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Berlin: Britt Kanja: Philosophische Party-Elfe

Fünfzig. Das ist ein Alter, das zu Vater und Mutter passt.

Fünfzig. Das ist ein Alter, das zu Vater und Mutter passt. Sicher auch zu Tante Gertrud, vielleicht auch zu Oma Lisbeth. Fünfzig Jahre passen aber ganz und gar nicht zu einer Partygröße des Berliner Nachtlebens. Schuld daran ist vielleicht auch die Tatsache, dass ausgerechnet Britt Kanja, nach wie vor wichtigste Party-Elfe der Stadt, am 16. August dieses Alter erreicht, in dem exzessives Nachtleben mit Champagnerpartys und Tabledancern höchstens noch eine fahle Reminiszenz vergangener Jahrzehnte ist. "Es ist schon irgendwie verrückt, fünfzig zu werden", sagt sie selbst. "Mir war das eigentlich noch gar nicht so richtig bewusst, obwohl ich ich ja kein Theater um mein Alter mache."

Britt Kanja ist eine der schillernderen Figuren dieses Lebens in Berlin, seitdem sie in den späten achtziger Jahren gemeinsam mit Bob Young die "Tanzstelle" an verschiedenen Orten in Berlin inszenierte, bis sich das Geschehen schließlich im 90 Grad in der Schöneberger Dennewitzstraße etablierte. Britt war nie Mitinhaberin. Eigentlich war das 90 Grad nur als Provisorium gedacht, für drei Monate. Doch dann entwickelte sich der neue Club so heftig, dass schon bald eine Institution daraus wurde. Bob Young hat dem 90 Grad längst den Rücken gekehrt. Vor knapp zwei Jahren haben die beiden Hamburger Nils Heiliger und Frank Schulze-Hagenest den Laden übernommen, lassen Ariane Sommer auf dem Tresen tanzen und Edel-Partys veranstalten. Britt Kanja ist bis heute dem Club treu geblieben und gibt dort allmonatlich die Gastgeberin für Freitags-Partys, die bei Clubgästen die Erinnerungen an das "alte" 90 Grad wach hält.

Sie lebt allein in einer vollgestellten Wohnung voller Putten und Buddhas in Charlottenburg; in ihrem Wohnzimmer mit Kanapee und Chaiselongue ist der Dielenboden gold lackiert. Auch das wohl ein eher ungewöhnliches Ambiente für eine fast Fünfzigjährige - aber auch ein Kennzeichen für ihren ungewöhnlicher Lebensweg.

Aufgewachsen ist sie in Schlachtensee, ein Teil ihrer Jugend verbrachte sie auch bei Verwandten in Nordnorwegen - "bis ich in die Pubertät kam und denen zu gefährlich wurde". Sie hat früh angefangen zu tanzen, lernte Jazz-Tanz im Studio von Marianne Kipp und Feiern in den Schwulenläden Berlins. Mit zwanzig wurde sie professionelle Tänzerin und zog sieben Jahre lang mit einem Partner durch die Kabaretts Europas, bis sie schließlich einen wohlhabenden Amerikaner kennen lernte, heiratete und ihn in seine Heimat begleitete.

In Kalifornien lebte sie das Leben einer reichen Ehefrau, gab Yoga-Unterricht und studierte nach einer Krankheit Ernährungswissenschaften, um sich selbst kurieren zu können. Als sie zweiunddreißig war, wurde die Ehe annulliert und sie zog zurück nach Berlin - ohne einen Anteil am Vermögen ihres ehemaligen Mannes im Gepäck. "Ich würde nie einen Mann verklagen, um Geld zu bekommen", sagt sie. "Das gibt ein schlechtes Karma. Solche Sachen liegen nicht auf meinem Weg."

Und auch wenn sie sich in Kreisen der Schickeria bewegt, ist sie selbst nicht reich und hat ein distanziertes Verhältnis zu materiellem Wohlstand. "Reichtum bedeutet für mich das Umsetzen von lebensbereichernden Ideen", behauptet sie. Und so muss sie sich dann wohl doch wohlhabend vorkommen, denn ihr Motto umzusetzen, das ist ihr zumindestens gelungen.

Als sie zu Beginn der 80er wieder in ihre Heimatstadt kam, sei das ein richtiger Kulturschock gewesen, sagt sie - die Kälte der Menschen und ihre No-Future-Einstellung ließen sie sich nach dem sonnigen Kalifornien sehr fremd fühlen. "Ich habe mir gedacht, dass ich mehr Freude in die Stadt bringen muss." Der Rest ist Club-Geschichte. Dabei möchte Britt dieses "Party-Ding" eigentlich gar nicht auf ihre Fahne geschrieben wissen. "Ich führe Menschen zusammen", sagt sie. "Und dass ich Party mache, weiß sowieso jeder."

Und so schwebt ihr auch langfristig vor, sich aus dem aktiven Nachtleben zurückzuzihen, vielmehr möchte sie ein Forum für "Menschen, die einen anderen Zeitgeist als den herkömmlichen verkörpern" initiieren. Die verschiedensten Bereiche - Philosophie, Wissenschaft und Kunst - sollen dort zusammenkommen. Das schwebt ihr vor. "Mir geht es im Grunde um das Zusammenwirken; das ist der Sinn meines Seins", erklärt sie. "Man könnte denken, ich bin bekloppt, aber das ist wirklich mein Anliegen." Und wollen wir nicht alle gerne an unsterbliche Elfen und wundersame Nachtgeschöpfe samt ihrem magischen Zauber glauben?

Alexander Pajevic

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