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Da geht’s runter. Früher befand sich an der Kreuzung Mehringdamm/Yorckstraße ein öffentliches WC. In den Räumen geht es nun um andere Bedürfnisse. 

© Kai-Uwe Heinrich

Berlin-Kreuzberg: Toilettenanlage am U-Bahnhof wird Galerie

Zwei Jungunternehmer gehen in den Untergrund und bauen eine alte Toilettenanlage in Kreuzberg um– zur Street-Art-Galerie samt Bar.

Es geht abwärts mit der Kreuzberger Szene. In einer unterirdischen Toilettenanlage, schon lange stillgelegt, öffnet demnächst eine Galerie für Street Art samt Bar. Noch sieht es auf dem Mittelstreifen an der Kreuzung zwischen Yorckstraße und Mehringdamm nicht wirklich nach Kunst aus: Zwei Häuschen mit abgeschrägten Dächern stehen über den Treppenabgängen zum früheren WC. Ihre Wände aus Spanholzplatten sind mit Werbung beklebt, auf dem Boden liegen zerbrochene Bierflaschen. Wo vor etwa 20 Jahren noch die WC-Spülung rauschte, wollen Jungunternehmer Flint Neiber und sein Geschäftspartner Sören van Laak also Kunst und Drinks servieren.

Ein Kind des Berliner Nachtlebens

Neiber, gelernter Veranstaltungstechniker, ist sozusagen ein Kind des Berliner Nachtlebens: Seinem Vater Sascha Disselkamp gehört der Sage-Club in Mitte. Gemeinsam mit van Laak gründete Neiber im vorigen  Jahr die Firma „Mittelinsel UG“, die sich nun um den Umbau der Räume kümmert. Diese sind 100 Quadratmeter groß, 85 Quadratmeter sind für Veranstaltungen nutzbar. Für etwa 75 Gäste wäre Platz, neben Galerie und Bar ist auch ein kleiner Bereich zum Tanzen geplant. „Es ist eng, aber ein kleiner Bewegungsraum soll schon entstehen“, sagt Neiber.

Auf den außergewöhnlichen Ort aufmerksam geworden sind die beiden 23-Jährigen durch eine illegale Party, die vor fünf Jahren in der Untergrund-Anlage stattfand. Sie waren so begeistert, dass sie rasch ein Konzept entwarfen und dem Eigentümer, dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, vorlegten. Allerdings hat es dann noch drei Jahre gedauert, bis van Laak und Neiber den Mietvertrag unterzeichnen konnten. Im vergangenen März stimmte das Bezirksamt zu, seit April wird umgebaut. Die Räumlichkeiten können van Laak und Neiber nun zehn Jahre lang nutzen. 1300 Euro Miete im Jahr seien zwar nicht die Welt, „aber wir müssen im Vorfeld schon eine Menge investieren“, sagt Neiber.

Das neue WC ist das größte Problem

Auf die Betreiber kommt nun eine Menge Arbeit zu: „Von der Lüftung bis zum Licht müssen wir eigentlich noch alles machen“, sagt Neiber. Gerade seien sie dabei, die Räumlichkeiten trockenzulegen und die Toilettenkabinen herauszureißen. Das neue WC ist dabei ironischerweise eines der größten Probleme: „Wir müssen noch eine Zu- und Abwasserleitung legen lassen“, sagt Neiber. Die alten Leitungen seien schon vor zwanzig Jahren gesperrt worden, die Begutachtung seitens der Wasserwerke dauere bis zu sechs Monaten. „Darauf waren wir vorbereitet“, sagt Neiber. Sein Vater, der mit Rat und Tat helfe, habe ihn schon davor gewarnt, dass ein solches Vorhaben eine Menge Arbeit bedeute und Geduld brauche.

Den ursprünglichen Zeitplan, der sechs Monate für die Bauarbeiten vorsah, schaffen die Jungunternehmer wohl nicht: „Wir versuchen, bis Dezember einen Termin zu finden, wann genau Eröffnung ist“, sagt Neiber, der wie sein Geschäftspartner auf eine positive Art gestresst ist. „Wir hatten schon so lange vor, etwas Eigenes aufzumachen und freuen uns jetzt sehr darauf.“

Konservieren und neu kreieren

Neben all den Veränderungen wollen die künftigen Galeristen auch einiges in den unterirdischen Räumen bewahren. Im Laufe der Zeit haben sich dort Graffiti und Plakate angesammelt. Mit einem Kunstharz soll das Ganze überstrichen werden. „Und falls jemand darübermalen sollte, können wir die ursprünglichen Werke immer wieder noch mal hervorholen“. So steht es auch auf dem Info-Zettel an der Außenwand der momentanen Baustelle: „Die alte Kunst soll konserviert werden, und es wird Platz für neue geschaffen.“

Was aus Berliner Toiletten noch so geworden ist

„Café Achteck“ lautet der Spitzname für öffentliche Toilettenhäuschen. Die achteckigen, meist grünen Metallpavillons wurden 1879 erstmals aufgestellt. Heute gibt es in den Häuschen vereinzelt tatsächlich Kaffee zu kaufen – die ehemaligen Bedürfnisanstalten wurden zum Restaurant oder Imbiss umfunktioniert.

Das Le Couscous am Amtsgerichtplatz in Charlottenburg eröffnete 2006, nachdem das Toilettenhäuschen lange leer gestanden hatte. Darin befindet sich seit einigen Jahren ein Café namens "Creplala".

Ähnlich der „Nil“-Imbiss am Kottbusser Damm beim Kino Moviemento – 2011 gab es hier sudanesische Spezialitäten. Mittlerweile sind nur noch die „Nil“-Filialen in der Grünberger Straße und am Schlesischen Tor geöffnet.

Genau dort gibt es seit 2006 eine weitere Ehemals-Bedürfnisanstalt: die mittlerweile international bekannte Burgerbude Burgermeister. Bis in die frühen Morgenstunden brutzeln hier unter der Hochbahn der U1 täglich drei Mann in dem ehemaligen Café Achteck Burger und Fritten (Oberbaumstraße 8, Kreuzberg).

Wem französische Fritten oder eine Marseiller Fischsuppe in intimer Atmosphäre einer ehemaligen Toilettenanlage lieber sind, sollte das Domaines besuchen. Das Restaurant beim Strandbad Friedrichshagen bietet seit einigen Jahren französische Spezialitäten und einen Blick über den Müggelsee (Josef-Nawrocki-Straße 22, Friedrichshagen).

Und wer es offensichtlicher mag: Die Kneipe KLO ist zwar nicht in einer ehemaligen Toilette gelegen, dafür gibt’s hier Bier aus der Ente oder dem Nachttopf (Leibnizstraße 57, Charlottenburg).

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