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Berlin: Berlin leuchtet für den Frieden

Von Ost nach West durch die Stadt: Um acht Uhr abends schloss sich die Lichterkette – 100 000 Menschen setzten ein weithin sichtbares Zeichen

„Die Kette ist geschlossen“, meldete der Polizeihubschrauber um kurz nach acht am Samstagabend. Mit Kerzen und Teelichtern, Petroleum und Taschenlampen, Fackeln, Lampions und Wunderkerzen waren die Menschen gekommen, um mit einer beeindruckenden 35 Kilometer langen Lichterkette quer durch Berlin ein Zeichen gegen den drohenden Irak-Krieg zu setzen. Nach Angaben des Veranstalters und der Polizei standen zwischen 20 Uhr und 20.15 Uhr rund 100 000 Menschen auf der großen Ost-West-Achse zwischen Hellersdorf und Spandau. „Ich bin überglücklich“, sagte der Initiator, der Spandauer Pfarrer Peter Kranz .

Um Punkt 20 Uhr traten die Kriegsgegner auf die Straße. Vom Punk mit Irokesenschnitt bis zur Polizistin in Uniform, die auch eine Kerze in der Hand hielt – es war eine bunte, typisch Berliner Mischung. Darunter zahlreiche Familien mit Kindern, Schüler- und Pfadfindergruppen, US-Bürger, die auf Plakaten verkündeten, Präsident Bush schade dem Ansehen ihres Landes. Etliche waren auch zur Lichterkette aus München, Frankfurt (Main) oder Hamburg angereist.

Die Demonstranten hatten sich gut vorbereitet – trotz des ungewöhnlich kurzfristigen Aufrufes: Ordner wurden nicht gebraucht, es gab keine Anweisungen, alles lief wie von selbst. Sehr ruhig, fast andächtig waren die Menschen. Nur das Geräusch des Polizeihubschraubers war zu hören und ein paar Kirchenglocken in der Ferne. Gesungen wurde vor der US-Botschaft: „We shall overcome“, das berühmte Protestlied aus den Sechzigerjahren, schallte über die Straße.

„Unter den Linden“ war das Zentrum der Aktion, tausende Menschen standen teils in mehreren Reihen auf der Fahrbahn, unter ihnen auch Senator und SPD-Chef Peter Strieder und der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter. Die meisten waren pünktlich kurz vor 20 Uhr gekommen, weshalb Skeptiker noch wenig vorher meinten, die Lichterkette komme nicht zustande. Aber dann strömten die Berliner von allen Seiten herbei und der Künstler Kurt Jotter konnte sein leuchtendes „No war“-Bild auf der Fahrbahn nahe der US-Botschaft flugs besetzen. Entlang des auf den Asphalt gemalten Schriftzugs stellten sich Menschen mit Kerzen in der Hand, so dass die flammenden Buchstaben weithin zu lesen waren.

Auch an den Knotenpunkten der Strecke, etwa am Theodor-Heuss- und am Strausberger Platz standen die Menschen dicht an dicht. Kleinere Lücken zum Beispiel auf der Straße des 17. Juni, an der Heerstraße in Spandau oder in Alt-Mahlsdorf fielen nicht auf. Ganz am Anfang der Kette an diesem äußersten östlichen Ende stand die 34jährige Martina Leffelt aus Köpenick und erklärte: „Das ist meine erste Friedensdemo .“

Der Verkehr entlang der Ost-West-Achse kam laut Polizei „kurzfristig zum Erliegen.“ Dennoch bildeten sich keine großen Staus, weil am Samstagabend nur wenige motorisiert unterwegs waren. Ursprünglich war mit den Veranstaltern abgesprochen, dass die Kette fast ausschließlich auf den Bürgersteigen gebildet werden sollte. Doch als sich überall Tausende zusammenfanden, traten die Menschen begeistert auf den Asphalt. Daraufhin stoppte die Polizei den Verkehr. Viele Fahrer reagierten verständnisvoll.

Nach 20 Minuten zogen die Demonstranten wieder ab. Etliche ließen flackernde Kerzen auf der Bahn zurück – und viele Fahrer steuerten vorsichtig vorbei: Sie wollten das Licht nicht löschen.app/lee/lom/tabu

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