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Schwarzes Schaf. Wer ist Schuld am Chaos bei Großprojekten?

© Patrick Pleul/dpa

Berliner Debatten: Bei BER und Staatsoper war das Versagen programmiert

Eine detaillierte Bauplanung vor Beginn der Großprojekte BER und Staatsoper hätte das Chaos verhindert, sagen die Grünen und ihr prominenter Kronzeuge.

Millionen für eine Planung ausgeben und diese dann in die Tonne treten – das ist besser und kommt billiger als Extra-Milliarden in ein schlecht geplantes und durchgerechnetes Großprojekt zu versenken. Auf diesen Nenner ließen sich, ein wenig zugespitzt, die Lehren der Grünen-Abgeordneten bringen aus zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu den Berliner Bau-Groß-Debakeln BER und Staatsoper.

Bauverweigerer sind Andreas Otto vom BER-Ausschuss und Oliver Schruoffenegger vom Staatsoper-Gremium deshalb keineswegs. Sie schlagen vielmehr vor, die Abläufe von der Geburtsstunde eines Großprojektes bis zu dessen Realisierung umzukehren und orientieren sich dabei an anglo-sächsischen Vorbildern. Als Kronzeuge hatten sie dazu den deutschstämmigen Klaus Grewe eingeladen, der in einem britischen Büro etwa für die Planung der Olympischen Spiele in London mitverantwortlich war.

Notfalls das Projekt nach der Planung kippen

Und Grewe sagt: Bevor ein Projekt überhaupt an den Start geht, muss fest stehen, „wer macht was, wann und wie“. Anders gesagt: Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten müssen fest stehen, ein Projektbuch verfasst werden, das jeden Schritt von den Erdarbeiten bis zur Reinigung der Glasscheiben zur feierlichen Eröffnung festzurrt und bis ins Detail das Bauwerk beschreibt und dessen Kosten beziffert. Erst wenn das fest steht, trifft die Politik die Entscheidung: für oder gegen diesen Plan.

Will man den Flughafen oder die U-Bahn-Trasse dann immer noch, dann wird alles so gebaut, wie es im Projektbuch steht. Wer eine Änderung wünscht, bekommt eine überarbeitete Planung vorgelegt: mit den Extrakosten und der dadurch eintretenden Verzögerung der Fertigstellung – und auch diese Entscheidung ist wiederum eine politische. Wer bestellt, bezahlt, das gälte dann auch auf Großbaustellen. Und wer verantwortlich ist für eine Panne auch: Planer oder Politiker. Dass die Verantwortlichen in England und den USA so verfahren, erklärt Grewe damit, „dass sie weniger Geld haben als in Deutschland“. So sei in London die Verlängerung einer U-Bahn-Strecke noch gestoppt worden, als die Planer festgestellt hatten, dass der Bedarf doch nicht so groß, die Kosten dagegen gewaltig gewesen wären. Die vielen Millionen Planungskosten waren damit verloren, aber Milliarden gespart.

Die Einheitswippe, ein "schönes Projekt"

Ein Beispiel aus Deutschland gibt es hierzu auch, den gekippten Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmal am Schloss. Otto nennt das „ein schönes Projekt“, weil der Haushaltsausschuss des Bundestages „nicht weiter unendlich viel Geld in ein schwarzes Loch kippt“. Das Gegenbeispiel dazu liefert die Sanierung der Staatsoper, wo die Bauleute bis heute immer wieder Einzelentscheidungen dazu treffen müssen, ob etwa eine Wandfarbe mit dem Denkmalschutz vereinbar ist oder nicht. Aus Schruoffeneggers Sicht ist das nur die Folge einer verkorksten Ausschreibung mit widersprüchlichen Anforderungen: nämlich akustische Eigenschaften, die nur durch einen Neubau zu bekommen sind, aber zugleich eine Sanierung, die mit dem Denkmalschutz in Einklang sein soll. Dieser ungelöste „Grundsatzkonflikt“ habe das Projekt von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Kollektives Versagen verhindert, dass einzelne zur Verantwortung gezogen werden können

Praktisch dabei ist: Kollektives Versagen verhindert, dass einzelne zur Verantwortung gezogen werden können. Und darin dürfte das größte Problem des vorgeschlagenen Paradigmenwechsel liegen: Mit einer genauen Planung vor der Grundsatzentscheidung für oder wider ein Projekt könnten dessen Kosten nicht mehr politisch schöngerechnet werden und es würde heiß über jedes Vorhaben gestritten. Außerdem wäre Schluss mit dem lässigen Selbstherrlichkeit von Politikern wie Kultursstaatsministerin Monika Grütters, die jüngst erklärte, Intendant MacGregow dürfe natürlich noch Änderungen an der fertigen Planung des Schlosses vornehmen – ein Freibrief zur Sprengung des Kosten- und Zeitplans.

Übrigens, um die Abschlussberichte der beiden Untersuchungsausschüsse zu BER und Staatsoper wird hart gerungen. Und weil die Mehrheit der Volksvertreter aus der Koalition sind und ihre mutmaßlich mitverantwortlichen Senatoren und Regierenden eher schonen wollen, werde es „Minderheitsvoten“ der Opposition geben, so die Grünen. Einzelne Schuldige wird man darin vermutlich auch nicht anprangern, sondern eher das kollektive Versagen – eben weil vorher nicht gründlich geplant wurde.

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