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Bei der Sache. Thomas Heilmann in der Haftanstalt Moabit.

© Thilo Rückeis

Berlins Justizsenator Heilmann: Offen für offenen Vollzug

Eine Untersuchung von Berlins Justizsenator Thomas Heilmann zeigt: Häftlinge missbrauchen Freigang höchst selten. Vor einem Jahr hatten Staatsanwälte allerdings noch eine härtere Gangart gefordert.

Trotz der verbreiteten Vorbehalte gegen den offenen Strafvollzug stellt dieser kein Sicherheitsrisiko dar. Das hat eine Untersuchung der Senatsjustizverwaltung ergeben, die Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Mittwoch vorstellte. Innerhalb von acht Jahren zwischen 2005 und 2012 habe es bei 9300 Gefangenen im offenen Vollzug in 20 Fällen den Verdacht einer schweren Tat während des Ausganges gegeben, sagte Heilmann. In neun Fällen habe sich der Verdacht erhärtet, es gab Verurteilungen. Die Quote von missbrauchten Lockerungen lag im Jahr 2012 bei 0,06 Prozent.

Im offenen Vollzug müssen die Gefangenen mindestens acht Stunden am Tag in der Anstalt sein, Ausgänge gibt es aber nur, wenn sie draußen einen Job haben. Der offene Vollzug gilt als wichtige Praxis zur Resozialisierung. Heilmann sagte, dies sei „keine liberale Verirrung“, sondern ein „erfolgreiches Konzept“, an dem er festhalte. In Berlin werden rund 30 Prozent der Gefangenen im offenen Vollzug untergebracht. Insgesamt gibt es rund 900 dauerhaft belegte Plätze. Auch die Opposition ist zufrieden. Rechtsexperte Klaus Lederer (Linke) sagt: „Die Evaluation räumt mit Mythen auf, die der Resozialisierung im Weg stehen.“ Ähnlich äußert sich der Rechtsexperte der Grünen, Dirk Behrendt. Die CDU teilt mit, sie nehme die Studienergebnisse „mit Erleichterung“ zur Kenntnis.

Die Vereinigung Berliner Staatsanwälte hatte vor einem Jahr öffentlich kritisiert, dass in Berlin zu viele Täter in den offenen Vollzug kämen. In einigen Fällen sollen Männer davon profitiert haben, die der Bandenkriminalität zugerechnet werden und während ihres Freiganges womöglich Kriminellem nachgegangen seien. Dies träfe nach der Auswertung von 174 Täterakten nicht zu, sagte Heilmann. Auch der Verein der leitenden Mitarbeiter des Berliner Justizvollzuges erklärte sinngemäß: Auch die „harten Jungs“ hätten ein Recht auf offenen Vollzug, wenn dies angebracht sei.

Und nur wenige würden rückfällig: Von den neun Männern, die zwischen 2005 und 2012 erneut straffällig wurden, waren nur drei zuvor zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt worden. Dennoch schlägt der Justizsenator vor, Beauftragte für Organisierte Kriminalität (OK) in den Haftanstalten einzusetzen, um zu verhindern, dass Männer im offenen Vollzug im Drogenhandel oder der Rockerszene aktiv bleiben.

Darüber hinaus soll die Gnadenpraxis geändert werden. Bislang haben Gnadengesuche gleich nach einer Verurteilung hemmende Wirkung, dass heißt bis über den Antrag entschieden worden ist, muss der Verurteilte die Haft nicht antreten. Oft dauert dies zwei, drei Monate. Diese Regelung solle geändert werden, was bedeuten könnte, dass der Haftantritt nur dann verschoben wird, wenn der Verurteilte schwer krank ist. Die Vorschläge – OK-Beauftragte und neue Gnadenpraxis – wurden noch am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses besprochen. Das Parlament muss über sie abstimmen.

In Berlin kommen Verurteilte schnell in den offenen Vollzug, wenn sie selbstständig zum Haftantritt kommen. Für Mörder etwa gilt das nicht, denn sie sitzen bei ihrer Verurteilung in Untersuchungshaft, aus der sie in den üblichen Vollzug verlegt werden.

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