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FDP-Fraktion ist nach den Linken die zweitkleinste in der BVV von Steglitz-Zehlendorf.

© Anett Kirchner

Berlin-Steglitz-Zehlendorf: FDP-Fraktion macht sich für Bürgerbeteiligung stark

Die FDP-Fraktion ist der Neuling in der BVV Steglitz-Zehlendorf. Sie will der „Closed-Shop-Politik“ der Alteingesessenen etwas entgegen setzen

Auffällig ist, dass Worte wie Wertschätzung, Transparenz und Mitgestalten ständig wiederkehren - sich wie ein roter Faden durch das Gespräch mit den Fraktionsmitgliedern der FDP in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf ziehen. Ganz gleich zu welchem Thema. „Wir sehen uns als Lotsen, wollen den Bürgern eine Stimme geben und zeigen, wie sie im Bezirk mitwirken können“, erklärt Fraktionsvorsitzender Kay Heinz Ehrhardt. Neben den Linken und der AfD ist seine Fraktion seit Herbst 2016 neu in der BVV in Steglitz-Zehlendorf. Wenngleich nicht ganz neu, vielmehr als Wiedereinstieg. Denn die FDP war bis 2011 hier im Bezirksparlament vertreten.

Und so sehen sie es als ihre Hauptaufgabe, der „Closed-Shop-Politik“ der schwarz-grünen Zählgemeinschaft, wie sie es nennen, etwas entgegen zu setzen.

Gegen die Schikane der Großen

„Wir freuen uns jedes Mal, wenn die Zählgemeinschaft hibbelig wird, weil sie in der BVV eine Sache nicht so durchziehen kann, wie sie es sich vorstellt“, sagt Ehrhardt und nennt ein Beispiel. Derzeit werde ein Antrag in den Ausschüssen diskutiert, in dem es um die geplante Wohnbebauung in Lichterfelde-Süd auf dem ehemaligen Militärgelände Parks Range gehe. Darin fordert die FDP-Fraktion, dass die Bürger kontinuierlich über das Bauvorhaben informiert werden.

Denn nach deren Eindruck sei eine Bürgerbeteiligung hier nicht gewollt. Stattdessen stehe der Bürger oft als Bittsteller da. Etwa bei der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung im Juni, als der neue Masterplan zu dem Bauprojekt vom Bezirksamt vorgestellt wurde. Circa 100 interessierte Bürger waren laut FDP in den Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf gekommen. „Es wären sicher mehr Gäste gewesen, wenn die Veranstaltung vor Ort stattgefunden hätte, dort, wo die Menschen leben, die es betrifft“, schildert er, beugt sich mit großen Augen nach und ist sichtlich verärgert.

Lediglich sechs Bürger - ausgewählt per Los – hätten dann Fragen stellen dürfen. Ein eindeutiger Versuch, die Bürger klein zu halten, findet die FDP. Und als eine ältere Dame, die offensichtlich keinen Platz mehr im Bürgersaal fand, gefragt habe, ob es noch Stühle gebe, sei die Antwort des Ausschussvorsitzenden gewesen: er sehe keine. „So kann man mit Menschen nicht umgehen“, signalisiert Ehrhardt.

Für die FDP in der BVV

Mit fünf Sitzen ist die FDP-Fraktion nach den Linken die zweitkleinste in der BVV. Kay Heinz Ehrhardt, aufgewachsen in Steglitz-Zehlendorf, hat in Potsdam Politikwissenschaften studiert und arbeitet momentan als Fachreferent bei der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin. In der BVV kümmert er sich überwiegend um die Bereiche Jugendhilfe, Haushalt, Personal und Stadtplanung.

Sein Stellvertreter in der BVV-Fraktion ist Rolf Breidenbach (nicht bei dem Gespräch dabei). Er wurde 1955 in Alzey in Rheinland-Pfalz geboren, hat Rechtswissenschaften in Mainz studiert und lebt seit 1980 in Berlin - seit 1986 in Steglitz-Zehlendorf. Breidenbach ist Referatsleiter im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg. In der BVV beschäftigt er sich unter anderem mit Umwelt, Naturschutz, Tiefbau und Rechnungsprüfung.

