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Jetzt geht die Arbeit richtig los. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) war zunächst lange mit der Personalie Andrej Holm beschäftigt.

© Kai-Uwe Heinrich

Bürgerdialog mit Lompscher: Wie Berlin wächst und sozial bleiben kann

Katrin Lompscher muss als Senatorin die wachsende Stadt verwalten. Wie es dabei sozial zugehen kann und wie neue Quartiere lebenswert bleiben, erzählte sie in der Urania.

Wie angespannt der Berliner Wohnungsmarkt ist, kann Katrin Lompscher am Donnerstagabend bereits am Andrang erkennen, vereinzelt gar an lautstarken Zwischenrufen. Mehr als 400 Menschen sind in die Urania gekommen, sie müssen teilweise in den Gängen stehen. 90 Minuten lang hören sie, wie die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen die Ziele der Mieten- und Wohnungspolitik des rot-rot-grünen Senats erklärt. Lompscher (Die Linke) sagt gleich zu Beginn: „Die Erwartungen werden immer größer sein, als die Politik sie realisieren kann. Auch Bauen geht nicht von heute auf morgen.“ Dabei müsste es das – angesichts von 60 000 Neubürgern allein im vergangenen Jahr (siehe Artikel rechts). Die Urania, die Architektenkammer und der Tagesspiegel hatten zur Debatte zum Bauen und Wohnen geladen. Mit Lompscher diskutierten Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, sowie Vorständlerin Bärbel Winkler-Kühlken sowie Gerd Nowakowski, Leitender Redakteur des Tagesspiegels.

Neue Quartiere für beteiligte Bürger

Natürlich ist der Wohnungsbau das dominierende Thema des Abends. Flankiert von der Schulsanierung und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist es eines der anspruchsvollsten Ziele der rot-rot-grünen Koalition. Der Bestand der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften soll in den kommenden fünf Jahren um 55 000 Wohnungen wachsen. 6000 Wohnungen sollen jährlich neu errichtet werden, in dieser Legislaturperiode mindestens 30 000. „Damit wir diese hohen Zahlen erreichen, benötigen wir eine kontinuierliche Zufuhr von Grundstücken aus landeseigenem Besitz. Gerade für innerstädtische Grundstücke braucht es die Partizipation der Anwohner von Anfang an“, sagte Lompscher.

Kritiker attestieren, dass die Anzahl der Wohnungen kaum reiche, um den rasant steigenden Mieten und dem Wachstum der Stadt zu begegnen. Ein Fehler sei es laut Lompscher dennoch nicht gewesen, Areale wie die hoch umstrittene Elisabeth-Aue, auf der 5000 Wohnungen entstehen sollten, doch erst mal unberührt zu lassen. Elf neue Stadtquartiere sollen entstehen. „Die Realisierungszeiten werden sehr unterschiedlich sein“, sagte die Senatorin. Einige Quartiere müssten erst erschlossen werden, andere wie das Projekt in der Michelangelostraße sind umstritten. Dämpft Partizipation nicht sogar die Entwicklung neuer Vorhaben? Das Quartier in Pankow bezeichnet Lompscher als klassisches Beispiel falschen Vorgehens. „Wenn man so ein Projekt entwickelt, ohne Position zu beziehen, muss man sich in einer Stadt wie Berlin nicht wundern, wenn der Widerstand wächst“, sagte Lompscher.

Vernünftige Preise für soziale Wohnungen

Rot-Rot-Grün plant auch, den Anteil von Sozialwohnungen in landeseigenem Besitz auf 50 Prozent zu erhöhen. Die derzeit bestehenden 117 000 Sozialwohnungen unterschreiten diesen Wert jedoch deutlich. Zuletzt wurden gut 1000 neue Sozialwohnungen im Jahr fertiggestellt. 2800 Wohnungen verlieren dieses Jahr hingegen ihren Sozialstatus. Dazu gilt ein Drittel des Bestandes als fehlbelegt, da ihre Mieter zu viel verdienen. „Allein über den Neubau werden wir unsere Ziele nicht erreichen“, sagte Lompscher. Nicht alles stehe jedoch in der Macht des Landes. „Vor allem bundesrechtliche Schranken halten uns davon ab, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Modernisierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen sind die größten Mietpreistreiber im Bestand“, so die Senatorin.

Lompscher führte auch die neue Gesellschaft öffentlichen Rechts ins Feld, die sie vor wenigen Wochen vorgestellt hatte. Sie soll die landeseigenen Wohnungsunternehmen auf Sozialkurs bringen. Ist dies mehr als Symbolpolitik?, fragte Tagesspiegel-Moderator Gerd Nowakowski. „Es ist ein Experiment“, betont die Senatorin erneut. Die Koalition hätte diese jedoch arbeitsfähig gemacht, deren Fachbeirat würde sich in wenigen Tagen konstituieren. Die neue Gesellschaft soll dem Senat anzeigen, wie die landeseigenen Wohnungsunternehmen mehr zum sozialen Erhalt der Quartiere sowie zum Schutz von Geringverdienern vor Verdrängung tun können. Auch partizipativ solle sie wirken. „Man kann von dieser Anstalt keine Wunder erwarten“, so Lompscher. „Für mehr Neubau und Erhalt des sozialen Bestands bedarf es aber eben auch neuer Akteure.“

Hohe Häuser in kleinen Lücken

Später kommt auch das Publikum zu Wort. Viele Fragen beziehen sich auf die Nachverdichtung in den innerstädtischen Lagen. Eine Frau mittleren Alters fragt angesichts des Baugeschehens im Schöneberger Norden etwa nach einer festen Obergrenze. Auch Edmaier und Winkler-Kühlken werfen ein, dass der Erhalt der Lebensqualität trotz Nachverdichtung nicht vernachlässigt werden dürfe. Lompscher versucht, zu beruhigen: „Nachverdichtung kann gut gemacht sein. Wir wollen auch keinesfalls zurück zur Mietshausstadt des 19. Jahrhunderts.“ Gleichzeitig müsse in die Qualität von Parks investiert werden. Da die meisten Wohnungen in bereits bestehenden Gebieten errichtet werden, sei es auch eine große Herausforderung, dort den Nahverkehr mitwachsen zu lassen.

Lompscher sagte auch: „Hochhäuser sind keine Antwort auf ein Problem der sozialen Wohnraumversorgung.“ Mit diesen ließen sich städtebauliche Akzente setzen. „Wir müssen dann allerdings über die Gestaltung des öffentlichen Raums und Angebote in den Gebäuden sprechen.“ Gerade erst setzen sich die Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus für einen Plan ein, der den Bau neuer Hochhäuser regelt. Als Beispiel nannte die Senatorin die Alte Mitte, wo derzeit Turmbauten von 150 Metern Höhe entstehen.„Am Alexanderplatz halte ich eine Begrenzung auf 120 Metern Höhe für geeignet. Es gibt allerdings Baurecht, das habe ich zu akzeptieren.“

Gegen Ende der Veranstaltung wagte Lompscher eine weitere Sicht – über die Stadtgrenzen hinaus. „Es gibt Grenzen des Wachstums in Berlin, gerade für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Es wäre falsch, die Entwicklungsmöglichkeiten von Brandenburg nicht mitzudenken.“

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