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Die Unterstützer des Protestcamps kritisieren, dass das Ordnungsamt die Flüchtlinge mit allen Mitteln vom Platz vor dem Brandenburger Tor vertreiben wolle.

© Marc Röhlig

Update

Brandenburger Tor: Flüchtlinge beenden Hungerstreik

Seit sechs Wochen demonstrieren Flüchtlinge am Brandenburger Tor für eine neue Asylpolitik. Ihren Hungerstreik wollen sie nun beenden und so "neue Kraft schöpfen". Diese werden sie brauchen: Ihr Wärmebus wurde auf Geheiß des Ordnungsamtes aus der Nähe des Camps versetzt.

Am Sonntag gaben die Flüchtlinge bekannt, ihren seit mehreren Wochen andauernden Hungerstreik zu beenden. Sie müssten diesen Schritt gehen, um "neue Kraft" für den weiteren Protest zu sammeln. Seit knapp sechs Wochen demonstrieren die Flüchtlinge aus ganz Deutschland am Pariser Platz und fordern eine erhebliche Verbesserung des Asylrechtes. 13 Mann, vor allem aus Iran und Afghanistan, sind derzeit noch im Camp. Besucht man sie, dann sieht man vor allem geschwächte, aber auch dankbare Gesichter. Viele Unterstützer kommen vorbei und helfen mit Kleider- und Getränkespenden.

Am Sonntag feierten rund 50 Menschen mit den Flüchtlingen ein "antirassistisches Baumfest". Das Fest ist eine Konkurrenzaktion zur feierlichen Illumination des offiziellen Weihnachtsbaumes am Pariser Platz. Die Demonstranten stellten eine umgekehrte Tanne auf, an die Besucher ihre Wünsche für die Flüchtlinge heften können.

Am Freitagabend hatte das Ordnungsamt Mitte mit Unterstützung der Polizei einen Bus umsetzen lassen, in dem sich die Demonstranten zum Aufwärmen aufhalten konnten. Der Bus stand bisher am Pariser Platz unmittelbar neben dem Flüchtlingscamp. Nun wurde er in rund 300 Metern Entfernung in die Straße des 17. Juni gefahren. Unterstützer der demonstrierenden Flüchtlinge kritisieren nun den Ablauf der Räumungsaktion: Demonstranten seien verletzt worden und der Bus wurde unbrauchbar gemacht.

Der Berliner Abgeordnete Oliver Höfinghoff (Piraten) war anwesend und hat den Einsatz gefilmt: "Die Menschen wurden am Kinn weggeschleift anstatt beiseite getragen", sagt Höfinghoff. Es sei erschreckend, wie die Polizei ihre Prioritäten setze, die Geschwindigkeit des Einsatz stehe über der Gesundheit der Beteiligten. Polizeisprecher Stefan Redlich weist diese Kritik gegenüber dem Tagesspiegel entschieden zurück. Er spricht hingegen von einer Sitzblockade, die aufgelöst wurde, indem man die Personen normal "weggetragen" habe. Auch Strafanzeigen gegen den Polizeieinsatz seien bisher nicht gestellt worden.

Die eigentliche Umsetzung des Busses wurde durch ein Abschleppunternehmen durchgeführt. Der Bus wurde hierzu vom Unternehmen kurzgeschlossen und dann vom Pariser Platz gefahren. Am neuen Standort ordnete die Polizei auf Eigeninitiative an, ein mögliches Wegfahren des Busses zu verhindern, nachdem Demonstranten den Beamten damit gedroht hatten, den Bus zum Pariser Platz zurückzufahren. Laut Polizeisprecher Redlich nahmen Mitarbeiter des Abschleppdienstes eine "technische Veränderung" am Bus vor, die ein Starten des Fahrzeuges nun verhindert.

Höfinghoff sagt, dass Kontaktkabel an der Busunterseite entfernt wurden, die nun auch das Beheizen des Tourbusses unmöglich machen. "Sie hätten uns auch nach dem Schlüssel fragen können", sagt Höfinghoff, stattdessen habe die Polizei wissentlich die Sabotage des Busses umgesetzt. Redlich hält entgegen, dass "mildere Mittel" leider nicht ausgereicht hätten, um den Bus am neuen Standort zu sichern.

"Es ist, als könnten wir nicht reden", beschreibt Amir Hossain seinen Protest. Er meint nicht die Sprachbarriere. Er meint, dass egal, was die Flüchtlinge sagen, es werde von der Öffentlichkeit nicht gehört. Der 21-jährige Iraner ist seit den sechs Wochen beim Flüchtlingscamp dabei, er ist aus einem Flüchtlingsheim in der Oberpfalz nach Berlin gekommen. Er weiß nicht, was ihn im Iran erwarte, falls er zurückkehre - mit der Todesstrafe rechne er, weil er ein Regimegegner ist. Aber gerade das ist es, was ihn am Brandenburger Tor aushalten lässt. "Es gibt doch für mich kein zurück", sagt Amir.

Mit denn 13 anderen Flüchtlingen harre er derzeit noch am Pariser Platz aus. Andere Demonstranten sind an einem Camp am Oranienplatz untergekommen. Die Nächte verbringen die Flüchtlinge schon seit einigen Tagen in dem Bus, den ein Berliner Busunternehmen zur Verfügung gestellt hat, das anonym bleiben möchte. Es ist ein Tourbus, wie er von Bands benutzt wird. Jeder Flüchtling hat sich eine Schlafnische eingerichtet. Im Bus ist es sehr düster, Gardinen sind zugezogen, kleine Kerzen schimmern. Die Unterstützer der Flüchtlinge haben Generatoren herbeigeschafft, um Heizungen im Innern zu betreiben. Alles, was wir erreichen wollen, sagt Amir, sei "so gleich zu sein, wie alle anderen Menschen auch".

Dass ein Wärmebus in der Nähe des Flüchtlingscamp stehen darf, war zuvor vom Ordnungsamt Mitte "ausnahmsweise" geduldet worden, teilte der Bezirksstadtrat für Ordnung, Carsten Spallek (CDU), dem Tagesspiegel mit. Allerdings sei den Demonstranten von vornherein nur das Parken des Busses in der Straße des 17. Juni beziehungsweise der Ebertstraße angeboten worden - die Positionierung am Pariser Platz war unrechtmäßig, so Spallek.

Auf Protestseite herrscht dennoch Unverständnis darüber, warum der Bus nun in einer Eilaktion versetzt wurde. "Die Berliner Behörden interessiert nur, ob es am Pariser Platz schön aussieht", sagt Höfinghoff. Er mutmaßt, dass der Bus mit den Flüchtlingen für die Illumination der Tanne weichen musste. Es wäre ein Signal, dass soziale Kälte lähmender sein kann als winterliche Kälte.

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