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Das Thema Bürgerbegehren ist in Berlin besonders sensibel.

© dpa

Bürgerbegehren in Berlin: Wo bleibt die direkte Demokratie?

Der Senat kündigt mehr Bürgerbeteiligung an – handelt aber ganz anders.

Von Sabine Beikler

Statt bloß alle paar Jahre einmal zur Wahl zu gehen, will sich der aktive Bürger heute projektbezogen einmischen. Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld hat das im abgelaufenen Jahr eindrucksvoll gezeigt: Das Mobilisierungspotenzial ist da. Im neuen Jahr sollen die Berliner über die Frage der Berliner Olympiabewerbung entscheiden. Der Senat plane dazu eine Volksbefragung, bekräftigte der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller jüngst. Und das Ergebnis werde man als verbindlich ansehen.

Hat die Landesregierung also aus dem Tempelhof-Debakel gelernt? Mit ihren Plänen für eine Randbebauung des Feldes ist sie jedenfalls am Willen des Volkes gescheitert. Auch bei weniger prominenten Bauvorhaben wollen die Berliner gerne mitreden, zum Beispiel als Anwohner. Gegen die geplante Bebauung der Buckower Felder hatte sich auch schon Widerstand formiert, doch hier hat der Senat wie berichtet kurzerhand die Planung an sich gezogen. Den Widerstand machte er damit zwecklos.

Sensibles Thema Bürgerbegehren

Für Oliver Wiedmann, Sprecher des Landesverbands von „Mehr Demokratie“ e. V., ist dies ein „Aushebeln des Bürgerbegehrens“. Das passe nicht zu der Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), nach Tempelhof bei Bauplanungen mehr Bürgerbeteiligung zuzulassen: „Mit der Brechstange will man Wohnungsbaupolitik durchsetzen, ohne in den Dialog mit den Bürgern zu treten“, klagt Wiedmann.

Dabei war es Müller, der sich als Stadtentwicklungssenator nach der Niederlage auf dem Tempelhofer Feld mehrfach dazu bekannt hatte, neue Formen von Bürgerbeteiligung zu finden, um die Akzeptanz von Planungen zu verbessern. Rechtlich gesehen sind Bürgerbegehren zum Bezirkshaushalt oder zur Bauleitplanung nicht verbindlich.

„Mehr Demokratie“ fordert dagegen Rechtsverbindlichkeit und kritisiert das „Eingriffsrecht“ des Senats wie bei den Buckower Feldern. Ein weiteres Bürgerbegehren gegen die Bebauung des Freudenberg-Areals in Friedrichshain-Kreuzberg läuft noch: Die Initiative will eine Reduzierung der geplanten 600 bis 700 Wohnungen auf 300. Bis Ende November wurden 3500 Unterschriften gesammelt, bis Mitte Februar soll weitergesammelt werden. Weitere Bürgerbegehren gegen Bauvorhaben sind in Planung, etwa die „Mauerpark-Allianz“ und das „Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde-Süd“.

Drei Prozent im Bezirk

Berlin war das letzte Bundesland, in dem 2005 Bürgerbegehren und Bürgerentscheide eingeführt wurden. Auf bezirklicher Ebene gab es bisher 36 Bürgerbegehren, von denen elf in Bürgerentscheide mündeten. Laut Gesetz müssen drei Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk per Unterschrift innerhalb von sechs Monaten das Begehren unterstützen. Ist dieses erfolgreich, muss innerhalb von vier Monaten ein Bürgerentscheid stattfinden, soweit die Bezirksverordnetenversammlung das Begehren nicht binnen zwei Monaten annimmt. Ein Entscheid ist dann erfolgreich, wenn ihn zehn Prozent der Wahlberechtigten angenommen haben.

Im August 2014 war in Treptow-Köpenick der Bürgerentscheid gegen die vom Bezirksamt geplante Parkraumbewirtschaftung in der Köpenicker Altstadt rund ums Rathaus erfolgreich. Mit über 20-prozentiger Beteiligung wurde das Quorum von zehn Prozent mit knapp 38 000 Stimmen erreicht. Der Entscheid war rechtlich nicht bindend, doch der Bezirk übernahm das Ergebnis.

Der Bürgerentscheid zur „Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ im Mai 2014 war mit 77 Prozent der Jastimmen in Charlottenburg-Wilmersdorf ein starkes Zeichen für die Erhaltung der Schmargendorfer Laubenkolonie Oeynhausen. Doch gerettet ist die seit Jahren bedrohte Kolonie noch nicht. Es geht vor allem um den Schadensersatz, den die privaten Grundstückseigentümer fordern, falls sie 700 geplante Wohnungen nicht bauen dürfen.

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