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Berlin: Bloßes Vergnügen

Die Kristall-Saunatherme Ludwigsfelde ist etwas Besonderes: das europaweit größte FKK-Bad

Ein großes Thermalbad voller nackter Menschen – das lässt offenbar alle Hemmungen schwinden. Auf alle Fälle sah sich die Kristall-Saunatherme Ludwigsfelde veranlasst, in ihre Hausordnung ein paar deutliche Worte aufzunehmen: „Damit Ihr Verhalten gegenüber den anderen Gästen und unseren Mitarbeitern keinen Anstoß finden, bitten wir Sie, alle Zärtlichkeiten, die über einen Kuss hinausgehen, für zu Hause aufzusparen.“ Kein anderes Erlebnis- und Gesundheitsbad fiel bislang mit solch einem direkt formulierten Hinweis auf. Bei den beiden anderen Brandenburger Anlagen der Kristall-Unternehmensgruppe in Bad Wilsnack und Lübbenau ist ein solcher Passus im Regelwerk nicht zu finden. Doch die im Frühjahr 2006 eröffnete Thermen- und Saunalandschaft am Rande der Automobilstadt Ludwigsfelde ist auch etwas ganz Besonderes: eben eine richtige FreiKörper-Kultur-Therme. Will heißen: In den Saunen und Dampfbädern sowie in den Pools und im Wellness-Bereich ist die Badebekleidung abzulegen.

Nirgendwo sonst in Deutschland, ja nirgendwo europaweit, gibt es täglich Freikörperkultur unter einem so großen Hallendach. Die Gäste finden in Ludwigsfelde mehrere warme Becken, acht Saunen im Innenbereich, weitere vier im angrenzenden Blockhüttendorf, außerdem zwei Dampfbäder, einen osmanischen Hamam und allerlei Räume für Massagen und kosmetische Behandlungen.

Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die ayurvedischen vierhändigen Massagen, die Körper, Geist und Seele wieder zu einer Einheit zusammenführen sollen. Dafür reicht die 30-minütige Behandlung zwar meist nicht aus. Aber zumindest ein ganz besonderes Gefühl des Wohlbefindens stellt sich bei den kreisenden und aufeinander abgestimmten Bewegungen auf der mit warmen Öl vorbereiteten Haut ein.

Im Bad selbst findet der vielerorts übliche Kampf um freie Liegen zu keiner Zeit statt, bei mehr als 1000 Exemplaren dürfte das Platzfinden auch kein Problem sein.

Es gehört schon zu den vielen Brandenburger Merkwürdigkeiten, dass sich die Ludwigsfelder Stadtoberen ausgerechnet für ein textilfreies Bad als Ersatz für ihre alte Schwimmhalle entschieden haben. Dem ging eine kontroverse Diskussion voraus, die im Übrigen immer noch nicht abgeschlossen ist, wie die Einträge im Gästebuch auf der offiziellen Internetseite der Kleinstadt beweisen. Gerade Einheimische äußern darin eine gewisse Scheu, den Nachbarn, Bekannten, die Verkäuferin aus dem Laden an der Ecke oder den Vorgesetzten beziehungsweise unterstellten Mitarbeiter hüllenlos zu treffen. Etwas sarkastisch bewertet ein Mann in dem Gästebuch das mit Badebekleidung benutzbare Sport-Schwimmbad in einem abgetrennten Block der Therme: „Das Sportbecken ist sozusagen das Stückchen Brot, das man den Einheimischen hinwirft, damit sie zufrieden sein können.“

Die Mehrzahl der Besucher kommt ohnehin aus Berlin in die FKK-Therme. In der Hauptstadt hat sich das besondere Angebot schnell herumgesprochen. Das Kristallbad in Lübbenau beispielsweise leidet schon unter der Konkurrenz. Viele bisherige Stammgäste des dortigen Sauna-Dorfes fahren jetzt nach Ludwigsfelde. „Hier muss man sich beim Wechsel zwischen Sauna und Thermalbecken wenigstens keine Badehose anziehen“, sagt ein Besucher der Eukalyptus-Sauna Ludwigsfelde. Außerdem findet er gut, dass man zwischen den einzelnen Bereichen keine besondere Sperre passieren muss.

Zufrieden mit der Resonanz auf das FKK-Experiment zeigt sich Geschäftsführerin Jeanette Wachenhausen. „Die Besucher fühlen sich einfach freier und ungezwungener“, sagt sie. „Das hebt die Stimmung, was wiederum unser größter Pluspunkt ist.“

Mittwochs und sonntags seien gemischte Tage, an denen die Therme Badebekleidung erlaube. Viele Gäste nutzten diese Tage für einen Testbesuch. Beim nächsten Mal stehe dann die Entscheidung auch schon fest: „Die Badehose oder der Badeanzug bleiben zu Hause – oder zumindest im Garderobenschrank.“

Zum Flanieren – die Ludwigsfelder Badewelt ist einer Piazza in einer süditalienischen Kleinstadt nachempfunden – empfiehlt sich allerdings ein Bademantel oder zumindest ein großes Handtuch. Und mindestens so bekleidet sollte man auch das Restaurant betreten.

Für Familien mit Kindern ist die Therme nur mit Einschränkungen zu empfehlen. Es gibt keine Rutschen und keinen Bereich zum Planschen. Das, heißt es, würde den gewünschten Erholungseffekt der meisten Besucher stören. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt schließlich bei fünf Stunden, auch wenn sich die Gäste zuerst oft für das Drei-Stunden-Ticket entscheiden.

Vor allem die Saunen mit ihren 19 verschiedenen Aufgüssen verlangen nach Ruhe. Dabei können sich Frauen und Männer zur gleichen Zeit unterschiedliche Aufgusszeremonien gönnen: „Die zarteste Versuchung“ ist für Damen da. Und „Selbst ist der Mann“ heißt das Gegenangebot. Der Aufguss für den Herrn erfolgt unter Anleitung, wie Geschäftsführerin Jeanette Wachenhausen ergänzt. Mehr verrät sie nicht. Selber ausprobieren, findet sie.

Und auch zu den genauen Gründen für den „Zärtlichkeiten-Paragrafen“ in der Hausordnung schweigt sie lächelnd. Bei unserem Testaufenthalt fiel nichts und niemand unangenehm auf.

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