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Bezirksstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann.

© Kitty Kleist-Heinrich

Bezirksstadträtin Monika Herrmann: „Über Prävention wird nur geredet“

Nach dem Tod der kleinen Zoe fordert die Bezirksstadträtin Monika Herrman ein koordiniertes Vorgehen von Land und Bezirken. Betreuungsangebote für Kinder würden "sträflich heruntergefahren".

Fehlgeleitete Personalpolitik in den Jugendämtern, sträflich vernachlässigte Prävention in der Familienförderung sowie falsch gelegte Prioritäten – nach dem tragischen Todesfall der kleinen Zoe aus Weißensee fordert die Bezirksstadträtin für Familie, Gesundheit, Kultur und Bildung in Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), eine gemeinsame Kommission der Bezirke und des Landes zur Lösung der Probleme im Bereich der Familienhilfe.

Die Stadträtin stellte sich hinter die Chefin des Kinderschutzbundes Berlin, Sabine Walther, die die schlechte Personalausstattung der Jugendämter als eine Ursache für die „Fehleranfälligkeit“ bei der Betreuung von Problemfamilien genannt hatte. Von einem „unverantwortlichen Zustand“ bei den Jugendämtern spricht auch Herrmann. „Die Mitarbeiter sind älter und frei werdende Stellen können wir oft nicht besetzen.“ Der Grund: Die Bezirke müssen sich bei der Besetzung von Posten aus dem Stellenpool des Senats bedienen. Doch dort gibt es keine Sozialarbeiter. Alternativ bleibt nur die Abwerbung öffentlicher Bediensteter anderer Bezirke – „dadurch kannibalisieren wir uns gegenseitig“, sagt Herrmann.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg liegt im Sozialranking Berlins an drittletzter Stelle. Dennoch sagt Herrmann: „Die Zuweisung der Mittel für die Hilfe zur Erziehung durch den Senat geht in Ordnung.“ Fraglich sei aber, ob die pauschalen Beträge in den Bezirken tatsächlich bei den Jugendämtern ankommen – oder ob ein Teil des Geldes für andere Zwecke ausgegeben wird. Offene Kritik am Senat übt Herrmann dahingehend, dass „über Prävention nur geredet wird“, der Senat eine entsprechende Familienförderung aber nicht finanziere. Friedrichshain- Kreuzberg gibt für Familientreffpunkte mit Erziehungskursen 1,5 Millionen Euro aus. „Das ist so viel, wie der Senat im ganzen Land für diese Leistungen verwendet“, sagt die Stadträtin. Die Treffpunkte seien stark nachgefragt und unterstützten etwa überforderte Alleinerziehende.

Risikofaktor Armut kann zu Verwahrlosung und Gewalt an Kindern führen

Zu den wichtigsten Risikofaktoren, die zu Verwahrlosung von Haushalten und Gewalt an Kindern führen, zählt Hermann zufolge Armut. Nach der jüngsten Bertelsmann-Studie, deren Ergebnisse sich mit den Ergebnissen der statistischen Landesämter decken, ist Berlin neben Bremen am stärksten von Kinderarmut betroffen: Bei den unter Dreijährigen sind es 36,3 Prozent, mehr als jedes dritte Kind. Die Hartz-IV-Quote bei Kindern unter 15 Jahren lag im Jahr 2010 bei 34,7 Prozent, mehr als doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt (15,1 Prozent).

Und auch die Zahl der besonders krassen Fälle von Vernachlässigung, die zu „Inobhutnahmen“ durch Ämter zwingen, nehmen zu. Dem Statistischen Landesamt zufolge haben sich die gerichtlichen Schritte zum Entzug der elterlichen Sorge innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppelt: von 383 auf 846 Fälle. In Brennpunktbezirken wie Neukölln verfünffachte sich diese Zahl sogar. Auch der „Berliner Notdienst Kinderschutz“ wird immer häufiger beansprucht. Beratungen, Krisenintervention und Inobhutnahmen nahmen im vergangenen Jahr um 5,8 Prozent im Vergleich zu 2010 zu.

Nach Auffassung von Bezirksstadträtin Herrmann sollte eine Kommission aus Bezirken und Senat Qualität und Umsetzung der Kinder- und Familienberatung, der Notdienste und der Betreuungsangebote diskutieren. „In einigen Bezirken wird die Jugendhilfe sträflich heruntergefahren“, sagt sie. Genügend Personal sei andererseits kein Garant dafür, dass tragische Fälle wie Zoe ausgeschlossen sind: In Pankow seien die Stellen ordentlich besetzt.

Tragen Jugendamt oder soziale Träger eine Mitverantwortung am Tod der kleinen Zoe? „Im Augenblick wird nicht gegen die Einrichtungen ermittelt“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Simone Herbeth. Das könne sich ändern, falls sich ein Anfangsverdacht für strafbare Versäumnisse ergeben sollte. Gegen die Mutter und ihren Lebensgefährten laufen Ermittlungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Zoe starb an einem Darmriss, der zu einer Bauchfellentzündung führte.

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