zum Hauptinhalt
Schmökern statt Shoppen? Bezirkspolitiker möchten das einstige Hertie-Kaufhaus an der Schöneberger Hauptstraße zur Bücherei machen.

© Cay Dobberke

Berliner Büchereien: Bezirk entscheidet über Bibliothek im Hertie-Kaufhaus

In Tempelhof-Schöneberg wollen Kulturpolitiker und Bibliothekare eine Bücherei im ehemaligen Hertie-Haus an der Hauptstraße ansiedeln. Die BVV soll darüber am 19. März abstimmen. Aber auch der Senat und das Abgeordnetenhaus müssten mitziehen.

„Wir wollen da rein!“, verkünden Plakate am ehemaligen Hertie-Kaufhaus in der Schöneberger Hauptstraße. Hinter dieser Initiative stehen vor allem die Mitarbeiter öffentlicher Büchereien in Tempelhof-Schöneberg und Bildungsstadträtin Jutta Kaddatz (CDU): Für sie wäre das seit 2009 geschlossene Kaufhaus neben der Kaiser-Wilhelm-Passage der ideale Ort für eine Stadtbibliothek.

Am 19. März soll die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) entscheiden. Länger will der heutige Eigentümer, die Dietz AG, nicht warten. Auch eine Fitnessstudiokette sei an den Räumen in der ersten und zweiten Etage interessiert, sagt Stadträtin Kaddatz. Im Erdgeschoss verkaufen zurzeit ein Drogeriemarkt und ein Asia-Imbiss; künftig soll es unten auch eine Filiale der Modekette TK Maxx geben.

Der Bezirk könnte darüber 3300 Quadratmeter Fläche für knapp 400 000 Euro jährlich mieten, nach 15 Jahren müsste der Vertrag neu ausgehandelt werden. Als möglicher Eröffnungstermin gilt Mitte 2015.

Montagabend gab es dazu eine Diskussion mit rund 120 Bürgern – nach einem Rundgang durch das leere Kaufhaus sowie die nahe „Mittelpunktbibliothek“ an der Hauptstraße 40. Diese könnte schließen.

Leiterin Christine Dominik erläuterte, ihrem 50 Jahre alten Haus fehle ein Fahrstuhl für den barrierefreien Zugang in die erste Etage, auch die Toiletten müssten dringend saniert werden. Beides würde mehr als 900 000 Euro kosten.

Der Bibliotheken-Chef will ein Kulturzentrum mit Lesecafé auf dem Dach schaffen

Außerdem gebe es nur 2500 Quadratmeter Fläche, sagte Engelbrecht Boese, der alle Bezirksbibliotheken leitet. Im Hertie-Haus stünde man „mitten im Leben und im Kiez“. Es gehe um ein „Bildungs- und Kulturzentrum“ mit Gruppen- und Veranstaltungsräumen. Darin könnten sich auch die Musik- und die Volkshochschule präsentieren, denkbar sei außerdem eine „digitale Ausstellung“ über die Bezirksgeschichte. Auf dem Dach stellt sich Boese ein Lesecafé im Freien vor. Auch die Öffnungszeiten will er verlängern.

Ein eigens gegründeter BVV-Unterausschuss hat vier Monate lang ohne klares Ergebnis beraten. Im Gespräch bleibt, den „Status quo“ beizubehalten.

Für den Bezirk würde sich der Umzug rechnen – aber auch für das Land Berlin?

Laut Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) würde die Bücherei die Defizite der Bibliotheken ab 2018 spürbar senken. Derzeit mache dieser Bereich jährlich rund 1,3 Millionen Euro Verlust. Bei höheren Ausleihzahlen gebe es mehr Geld vom Senat. Stadträtin Kaddatz und Bibliotheken-Chef Boese rechnen mit mindestens doppelt so vielen Besuchern wie in der Mittelpunktbibliothek.

Schwieriger findet es die Bürgermeisterin, den finanziellen Nutzen für ganz Berlin zu zeigen, damit Senat und Abgeordnetenhaus zustimmen. „Ich habe noch nicht die nötigen Zahlen“, sagte Schöttler, die darin ein „K.O.-Kriterium“ sieht. Einnahmen könne ein Verkauf der alten Bücherei bringen. Der Verkehrswert des Gebäudes wird auf 1,1 Millionen Euro geschätzt.

Interesse daran haben die Berliner Bäderbetriebe, die nebenan das Stadtbad Schöneberg betreiben. Sprecher Matthias Oloew bestätigte, der Altbau komme für Verwaltungsbüros infrage.

Bürger kritisierten das Aus für einen weiteren Standort: Weil sich der Bezirk aus Kostengründen bald vom Rathaus Friedenau trennt, muss die Bücherei dort schließen. Die Bibliothek im Hertie-Haus wäre auch ein Ersatz dafür. Stadträtin Kaddatz betonte aber, es gebe „keinen Zusammenhang“: Das Rathaus Friedenau hätte man so oder so räumen müssen. In das Baudenkmal ziehen Steuerfahnder.

Zur Startseite