Mit 27 Jahren der Jüngste in der Fraktion ist Lars Rolle. Er kommt ursprünglich aus Chemnitz. Weil er zur Wende 1990 geboren wurde, steht in seinem Personalausweis wörtlich: „geboren in Karl-Marx-Stadt, jetzt Chemnitz“. Seit 2010 lebt er in Berlin, studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität (FU) in Dahlem und beginnt im August mit dem Referendariat. In der BVV kümmert er sich vor allem um Gesundheit, Integration und Schule. Er ist der Vorsitzende des Ausschusses für Schule, Bildung, Kultur und verrät, dass er sich dort von den älteren Bezirksverordneten gut angenommen und akzeptiert fühle.

Bezirkssorgenkind: Schulsanierung

„Es ist wichtig, die Sicht eines jungen Menschen, dessen Schulzeit noch nicht allzu lange zurückliegt, einzubringen“, erläutert er und fügt hinzu, dass er es gut fände, ein wenig frischen Schwung in das Verwaltungshandeln des Bezirkes zu bringen. Apropos Schule: das Thema, mit dem er sich am meisten beschäftigt, sind die Schulsanierungen.

Hier sei ihm unerklärlich, warum in der Vergangenheit nicht in die Zukunft gedacht wurde, warum Pläne und Konzepte fehlten. „Jetzt wollen alle Bezirke auf einmal mit den Sanierungen beginnen, jedoch fehlen das Personal und die passenden Gewerke“, erklärt Rolle.

Zudem gehe für ihn die Rechnung nicht auf, wie mit 20 Millionen Euro pro Jahr vom Senat in den vorgegebenen zehn Jahren ein Sanierungsstau von fast 400 Millionen Euro abgebaut werden soll. Trotz mehrfachen Nachfragens liege ihm immer noch keine aktuelle Prioritätenliste vor – also welche Schule, wann und mit welchem Aufwand saniert werde. Er erwarte nun, dass das Bezirksamt endlich effektiv arbeite und ein Konzept mit konkreten Plänen vorlege. Wenige Informationen drängen nach außen. Und auch hier finde kaum ein Dialog mit den Bürgern statt, konkret in diesem Fall mit den Eltern, Lehrern und Schülern.

Stichwort: Adventskalender des Bezirkselternausschusses (BEA), der den Sanierungsbedarf einzelner Schulen sichtbar machte. „Dort haben Eltern, die sich in dem Fachgebiet auskennen, konkrete Vorschläge für Sanierungen gemacht“, erinnert Mathia Specht-Habbel. Das zeige doch, dass sie sich einbringen wollen. Specht-Habbel ist die einzige Frau in der FDP-Fraktion. Neben der Schulpolitik befasst sie sich mit den Bereichen Sport, Frauen und Gleichstellung.

Mathia Specht-Habbel ist in Ludwigshafen aufgewachsen und lebt seit 20 Jahren in Berlin Steglitz-Zehlendorf. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Hochbau und arbeitet derzeit im Büro der Katholischen Pfarrgemeinde Mater Dolorosa.

„Die Schwelle ins Rathaus muss niedrig sein“

Fünftes Fraktionsmitglied ist Andreas Thimm, 1962 in Zehlendorf geboren und die ersten Jahre dort verbracht. Später wohnte er mit seinen Eltern in Marienfelde an der Hildburghauser Straße. Thimm arbeitete lange Zeit in der IT-Branche, lebte 15 Jahre in Kerpen in Nordrhein-Westfalen. 2007 kam er aus privaten Gründen nach Berlin zurück. Heute arbeitet er als Unternehmensberater. In der BVV kümmert er sich unter anderem um die Bereiche, Soziales, Ordnung, Verkehr, Hochbau und IT-Verwaltung.

„Die Schwelle ins Rathaus muss niedrig sein“, sagt er und erklärt, dass man hier mit digitalen Kommunikationsmitteln arbeiten könne. Deshalb habe seine Fraktion einen Antrag mit der Idee gestellt, die BVV-Sitzungen audio-visuell im Internet zu übertragen sowie eine feste Kamera in Richtung Rednerpult zu installieren. Doch es sehe so aus, als ob das nicht beschlossen würde. Einige Bezirksverordnete wollten sich nicht filmen lassen. Außerdem seien die technischen Voraussetzungen im Bürgersaal nicht gegeben.

„Hier besteht offensichtlich die Sorge, dass der Bürger womöglich am Ende zuhört“, sagt Thimm ironisch, denn er kann die Reaktion offenbar nicht nachvollziehen. Hier müsse sich die Verwaltung bewegen und öffnen, denn wir leben im digitalen Zeitalter. Und daraufhin, als ob man sie vergessen könnte, spricht er sie noch einmal aus, die drei Worte: Es gehe um Wertschätzung, Transparenz und Mitgestalten.

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