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Mustapha Adib vertritt den Libanon in Deutschland.

© Ulrike Scheffer

Botschaften in Pankow: "Seien Sie nicht ängstlich, Sie können das schaffen"

Der Botschafter des Libanon in Deutschland ist beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Deutschen in der Flüchtlingskrise.

Im Büro des Botschafters läuft ein französischer Nachrichtensender. Immer wieder werden Bilder von Flüchtlingen in Ungarn gezeigt. Mustapha Adib verfolgt die Ereignisse sehr genau, schließlich ist auch sein Heimatland, der Libanon, Teil des Dramas. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien haben 1,5 Millionen Menschen im Libanon Schutz gesucht. “Und das in einem kleinen Land wie dem unseren mit nur vier Millionen Einwohnern”, erklärt der Botschafter.

Eher unauffällig: Der Eingang zur libanesischen Botschaft in der Berliner Straße.
Eher unauffällig: Der Eingang zur libanesischen Botschaft in der Berliner Straße.

© Ulrike Scheffer

Adib ist ein großgewachsener Mann mit schwarzgrauen Haaren, der neben Arabisch fließend Englisch und Französisch spricht. Deutsch allerdings nicht. Zum blauem Hemd trägt er Krawatte, das Sakko hängt griffbereit am Kleiderständer. Eigentlich wollte er über die Arbeit der Botschaft berichten, über die Geschichte der libanesischen Vertretung in Pankow. Doch die aktuellen Geschehnisse, die Tatsache, dass nun täglich tausende Flüchtlinge über Ungarn und Österreich nach Deutschland einreisen, überlagert derzeit einfach alles andere. “Ich bin beeindruckt von der Hilfsbereitschaft in Deutschland”, sagt der Botschafter. Und er lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre mutige Entscheidung, die Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen.

Merkel und der Papst

Adib kennt die Kanzlerin. Hinter der Sitzgruppe aus schweren braunen Clubsesseln, in der er seine Gäste empfängt, stehen auf einer Anrichte jede Menge Fotos, die den Botschafter mit Politikern und Würdenträgern zeigen: mit Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Steinmeier, Papst Franziskus. Und Adib mag Deutschland, ganz besonders Berlin. “Ich lebe hier mit meiner Frau und meinen fünf Kindern, und sie alle lieben Berlin.” Pankow ist allerdings nur sein Arbeitsplatz, seine Residenz liegt in Dahlem. Dass Pankow auch das Dahlem des Ostens genannt wurde, wusste Adib nicht. “Aber es stimmt schon, Pankow ist sehr schön und vor allem sehr grün”, sagt er. Deshalb habe sich der Libanon nach der Wende auch entschieden, die Botschaft hier anzusiedeln.

Republikaner als Nachbarn

In der DDR hatte der Libanon seine Botschafterresidenz in der Pankower Esplanade eingerichtet, die Botschaft selbst lag in der heutigen Dorotheenstraße. 2000 zog die libanesische Botschaft dann in die alte Garbaty-Villa in der Berliner Straße. “Wir sind hier also in einem Haus mit Geschichte”, erklärt Botschafter Adib. Allerdings hätten im Nachbarhaus anfangs die Republikaner ihre Parteizentrale gehabt. “Doch der Spuk ist glücklicherweise vorbei. Jetzt ist dort ein Kindergarten untergebracht, zu dem wir gute Kontakte unterhalten.” Kindergarten und Botschaft, beide liegen etwas zurückversetzt, nutzen sogar dieselbe Zufahrt. Das Wächterhäuschen direkt an der Berliner Straße ist ohnehin verwaist.

Hier residierte einst Zigarettenfabrikant Josef Garbaty
Hier residierte einst Zigarettenfabrikant Josef Garbaty

© Ulrike Scheffer

Mustafa Adib und seine 26 Mitarbeiter in Berlin sind Anlaufstelle für eine große libanesische Gemeinde. Rund 114.000 Libanesen lebten in Deutschland und etwa 30.000 Palästinenser mit libanesischen Papieren, führt der Botschafter aus. “Aber das sind nur die offiziellen Zahlen, wahrscheinlich sind es mehr.” Denn der Libanon hat eine bewegte Geschichte. Auch jetzt ist das Land tief gespalten zwischen Anhängern des syrischen Regimes, das traditionell großen Einfluss auf den Libanon hat, und anti-syrischen Kräften. Die idyllischen Fotos auf den Fluren der Botschaft, die Landschaften und Stadtansichten mit schicken Straßencafés in Beirut zeigen, trügen. Anschläge, politische Morde und kriegsähnliche Zustände gehören seit langem zum libanesischen Alltag. Allein im libanesischen Bürgerkrieg in den 1970er und 1980er Jahren seien tausende Libanesen nach Deutschland geflohen, sagt der Botschafter. Aber auch danach kamen viele Libanesen und auch Palästinenser aus libanesischen Flüchtlingslagern. Die meisten seien heute gut integriert, sagt Adib, doch er räumt ein, dass es auch Probleme gibt. Was er meint, sind libanesische Clans und Großfamilien, die nicht nur in Berlin regelrechte kriminelle Netzwerke aufgebaut haben. “Ich will das nicht verteidigen, aber das ist nicht die Masse.”

Angst vor dem Winter

Der Libanon sei Deutschland bis heute dankbar, sagt Adib weiter. “Schon damals haben Sie hier die Tür offen gehalten für Menschen in Not.” Diesmal ist die Dimension freilich eine andere. “Aber es gibt doch keine Alternative, und das haben die Deutschen erkannt.” Das Foto des kleinen Ailan, der auf der Flucht ertrank und an den Strand von Bodrum anschwemmt wurde, habe vieles verändert, glaubt er. “Es gibt 100 Ailans in Syrien, jeden Tag gibt es solche Geschichten”, sagt Adib. Deshalb müsse die Weltgemeinschaft mehr tun, um Flüchtlingen zu helfen. “Sie hier in Europa können Flüchtlinge aufnehmen, Sie können helfen.” Länder wie der Libanon seien dagegen an ihre Grenzen gestoßen. “Stellen Sie sich vor, Deutschland müsste 20 oder gar 30 Millionen Menschen aufnehmen. Das entspräche den Verhältnissen im Libanon.” In den kommenden Monaten werde die Lage wieder besonders kritisch. “Wenn der Winter kommt und die Hilfsorganisationen weiter so unterfinanziert sind.”

Lob und Dankbarkeit

Tatsächlich halten viele Staaten ihre Zusagen für die Hilfswerke der UN nicht ein. Deutschland immerhin gehört nicht dazu. Das betont auch Mustapha Adib. “Deutschland unterstützt uns sehr, es verhält sich vorbildlich in dieser Krise.” Adib vernimmt aber auch die Stimmen in Deutschland, die vor einer Überforderung warnen und den Zuzug von Muslimen skeptisch sehen. Und er hat gehört, dass Merkel und andere Politiker sagen, Deutschland werde sich mit den Flüchtlingen verändern. “Ich denke, das ist positiv für Deutschland.”

Starke Wertegemeinschaft

Die deutsche Gesellschaft habe starke Werte und werde diese verteidigen, so der Botschafter. Deutschland habe schließlich eine lange Tradition, Menschen aufzunehmen und zu integrieren - nach dem Zweiten Weltkrieg und auch später. “Der Schlüssel für die Integration sind Sprache und Arbeit. Das ist das Wichtigste.” Menschen aus anderen Kulturen brächten zusätzliche Werte mit, die Deutschland bereichern könnten. “Meine Botschaft lautet: Seien Sie nicht ängstlich, Sie können das schaffen.”

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