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Was ich kann statt wer ich bin: Anonyme Bewerbungen führen meist zu mehr Chancengleichheit.

© Thilo Rückeis

Anonyme Bewerbung: Personalchefs sehen besser mit verbundenen Augen

Anonyme Bewerbungen sind erst einmal ungewohnt. Doch sie führen oft zu besseren Ergebnissen. Nun testet Berlin das Verfahren.

Kein Name, kein Alter, kein Geschlecht, keine Angabe zu Familienstand und Herkunft, kein Foto – beim anonymisierten Bewerbungsverfahren ist die Person hinter der Bewerbung ein Unbekannter. Um Chancengleichheit zu gewährleisten und Benachteiligung wegen Herkunft, Geschlecht und Alter zu mindern, steht nur die Qualifikation der Bewerber im Fokus.

Am vergangenen Freitag ist das erste Berliner Pilotprojekt zum anonymisierten Bewerbungsverfahren gestartet. Unter dem Motto „Vielfalt fördern – anonym bleiben“ koordiniert der Integrationssenat die ersten Job-Ausschreibungen in Berlin, die durch ein anonymes Verfahren besetzt werden sollen. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (Lagetsi) beginnt damit, zehn Ausbildungsstellen durch das anonymisierte Bewerbungsverfahren zu besetzen. „Wir erhoffen uns dadurch auch mehr Personalvielfalt im öffentlichen Dienst“, sagt Verwaltungsleiterin Silvia Heim.

Auch Reinickendorf besetzt zwei offene Stellen durch anonyme Bewerbungen, Charlottenburg-Wilmersdorf macht ab Sommer mit. Außerdem haben Mitte und Pankow Interesse angemeldet.

Mit einem Online-Training „Fit für die anonymisierte Bewerbung“ versucht der Senat, Berliner Jobsuchende darauf vorzubereiten, Bewerbungstexte anonymisiert zu formulieren. Durch acht Quizfragen sollen Berliner lernen, wie sie ihre Qualifikation und Motivation beschreiben, ohne dass ihre Bewerbung Rückschlüsse auf Alter, Herkunft und Geschlecht zulässt. Dabei müssen Bewerber beispielsweise geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen wie „Ingenieur/in“ verwenden und auf persönliche Details sowie auf eine Grußformel verzichten. Das Quiz ist online hier zu finden.

Studien ergaben: Bewerber mit ausländischen Namen werden benachteiligt

Erst vor kurzem hatte eine Studie des Forschungsbereichs des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration herausgefunden, dass Menschen mit türkischen Namen sich öfter bewerben müssen, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als Bewerber mit deutschen Namen.

In der Stadtverwaltung Celle, die seit 2010 mit anonymisierten Bewerbungen arbeitet, wurden mehr als 50 Stellen auf diesem Weg besetzt. Celles Personalchef Jockel Birkholz ist überzeugt, dass anonymisierte Bewerbungen funktionieren: „Ich war am Anfang skeptisch, da ich gedacht habe, ich hätte immer objektiv entschieden. Im Nachinein habe ich erkannt, wie leicht man sich leiten lässt.“

Dass schon allein ein Foto eines Bewerbers viele Emotionen auslösen kann, davon ist auch Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, überzeugt. Im Jahr 2010 initiierte Lüders das erste deutsche Pilotprojekt für anonyme Bewerbungen, an dem mehrere Unternehmen und Verwaltungen in Deutschland teilnahmen. Das Ergebnis war: Vor allem Frauen und Migranten profitieren von anonymen Bewerbungen.

„Kein Unternehmen diskriminiert vorsätzlich. Aber fast jeder Mensch hat unterbewusst Klischees und Vorurteile im Kopf – vielleicht in Bezug auf fremd klingende Namen, Frauen mit kleinen Kindern oder Menschen mit Behinderung“, so Lüders. Daher sei das anonymisierte Bewerbungsverfahren wichtig, um unbewusste Bevorzugung oder Benachteiligung von Bewerbern zu verhindern. „Das Verfahren ist vorurteilsfrei“, betont Lüders. Im Juni soll es einen ersten Zwischenbericht des Berliner Pilotprojekts geben. Bis dahin möchte der Senat noch weitere Unternehmen und Bezirke gewinnen, die das Verfahren testen. Den Abschlussbericht will der Senat im ersten Quartal 2015 dem Abgeordnetenhaus vorlegen.

Aktuelles Buch zum Thema von Rocco Tiede: „Chance für alle – Anonyme Bewerbung“, Herder Verlag, 119 Seiten, 9,99 Euro.

Katharina Fiedler

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