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Nein, das ist kein Putzzeug. Wissenschaftler untersuchen U-Bahnen.

© imago/imagebroker

Berliner Verkehrsbetriebe: BVG lässt Bakterien in U-Bahn erforschen

Jeder Mensch gibt in der Stunde etwa 40 Millionen bakterielle Zellen ab. Wissenschaftler eines weltweiten Forschungsprojektes untersuchen nun auch die Welt der Mikroben in der Berliner U-Bahn.

Igitt! Was mag sich da so auf dem Sitz tummeln, was man nicht sehen kann? Oder am Türgriff? An der Haltestange? Gut, dass man es als Fahrgast erst gar nicht weiß. Die BVG aber will jetzt Klarheit: Sie lässt das unsichtbare Leben in der U-Bahn erforschen – ganz wissenschaftlich.

Genau genommen sind es Forscher, die endlich wissen wollen, was sich da – unsichtbar für das Auge – rings herum abspielt. Ihr Ziel ist es, eine Weltkarte der Mikrobiome zu erstellen. Die U-Bahn haben sie gewählt, weil sie in allen Städten der Welt in der Regel die meisten Fahrgäste hat, mit einem schnellen Wechsel. Ein idealer Ort für Mikroben. „Jeder Mensch gibt in der Stunde etwa 40 Millionen bakterielle Zellen ab“, sagte Projektleiter Torsten Semmler vom Robert Koch-Institut (RKI). Das sei aber nicht schlimm, weil die Menschen meist ähnlich „besiedelt“ seien. Die meisten Mikroorganismen verursachten zudem keine Krankheiten. Zusammen mit einem Kollegen wird Semmler in den nächsten Wochen die 173 U-Bahnhöfe der BVG untersuchen. Die Unterwelt sei dafür ideal, weil sie weitgehend unbeeinflusst von Umwelt- und Witterungseinflüssen sei, sagte Lothar H. Wieler, der Präsident des Instituts.

In der U-Bahn gibt es Kurioseres als das Einsammeln von Proben

Die Forscher werden in den Bahnhöfen jeweils an zwei Fixpunkten, etwa Automaten oder Griffstangen Proben aufnehmen. Dazu soll nach Semmlers Angaben ein flexibler Punkt im Zug kommen; beispielsweise der Türgriff. Für die Probe reiben die Wissenschaftler etwa drei Minuten lang mit einem Wattestäbchen über die ausgeguckte Fläche. Fahrgäste werden davon nicht viel mitbekommen. „Wir werden nicht besonders auffallen“, ist Semmler überzeugt. In der alltäglichen U-Bahn gebe es kuriosere Vorfälle als das Einsammeln von Proben.

Und wenn ein Fahrgast doch neugierig sein sollte, werde man den Anlass gern erklären, versprach Semmler. In New York habe ein Fahrgast zur Arbeit der Forscherkollegen dort nur gesagt: „Und das soll helfen“ – bezogen auf den Putzeffekt mit den Wattestäbchen.

Mehr als 40 Städte weltweit haben teilgenommen

Das Forschen nach dem unbekannten Leben im Mini-Mini-Format hat 2013 in New York begonnen. Das MetaSub genannte Projekt hat inzwischen mehr als 40 Städte erfasst; nun ist Berlin an der Reihe. Alle hier gesammelten Proben schicken die Forscher in die MetaSub-Koordinierungsstelle in New York. Dort wird die Erbsubstanz gewonnen und die Bausteine bestimmt. Das RKI untersucht die gewonnenen Daten anschließend mit bioinformatischen Methoden und vergleicht sie unter anderem mit den Erbgutabschnitten bekannter Bakterien. In New York war nach Semmlers Angaben allerdings rund die Hälfte der entdeckten Wesen zuvor unbekannt.

Zudem wollen die Forscher herausfinden, ob das Mikrobiom in den Städten unterschiedlich ist oder ob es in einer Stadt vielleicht „Hotspots“ gibt, an denen nur bestimmte Arten nachweisbar sind. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt. So wollen die Forscher auch feststellen, wie sich das unsichtbare Leben im Lauf der Zeit vielleicht verändert.

Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, im internationalen Forschungsnetzwerk neue Erkenntnisse für den weltweiten Infektionsschutz zu gewinnen, begründet das Robert Koch-Institut das Projekt. Erst die heute Technik erlaube es, die DNA der Mikroben in digitaler Form zu bestimmen, sagte Semmler. Das Einsammeln mit den Wattestäbchen führe am Ende zu einer riesigen Datenmenge, die per Computer verarbeitet werden müsse.

BVG-Sprecherin Petra Reetz findet das Projekt „hochspannend.“ Geld muss sie dafür nicht ausgeben. Aber vielleicht erfährt sie so, wo sie in Zukunft besonders intensiv putzen muss. Und Händewaschen nach einer U-Bahn-Fahrt hat auch vorher schon nicht geschadet.

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