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Ohne Umwege. Pfarrer Ernst Pulsfort unterstützt syrische Bürgerkriegsflüchtlinge.

© Mike Wolff

Berliner helfen Bürgerkriegsflüchtlingen: „Her mit euren Piepen!“

Pfarrer Ernst Pulsfort engagiert sich für syrische Familien, die nach Kairo geflohen sind. Auch Prominente sammeln Spenden für direkte Hilfe.

Dreimal pro Tag wählt Ernst Pulsfort in seinem Berliner Pfarrbüro eine Nummer in Ägypten. Dort erreicht er den Syrer Amin Hadad (Name geändert), einen gelernten Koch. Und der erzählt, wie es seinen 170 Verwandten, Freunden und Bekannten geht, die aus Syrien nach Kairo geflohen sind. Dort warten sie auf das Ende des Bürgerkriegs in ihrer Heimat. „Ich frage meist nach dem 19-jährigen Jungen, der durch einen Granatsplitter querschnittgelähmt war, jetzt aber nach einer Operation wieder laufen und sprechen kann“, sagt Pulsfort, 57, katholischer Priester der Sankt-Laurentius-Gemeinde, mit seiner durch viele aneinander angezündete Zigaretten aufgerauten Stimme. „Amin ist ein Freund“, sagt er. „Durch ihn ist mir diese Not einfach begegnet. Jetzt fühle ich mich diesen Menschen verbunden.“

Das Geld für die Operation des querschnittgelähmten Jungen, rund 15 000 Euro, hat Pulsfort gesammelt. In seiner Gemeinde. Und: „Ich habe alle Leute mit offenen Ohren und ein bisschen Geld angerufen und gesagt: Her mit euren Piepen!“ 5000 Euro war die größte Spende. „Und zwei Euro von einer Oma die kleinste“, sagt Pulsfort in seiner flapsigen Art. Rund 30 000 Euro sind so seit Ostern zusammengekommen. Vor allem für den Lebensunterhalt und die Miete der 170 Syrer, die in vier Kairoer Wohnungen hausen: „Sie schlafen in Schichten.“ Amin Hadad berichte ihm auch von Aggressionen wegen der Enge und Untätigkeit und wie die Syrer in Ägypten „abgezockt“ würden.

Auch für Amin Hadad ist Kairo eine fremde Welt. Er stammt zwar aus Homs, jener syrischen Stadt, in der besonders früh besonders heftige Kämpfe ausbrachen, lebt aber seit Jahren in Tiergarten nahe der Kirche St. Ansgar, wo Pulsfort seit 2005 Pfarrer ist. Kennengelernt haben sich die beiden beim muslimisch-christlichen Dialog an der Katholischen Akademie. „Den habe ich angeleiert, als ich die Akademie noch geleitetet habe“, sagt Pulsfort.

Kurz vor Ostern bat Hadad ihn um Hilfe für seine Verwandten, bevor er in seine Heimat reiste, um ihre Flucht zu organisieren. Unter den Bewohnern der vier Kairoer Wohnungen sind viele Kinder, zuletzt kam etwa eine Familie mit zwei Söhnen , die beide eine Augenkrankheit haben. „Bei dem Zweijährigen könnte man das Augenlicht noch retten“, sagt der Pfarrer. Er will weitere Spenden für eine Operation sammeln, aber auch für den Unterhalt der Flüchtlinge.

Rund 2500 Euro werden monatlich für die Miete gebraucht. Hinzu kommt das Essen. „Wenn man sich auf so etwas einlässt, kommt man da nicht mehr raus. Das muss ich jetzt durchziehen“, sagt Pulsfort. Aber zurzeit weiß er nicht wie: Seine „Spenderquellen“ habe er schon alle angezapft. „Das ist jetzt vorbei.“ Er habe auch bei größeren Hilfsorganisationen angefragt, aber nur Absagen bekommen, weil diese keine Einzelpersonen unterstützten. „Und die Hilfswerke vor Ort fangen erst mit ihrer Arbeit an.“

Aber Pulsfort hat viel Erfahrung darin, Geld für Bedürftige zu sammeln. Vor fast 20 Jahren gründete er die Bartholomäus-Gesellschaft, die den Orden der „Helpers of Mary“ finanziell unterstützt – bei seiner Arbeit für Obdachlose, Waisen, Leprakranke und HIV-Infizierte in Indien, Äthiopien und Kenia. 300 000 Euro sammele der Verein jedes Jahr , sagt Pulsfort, „Helfen ohne Umwege“ lautet das Motto. Es passt auch auf sein Engagement für die Syrer. „Wenn ich mich bei dem Gedanken ertappe, dass meine Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, sage ich mir ein jüdisches Sprichwort: Wenn nicht ich, wer dann.“

Christian Springer, 47, ein Münchner Komiker, der oft im Berliner Kabarett Wühlmäuse auftritt, hat den Verein „Orienthelfer“ gegründet, um syrischen Flüchtlingen zu helfen. Er sammelt ebenfalls Spenden und ist schon mehrmals in Flüchtlingslager im Libanon und Jordanien gereist. Etwa ins Wadi Khaled im Norden des Libanon, wohin ebenfalls viele Menschen aus Homs geflohen sind. Er brachte ihnen Medikamente, Geld und Spielzeug .

Nach seiner Reise im Juni bezweifelte Springer, „ob es überhaupt deutsche Hilfe gibt“. Denn zumindest bei den vielen Flüchtlingen, mit denen er Kontakt hatte, sei aus Deutschland „kein Krümel Brot, kein Fetzen Stoff, keine Seife, keine Socke, kein Euro angekommen“. Jetzt seien hunderttausende Syrer in höchster Not: „Helft! Sofort!“, bittet er.

Es sei „immer schwieriger, für Bürgerkriegssituationen Geld zu sammeln als für Naturkatastrophen“, heißt es beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Für die syrischen Flüchtlinge, die außer Landes geflohen sind, liefen beim DRK zurzeit keine Projekte, etwa 5000 Familien versorge die Organisation aber in Syrien mit Hilfsgütern. Allerdings über die Partnerorganisation „Roter Halbmond“. Es seien Ambulanzen und Lastwagen nach Syrien geschickt worden, mit denen der „Rote Halbmond“ Hilfsgüter verteile. Zwei DRK-Mitarbeiter seien gerade dabei, in Beirut und Damaskus neue Projekte auszuloten.

Die evangelische „Diakonie Katastrophenhilfe“ lieferte im Juli – ebenfalls über eine Partnerorganisation – Lebensmittel, Kleidung, Bettwäsche und Decken direkt nach Syrien, aber auch ins jordanische und libanesische Grenzgebiet.

Und Ernst Pulsfort telefoniert weiter.

- Spenden für die Flüchtlinge in Kairo an: Katholische Kirchengemeinde St. Laurentius, Berlin. Kontonummer: 600 096 7015. BLZ: 370 601 93. Pax-Bank, Berlin. Stichwort: „Syrienflüchtlingshilfe“. Informationen zu weiteren Organisationen unter www.orienthelfer.de, www.drk.de/syrien und http://d-kh.de/syrien.

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