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Bislang hat die Polizei den Drogenhandel im Görlitzer Park nicht unterbinden können.

© dpa

Berlin-Kreuzberg: Am Görlitzer Park eskaliert die Gewalt

Erst werden zwei junge Drogenhändler niedergestochen, dann folgt die Rache für die Bluttat: Rund um den Görlitzer Park wird die Lage immer bedrohlicher. Viele Anwohner fühlen sich von der grünen Bezirkspolitik im Stich gelassen.

Der Drogenhandel am Görlitzer Park eskaliert. In der Nacht zu Sonnabend wurden zwei junge Männer niedergestochen, die bei der Polizei einschlägig bekannt sind. Dabei erlitten die aus Guinea stammenden Jugendlichen lebensbedrohliche Verletzungen. Als Tatverdächtige wurden der Wirt einer Bar an der Skalitzer Straße und dessen Angestellter festgenommen. Die Auseinandersetzung ereignete sich um 1.50 Uhr unter der Hochbahn auf der Skalitzer Straße. Die Schwerverletzten schleppten sich noch auf den Gehweg und brachen dort zusammen.

Gegen 9 Uhr drang dann eine Gruppe von fünf bis zehn Männern in die Bar der beiden Tatverdächtigen ein und „zerlegte“ diese, wie es im Präsidium hieß. So wurden alle Scheiben von außen mit Steinen eingeworfen, das Mobiliar des Vorgartens auf die Fahrbahn geworfen. In der Kellerbar wurden zudem Möbel zerstört und Kühlschränke aufgerissen. Zwei Männer aus der Gruppe konnte die Polizei später festnehmen; die Verdächtigen stammten „ebenfalls aus Afrika“, hieß es im Polizeibericht. Gegen 13.45 Uhr versuchten mehrere Täter, das Lokal anzuzünden. Anschließend sollen acht weitere Personen festgenommen worden sein. Die Polizei geht in beiden Fällen von Racheakten aus.

Görlitzer Park: Wollte der Wirt die Dealer vertreiben?

Dem Vernehmen nach sollen die beiden 16 und 17 Jahre alten Schwerverletzten als Drogenhändler der Polizei bekannt sein. Beide wurden in Krankenhäusern notoperiert. Einer der Jugendlichen soll mittlerweile außer Lebensgefahr sein. Was genau vorgefallen ist, bleibt unklar. Möglicherweise wollten der Wirt und sein Angestellter die Dealer vertreiben. Die Ermittlungen hat die 1. Mordkommission des Landeskriminalamtes übernommen. Ob die beiden türkischstämmigen Festgenommenen dem Haftrichter vorgeführt werden, soll sich am Sonntag entscheiden.

Im März hatte es Aufregung um eine Kneipe in der Falckensteinstraße gegeben, dessen Wirt sich mit Dealern angelegt hatte. Die linke Szene hatte ihm deshalb Rassismus vorgeworfen. Der Wirt hatte argumentiert, dass seine Gäste sich nicht mehr nachts nach Hause trauten wegen der aggressiven Dealer.

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner kritisiert seit Monaten, dass sich der Drogenhandel aus dem Görlitzer Park in die Hauseingänge der Skalitzer Straße und in den U-Bahnhof ausbreitet. Wansner berichtete am Sonnabend, dass er vor einer Woche in der Skalitzer Straße Flugblätter verteilt habe und dabei mehrfach von Anwohnern gehört habe, dass sie die Sache „selbst in die Hand“ nehmen wollten, weil sie sich von der grün dominierten Bezirkspolitik im Stich gelassen fühlen.

Kurt Wansner: "Der Drogenhandel ist wie eine Krake"

Wenige Stunden vor den fast tödlichen Messerstichen in der Skalitzer Straße hatte der Christdemokrat den ausufernden Drogenhandel auf der Sitzung des CDU-Landesvorstands angesprochen. „Der Drogenhandel ist wie eine Krake“, sagte Wansner. Anfangs hätten die Dealer vor allem auf dem Stück entlang dem Hochbahnhof gestanden, wo sich auch die demolierte Bar befindet. Mittlerweile stünden die Drogenhändler bis hin zur Oberbaumbrücke, sagte der Politiker am Sonnabend. In Friedrichshain sei es ähnlich. Dort habe sich der Handel von der Revaler Straße längst in die Warschauer Straße ausgebreitet.

Entlang der Skalitzer Straße werden zudem mittlerweile nicht nur Hasch, sondern auch harte Drogen verkauft. Im Sommer war die Empörung der Anwohner hochgekocht, nachdem ein Kitakind im Görlitzer Park ein Kügelchen Kokain gefunden und mitgenommen hatte.

Mehrfach war der Drogenhandel auch Thema in der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung. Und Anfang des Jahres gründete sich eine Initiative von Migranten aus der Nachbarschaft. Deren Sprecher, der Geschäftsmann Bülent Burma, forderte, wie berichtet, ein konsequentes Vorgehen gegen die Dealer, unter anderem durch eine Videoüberwachung im Görlitzer Park. Dafür wurde er auf einer linksextremistischen Internet-Seite attackiert.

Polizeipräsident Kandt: "Die Situation ist nicht geklärt"

Am vergangenen Montag hatte Polizeipräsident Klaus Kandt im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses eingestanden, dass es der Polizei nicht gelungen sei, den Drogenhandel zu unterbinden. „Die Situation ist nicht geklärt“, hatte Kandt gesagt und von einer „massiven Belästigung der Anwohner“ gesprochen. Bei den zahlreichen Polizeieinsätzen und Razzien seien zwar viele Taten aufgeklärt worden, fast keiner der Täter sei jedoch in U-Haft gekommen. Denn für einen Haftbefehl reichen die Vorwürfe bei Kleindealern nur selten.

Genau das kritisiert Wansner: Die Dealer würden festgenommen, wieder freigelassen und wenig später wieder an alter Stelle stehen. „Staatsanwaltschaft und Justiz machen es sich zu einfach“, sagte der CDU-Politiker, und es müsse überlegt werden, wie die Händler dauerhaft gestoppt werden können. Die beiden Tatverdächtigen wurden am Sonntagabend dem Haftrichter vorgeführt, von diesem aber freigelassen.

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