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Berlin: Bewerben lohnt sich wieder

Der Arbeitsagentur werden so viele Stellen gemeldet wie seit Jahren nicht mehr. Wo die Jobs entstehen

Für Olaf Möller hat die Fußball-WM den entscheidenden Anstoß gegeben: „Seit Mitte 2006 ging es auf dem Arbeitsmarkt bergauf“, berichtet der Sprecher von der Arbeitsagentur Berlin Brandenburg. Seither können die Experten von Arbeitsagentur und Statistischem Landesamt erstmals seit Jahren wieder positive Nachrichten vermelden. Knapp 20 000 Berliner haben 2006 einen neuen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden. Das ist ein Zuwachs von 1,3 Prozent – genug, um die Hauptstadt zusammen mit Hamburg auf Platz eins aller Bundesländer zu katapultieren. Die Arbeitslosenquote sank im Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 auf nunmehr 16 Prozent.

Nach jahrelangem Stellenabbau suchen Berliner und Brandenburger Unternehmen wieder Personal. „Die Stellen werden dort geschaffen, wo es boomt“, sagt Holger Lunau von der Industrie und Handelskammer in Berlin. „Vor allem die Unternehmen im Dienstleistungsbereich haben neue Mitarbeiter eingestellt, im Tourismus und Gastgewerbe, im Handel, in der Logistik und im Verkehr.“ Allen voran die Zeitarbeitsfirmen, die ihre Beschäftigten anderen Unternehmen bei Auftragsspitzen vermitteln.

Drei von vier neuen Arbeitsplätzen gehen in Berlin auf das Konto solcher Arbeitnehmerüberlassungen, schätzt die Arbeitsagentur. „Wir haben 2006 allein in der Hauptstadt rund 2900 neue Mitarbeiter eingestellt“, berichtet Simone Teufel vom Branchenprimus Randstad. Mehr als 1200 Fahrer und Lagerarbeiter seien in Logistikunternehmen vermittelt worden, weitere 300 kaufmännische Angestellte und 300 Callcenteragenten seien eingestellt worden. Der Mitbewerber Adecco meldet derzeit 500 vakante Stellen in Berlin und Brandenburg. Adecco sucht nicht nur Bankkaufleute und Facharbeiter in Metallberufen, sondern vor allem Ingenieure und IT-Spezialisten.

Für Arbeitsmarktexperten gilt Zeitarbeit traditionell als Konjunkturindikator: Die Auftragsbücher füllen sich, die Unternehmen suchen kurzfristig Personal. „Wir erwarten allerdings, dass jetzt auch die Betriebe auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt mehr Leute einstellen“, sagt Möller. Ein Blick in die Stellenanzeigen der Tageszeitungen zeigt, dass diese Hoffnung nicht unbegründet ist. Als einer der größten Jobmotoren gilt der Tourismus. 2006 kamen 140 Millionen Besucher in die Stadt – davon profitieren auch die Berliner Flughäfen. Die Zahl der Arbeitsplätze rund um die Airports sei 2006 um 1000 auf über 15 000 gestiegen, berichtet Eberhard Elie von den Berliner Flughäfen. Und es bleibt nicht bei den direkt Beschäftigen. Bereits heute lassen sich mittelständische Unternehmen im Einzugsgebiet des geplanten Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg-International (BBI) nieder. So bezog die Logistikfirma Dachser im Herbst 2006 eine neue Filiale am Standort Schönefeld. Zu den 150 Mitarbeitern sollen bis Ende 2007 nochmals 20 dazukommen. Bei Dachser setzte man vor allem auf Auszubildende und Studenten der Berliner Berufsakademie. „Wir ziehen uns unseren Nachwuchs selbst heran“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Auch im Bereich Forschung und Hightech geht es aufwärts. Berlin-Chemie schafft seit Jahren neue Jobs. 2004 arbeiteten 3600 Beschäftigte für den Pharmaproduzenten in Berlin-Adlershof, im Frühjahr 2006 konnte das Unternehmen den 4000. Mitarbeiter begrüßen. „Genaue Zahlen haben wir noch nicht, insgesamt rechnen wir für 2006 mit Neueinstellung im dreistelligen Bereich“, sagt eine Sprecherin. Derzeit suchen die Adlershofer nicht nur Mediziner und Pharmazeuten, sondern auch Marktforscher, Marketingspezialisten und Mitarbeiter für den Außendienst.

Auch die IT-Brache meldet neue Arbeitsplätze: Der Berliner Internet-Dienstleister Strato hat 2006 seine Belegschaft um 20 Prozent auf 485 Mitarbeiter vergrößert. Und der Leiterplattenhersteller Contag stockte seine Belegschaft um 30 auf 65 Mitarbeiter auf. Mittlerweile platzt der Standort in einem alten Spandauer Fabrikgebäude aus allen Nähten, Teile der Produktion mussten bereits in mobile Container ausgelagert werden. Im Sommer bezieht die Firma einen Neubau in Spandau.

Andere Branchen klagen bereits über Personalmangel. So suchen Berlin-Brandenburgische Maschinenbauer händeringend Facharbeiter und Ingenieure. „Wir sind durch die gute Konjunktur in einem Engpass, der sich allein durch Zeitarbeiter nicht mehr decken lässt“, sagt Reinhard Pätz, Geschäftsführer des regionalen Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau. Zwar bleibt das produzierende Gewerbe bei den Arbeitsplätzen deutlich hinter den Dienstleistungen zurück, 2006 gab es ein Prozent weniger Stellen als im Jahr zuvor. Doch auch hier zeichnet sich die Trendwende ab.

Sogar die Bauwirtschaft zieht als wichtige Konjunkturlokomotive wieder an, heißt es bei der Handwerkskammer. Bereits im Herbst 2006 konnte Kammerpräsident Schwarz 190 000 Beschäftigte im Handwerk vermelden, das sind rund drei Prozent mehr als im Vorjahr. Und auch die Aussichten stehen nicht schlecht. Nach Umfrage von IHK und HKW schätzen Berliner Unternehmer die Geschäftslage und Geschäftsaussichten so gut wie seit Jahren nicht mehr ein.

Alexander Heinrich

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