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Guck mal. In Maike Mia Höhnes Büro stapeln sich die gelben Postkisten voller Kurzfilme.

© DAVIDS/Sven Darmer

Berlinale: 28 aus 3500

Die Kuratorin Maike Höhne hat mit ihrem siebenköpfigen Team monatelang nur Kurzfilme geguckt. Seit sie vor sechs Jahren die Leitung übernommen hat, hat sich die Anzahl der eingereichten Filme für den Wettbewerb der Berlinale Shorts verdreifacht.

Für brav gemachte Geschichten, die man schon tausendmal gesehen habe, interessieren sie sich hier nicht, sagt Maike Mia Höhne. Jeder Regisseur, der einen Kurzfilm bei der Berlinale einreichen möchte, sollte diese Empfehlung unbedingt beherzigen. Denn jeder Film muss früher oder später an Höhnes Wertung vorbei. Sie ist die Leiterin der Kurzfilmsektion der Berlinale. Als Kopf eines siebenköpfigen Auswahlgremiums entscheidet sie, ob Top oder Flop, dabei oder nicht. Dafür hat sie monatelang nichts anderes gemacht, als Filme zu gucken.

„Etwa 3500 Filme sind dieses Jahr eingegangen“, erzählt Höhne. Seit sie vor sechs Jahren die Leitung übernommen hat, hat sich die Anzahl der eingereichten Filme verdreifacht. „Es hat sich rumgesprochen, dass unser Programm sehr vielseitig und nicht der 90er-Jahre-Witz- und Vorführfilm ist.“ Im fünften Stock am Potsdamer Platz 11 stapeln sich die gelben Postkisten, gefüllt mit unzähligen DVD-Hüllen. International erfolgreiche Regisseure mischen sich hier mit Autodidakten, die auf den großen Durchbruch hoffen. „Jeder von ihnen bekommt die gleiche Chance“, sagt Höhne. Doch nur 28 haben es in den Wettbewerb geschafft.

Seit vergangenem Oktober hat Maike Mia Höhne jeden Tag bis zu 14 Filme geschaut – genauso wie jedes andere Mitglied ihres Teams. Dafür zogen sie sich acht Stunden in einen der Sichtungsräume zurück: Schwarze Vorhänge, Lederstühle, Licht aus, Film ab, das ist Höhnes Arbeitsalltag. „Wenn das Licht wieder angeht, wird oft heftig diskutiert“, sagt sie. Denn die Meinungen der Kommissionsmitglieder, die alle selbst Filmemacher sind, liegen teils weit auseinander. Berührt dieser Film? Macht der was mit mir? Stimmen Inhalt und Form überein? Das sind die wesentlichen Kriterien, die Höhne nach der Filmsichtung mit ihren Kollegen bespricht. Dieses Jahr haben es ihr mehrere Dokumentarfilme angetan. Dazu zählt der Film „Al Intithar“, für den der italienische Filmemacher Mario Rizzi wochenlang mit syrischen Flüchtlingen in einem Camp in Jordanien gelebt hat. Auch wilde, experimentelle Filme mit viel Musik beispielsweise von Filmemachern aus Frankreich und Japan haben es diesmal geschafft. „Es sind künstlerische Handschriften, die mich hier interessieren“, sagt Höhne. Auch Mut wird häufig honoriert. „Ich will das Extrem und kein gefälliges Programm, das man so weggucken kann“, so Höhne.

Höhne, 41, trägt Zopf und Brille. Seit elf Jahren arbeitet sie für die Berlinale. Vier Jahre lang moderierte sie die Gespräche mit Regisseuren, bevor sie vor sechs Jahren zusätzlich Leiterin der Shorts wurde. Den Rest des Jahres ist sie selbst Regisseurin, dreht Fernsehbeiträge für Arte und hat gerade einen Spielfilm beendet, der in diesem Jahr ins Kino kommt. „Ein kleiner Independent-Film, in dem Bela B. von den Ärzten eine Nebenrolle spielt“, sagt sie.

Den ganzen Tag Filme gucken, ein Traumjob, findet die Mutter von zwei Kindern, die dafür zwischen Hamburg und Berlin pendelt. Das Schönste daran sei jedoch, dass sie Talente fördern könne. „Manche Festivalsieger laufen anschließend in Cannes oder Venedig.“

Dieses Jahr kommen die Filmemacher aus 20 verschiedenen Ländern. Während des Festivals werden sie von der Kuratorin und ihrem Team betreut. „Wir helfen ihnen dabei, ein Netzwerk aufzubauen und Produzenten kennenzulernen“, sagt Höhne. Denn besonders für Erstlingsregisseure ist der Kurzfilm interessant: „Es ist eine Entscheidung für eine radikalere Form“, beschreibt es Höhne. „Es reden nicht so viele Leute mit wie bei einem Spielfilm und die Regisseure können viel schneller auf die Umwelt reagieren.“ Viel Geld brauche man heutzutage nicht, um einen guten Film zu drehen. Manche kämen mit weniger als 1000 Euro zurecht, „wir hatten aber auch schon Filme, die bis zu 100 000 Euro gekostet haben“, sagt sie.

Nicht alles ist sehenswert. Maike Mia Höhne drückt es diplomatisch aus: „Jeder sollte die Filme machen, die er möchte. Aber es muss ja nicht jeder Film zur Berlinale.“

Zum Programm der Berlinale Shorts.

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