polnischen Volksarmee, der Roten Armee und deutschen Widerstandskämpfern rühmte. 1995 wurde der Stein auch den nicht-kommunistischen Soldaten der polnischen Heimatarmee gewidmet.

Wald der Erinnerung

In Geltow bei Potsdam, am Sitz des Einsatzführungskommandos, erinnert die Bundeswehr an die gefallenen Soldaten ihrer Auslandseinsätze. 104 sind es, 55 davon starben in Afghanistan.

Gedenkstätte für italienische Soldaten

1943 kündigte Mussolini die Waffenbrüderschaft mit Hitler, daraufhin wurden 600 000 italienische Soldaten nach Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit rekrutiert. Um daran zu erinnern, soll im ehemaligen Zwangsarbeiterlager Niederschöneweide eine Gedenkstätte errichtet werden.

Waldfriedhof Halbe

Einer der größten deutschen Kriegsgräberfriedhöfe liegt im brandenburgischen Halbe. Hier tobte die letzte große Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs. Mehr als 40 000 deutsche Soldaten und Zivilisten starben, rund 22 000 liegen in Halbe begraben; nur 8000 konnten identifiziert werden. In Halbe wird jedes Jahr am 29. April der Toten gedacht.

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