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"Schwabenhatz" auf der Bühne.

© dpa

Berliner Schwabendebatte auf der Bühne: Reinliche Schwaben und militante Ossis

Vier Tage nach dem Hass-Graffito im Prenzlauer Berg beginnt die „Schwabenhatz“. Statt zu noch mehr Hass will das Theaterstück aber zu Toleranz aufrufen - und aufzeigen, dass Berliner von Schwaben sogar noch etwas lernen können.

Alles scheint friedlich am Ort des Anschlags. Dort, wo vier Tage zuvor ein Hassgrafitto zum Schwabenboykott aufrief, lockt nun ein lauer Sommerabend die Menschen nach draußen. Friedlich besetzen sie die Bürgersteige an der Rykestraße, nehmen an Cafétischen Platz, erfüllen die warme Luft mit Geplauder und Zigarettenqualm. Spaziergänger schlendern sorglos vorbei, andere telefonieren oder sind zielstrebig auf dem Weg zu Verabredungen.

Edith Mayer-Rosa hat eigentlich keine Zeit, sie will ins Kino. Als sie aber das Stichwort „Schwaben-Debatte“ hört, wird sie hellhörig. „Da haben Sie die Richtige getroffen, ich bin Schwäbin“, sagt die adrette 64-Jährige. Ihr rotbemalter Mund kräuselt sich. „Lächerlich“ findet sie die Diskussion sowieso. Seit dem Aufruf „Kauft nicht bei Schwaben“, den Unbekannte in der Nacht von Freitag auf Samstag an eine Hauswand sprühten, hat sie ein neues Adjektiv: „Nach dieser Formulierung finde ich das Ganze einfach nur noch entsetzlich.“ Als eine der wenigen Alteingesessen im Viertel bekommt sie den Wandel deutlich zu spüren. Das Viertel sei längst nicht mehr so durchmischt wie früher, sagt sie. „Das liegt aber auch an der Lokalpolitik, nicht an uns Schwaben.“

Sehen Sie hier ein Video über das Theaterstück "Schwabenhatz"

Die Schwabenhatz kommt auf die Bühne

Sechshundert Meter entfernt, in der Kulturbrauerei, kommen an diesem Abend genau diese Themen auf den Tisch, oder besser gesagt: auf die Bühne. „Schwabenhatz“ heißt das Theaterstück, das den Autorenwettbewerb „Schreiben für Schwaben“ gewann und bereits auf der „Schwabiennale“ im vergangenen Herbst lief. Dass es sein Gastspiel ausgerechnet jetzt, kurz nach einem erneuten Hochkochen der Debatte und ausgerechnet im Epizentrum des Schwabenhasses hat, ist ein Zufall - aber ein glücklicher, denn ein bisschen Völkerverständigung scheint bitter nötig. In zwölf Bildern, die das Nummerngirl (Susanne Theil) mit launigen Trullala-Liedern ankündigt, bekommt das Publikum in der Maschinenhalle der Kulturbrauerei so manches Vorurteil aufgewärmt: Der Schwabe als penibler Kehrwochenverfechter, als Tüftler und Geizhals. Die vier Schauspieler schwäbeln und berlinern, was das Zeug hält - nicht immer verständlich für alle. „Es ist schon ein bisschen schwierig, wen man nur die Hälfte versteht“, meint Peter Scherbening, der alle Dialekte südlich von Köln für „suspekt“ hält und auch mit dem Berlinerischen nicht viel anfangen kann - das habe mit den Menschen aber nichts zu tun. Mit dem Stück konnte er jedenfalls nicht viel anfangen.

Auch Schwaben können hassen

Tatsächlich stößt die Revue mit ihren herzhaft geschmetterten Liedern und den stereotypen Figuren beim Publikum auf gemischte Gefühle. Gideon Rapp etwa vergleicht in einem Lied den Syrienkonflikt und die Finanzkrise mit der Berliner Angst vor einer Schwabeninvasion. Da sind die Ausflüge in die Geschichte des Schwabenvolkes schon packender. Wütend wettert etwa die enttäuschte Ehefrau von Flugzeugtüftler Albrecht Ludwig Berblinger aus Ulm gegen den „Ossi“ und Patentklauer Otto Lilienthal und zeigt: Auch Schwaben können hassen.

„Ich fand gelungen, dass das Stück beide Seiten gezeigt hat“, meint Dennis Kupfer. Er steht nach der Auffürung im Innenhof der Kulturbrauerei und erinnert sich an seine eigene Zeit in Esslingen - Kehrwoche inklusive. „Das ist natürlich ein Konflikt, wenn man dem gemütlichen Berliner sowas aufzwingen will.“ Die wahren Probleme gehen aber viel weiter sagt er. „Die Mieten werden teurer, die Leute werden verdrängt. Da sucht man natürlich einen Schuldigen.“ Kupfer ist in der „Initiative gegen Mietpreiserhöhung“ engagiert. Schwäbische Haubesitzer für die explodierenden Mieten verantwortlich zu machen, hält er für lächerlich. Er sieht das Problem ganz woanders. „Das Stück zeigt, dass der Mensch Feindbilder braucht“, sagt er. Da stimmen ihm Gunnar Steeb und Kilian Griesche zu. Die beiden jungen Männer wohnen zwar nicht im Prenzlauer Berg, beobachten aber ähnliche Debatten auch in anderen Stadtteilen: „In Neukölln sind Sinti und Roma das Feindbild“, so Steeb. „Man braucht immer irgendjemanden, den man für Probleme verantwortlich machen kann.“

Die Schwaben könnten den Berliner noch was beibringen

Die Schwaben mit ihrem markanten Dialekt kommen da gerade recht. Im Stück verrät sich die Brezelverkäuferin (Inka Pabst) mit ihren „hausgmochten Breezn“. Der Schwabenhasser (Mattis Nolte) weigert sich, bei Schwaben zu kaufen - dabei verrät er sich selbst durch ein derbes „Hergoot nomol!“ Sind wir nicht alle ein bisschen Schwabe? Am Ende dann die Einsicht: „Ohne Gäschde is e doch Mischt.“ Deshalb soll man sich doch lieber vertragen. Die Schwaben könnten den Berlinern sogar noch was beibringen - zum Beispiel das Sparen.

 Das Stück "Schwabenhatz" läuft am 14., 21. und 28. Mai in der Maschinenhalle in der Kulturbrauerei. Die Tickets kosten 16 Euro und sind unter 030-443 15 100 erhältlich.

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