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Der Protest auf dem Oranienplatz geht weiter: Es wird protestiert - und informiert.

© Livia Gerster

Zwei Wochen nach der Räumung: Der Protest auf dem Oranienplatz geht weiter

Vor zwei Wochen wurde das Flüchtlingscamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz geräumt. Doch der Protest ist nicht beendet. Seit Mittwoch steht, wie mit dem Bezirk vereinbart, wieder ein Zelt. Und die Refugees sagen: "Wir kämpfen weiter."

„Danke an alle, die trotz Regen und schimpfender Polizisten durchgehalten haben“, sagt Patras Bwansi, Flüchtling aus Uganda, ins Mikrofon. Er meint damit „Schwester Napuli“ und die anderen, die auch nach der Räumung des Flüchtlingscamps auf dem Oranienplatz vor zwei Wochen ausgeharrt haben. 107 Stunden hat Napuli im Regen ohne Essen auf einer Platane auf dem Oranienplatz gesessen. „Es hat sich gelohnt“, sagt Bwansa.

In der Tat ist wieder Leben im ehemaligen Camp: Flüchtlinge und Unterstützer haben ein Konzert und im Anschluss eine Pressekonferenz organisiert. Viele sind gekommen, an diesem Mittwochabend. Und alle sind optimistisch: Es geht weiter.

Weiter mit dem Protest, den Patras Bwansi und zahlreiche andere Geflüchtete vor anderthalb Jahren in Gang gesetzt haben. Er ist einer der Flüchtlinge, die im Herbst 2012 von Würzburg in die Hauptstadt marschierten, um Berlins Politikern zu zeigen: „Hier sind wir. So kann es nicht weitergehen.“ Damit, dass sie sich nicht frei bewegen und arbeiten dürfen, damit, dass sie in ständiger Angst vor der Abschiebung leben.

„Wir wollen Rechte und Würde, so wie ihr“, sagt Bwansi, Besetzer der ersten Stunde. Gemeinsam mit Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und Stadtforscherin Noa Ha spricht er am Mittwoch im wieder errichteten Zelt auf dem Oranienplatz. Sie werfen der Berliner Regierung vor, die Flüchtlinge durch eine „Teile und Herrsche“-Taktik gespalten und gegeneinander ausgespielt zu haben.

Innensenator Frank Henkel (CDU), Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatten sich allesamt zufrieden mit der friedlichen Räumung gezeigt. Danach hat das Bezirksamt sogleich Rollrasen verlegen lassen, damit die Fläche in Kreuzberg wieder wie ein ganz normaler Berliner Platz aussieht.

Das hätte er auch fast, wären da nicht von Anfang an die Hungerstreikenden gewesen. Sie lagern nun seit zwei Wochen in Schlafsäcken und werden von Unterstützern mit Getränken versorgt. Ihre Forderungen haben sie auf Transparente geschrieben: Die Wiedererrichtung eines Info-Punktes und eines großen Zeltes für Versammlungen sowie eine Aufenthaltserlaubnis für alles Refugees vom Oranienplatz.

Die erste Forderung wurde am Mittwochabend umgesetzt - war aber auch Bestandteil der Einigung, die zur friedlichen Räumung des Platzes geführt hatte. Der Info-Container ist offen, das Zelt steht nun auch. Das ist Anlass genug für die Aktivisten zu hoffen, dass ihr Protest nicht umsonst war. Um die Nachricht von der Wiederbelebung des Platzes zu verbreiten, hat die NGO AfricAvenir zur Pressekonferenz eingeladen – auch im Namen der Initiative „No Humboldt 21“. Die protestiert eigentlich gegen das Humboldt-Forum im Stadtschloss, das gerade wiederaufgebaut wird.

Was das Humboldt-Forum mit dem Oranienplatz zu tun hat? Allerlei, finden die Aktivisten: Denn dort sollen afrikanische und asiatische Kunstwerke aus Kolonialzeiten ausgestellt werden. „Kunstwerke, die unseren Vorfahren gestohlen wurden“, sagt Bwansa. „Für das Raubgut bauen sie ein ganzes Forum, aber uns, die Enkel und Enkelinnen dieser Kultur, wollen sie abschieben.“

Abschiebung fürchtet auch Alnour. Er flüchtete vor zwei Jahren aus dem Sudan. Eigentlich wollte er nach England, so schildert er seine Geschichte, aber als er nach Tagen aus dem Lastwagen stieg, fand er sich in Deutschland wieder. In der Flüchtlingsunterkunft in Braunschweig, in der er untergebracht wurde, hielt er es nach sechs Monaten nicht mehr aus: „Erst war ich dankbar für einen Schlafplatz und Essen. Aber dann wurde mir klar, dass mein Leben so noch Monat um Monat weitergehen würde: isoliert in einem Lager, kein Busticket, keine Möglichkeit irgendwo hin zu kommen. Dazu die nagende Ungewissheit: Werde ich morgen wieder abgeschoben?“

Deshalb hat sich Alnour dem Protest in Berlin angeschlossen. Als Flüchtling aus Niedersachsen dürfte er hier gar nicht sein. Aber seine Hoffnung, so erklärt er, ist größer als die Angst vor der Strafe: „Wir kämpfen weiter. Wir haben so viele Unterstützer. Unsere Hoffnung auf ein besseres Leben und eine andere Asylpolitik können sie uns nicht nehmen.“

Livia Gerster

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