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PR war gewünscht und dann doch zu viel. Die Flüchtlinge blieben im Bus.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Update

Busfahrt vom Kanzleramt nach Landshut: Flüchtlinge wieder in Bayern angekommen

Um die Kanzlerin unter Druck zu setzen, reisten 31 Syrer von Landshut nach Berlin. Jetzt sind sie wieder zurück - die PR-Aktion der Freien Wähler ärgert die Syrer. Mit Medien sprechen sie nach ihrer Rückkehr nicht.

Der Bus ist von Berlin wieder in Bayern angekommen, gegen Nachmittag soll er in Landshut ankommen. Die Männer erreichten am Freitagnachmittag Landshut, wie ein Sprecher von Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Den Angaben zufolge wollten die 29 Flüchtlinge, die alle als Asylbewerber anerkannt sind, nach ihrer Ankunft nicht mit den Medien sprechen. Sie wurden direkt in ihre Unterkünfte gebracht. Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) hatte aus Protest gegen fehlende Unterbringungsmöglichkeiten in seinem Landkreis die Flüchtlinge nach Berlin gebracht.

Von der 31-köpfigen Gruppe seien nur zwei im Norden geblieben, sagte der Pressereferent des Landshuter Landratsamts, Elmar Stöttner, dem Tagesspiegel am Freitag. Ein Mann blieb in Berlin, einer will nach Bremen - beide hätten wohl über Angehörige Unterkunftsmöglichkeiten gefunden. Die anderen müssten nun wieder im Landkreis untergebracht werden. Oder wollen das.

Flüchtlinge wollen in große Städte

Zwar sind große Städte wie Berlin interessant für Flüchtlinge - aber die hier zur Verfügung stehenden Notunterkünfte sind eben offenbar im Vergleich zu den Gemeinschaftsunterkünften in Bayern nicht so attraktiv. So reisten 29 von 31 Menschen wieder gen Süden. Landrat Dreier sagte SWRinfo, die zurückkehrenden Flüchtlinge seien "maßlos enttäuscht, weil sie in der Erwartung nach Deutschland kommen, Bundeskanzlerin Merkel hilft ihnen". Die Flüchtlinge wollten in große Städte. "Und diese Erwartungen werden nicht erfüllt."

Dreier wies den Vorwurf zurück, die aus Syrien stammenden, bereits anerkannten Flüchtlinge einfach nur loswerden zu wollen. "Wenn ich sie loswerden wollte, dann wären sie jetzt obdachlos, dann hätten wir sie auf die Straße gesetzt in Berlin." So unsozial sei er nicht. Die Aktion Dreiers hatte für breite Kritik von Bundes- und Landespolitikern gesorgt. Einige Syrer selbst fühlten sich aber Beobachtern zufolge auch als politischer Spielball missbraucht, irgendjemand muss ihnen auch gesagt haben, dass sie in Berlin womöglich Wohnungen bekämen - aber das habe ihnen der Landrat auf keinen Fall in Aussicht gestellt, sagte Sprecher Stöttner.

Angela Merkel bekamen sie nicht zu Gesicht

Mit der Aktion wollte der Landrat gegen die in der Praxis nur noch schwer handhabbare Unterbringungspolitik der Bundesregierung demonstrieren. So verschwänden zwar die Menschen dann aus der Unterkunftsstatistik, wenn ihr Asylantrag positiv beschieden wurde. Doch weil die Flüchtlinge nicht so leicht eine der in Bayern ohnehin teureren Wohnungen fänden, müssten sich weiter in Gemeinschaftsunterkünften leben.

Im Landkreis Landshut mit 152.000 Einwohnern sind derzeit 2100 Flüchtlinge untergebracht. Bis vor kurzem habe es - anders als in Berlin - keine Großunterkünfte gegeben. Die meisten Flüchtlinge wurden in leerstehenden Einfamilienhäusern wie früheren Gaststätten untergebracht, sagt Stöttner. Aus der Reisegruppe der Syrer sollen viele in einem früheren Telekom-Gebäude wohnen.

Angela Merkel bekamen sie nicht zu Gesicht. Die Bundespolizei winkte sie am Donnerstag südlich vom Kanzleramt in eine Straße ein. Dort standen Dutzende Journalisten, viele Medien auch aus dem Ausland berichteten über den Trip. Es habe aber niemand vom Kanzleramt die Syrer´ aus Bayern und den Landrat Dreier empfangen.

Der Landrat fuhr mit dem Dienstwagen

Ruth Müller ist wütend. „Peter, das ist eine furchtbare Aktion, das sag ich dir. Das ist unterirdisch!“, ruft die SPD-Landtagsabgeordnete in breitem Bayerisch dem kleinen, grauhaarigen Mann im Trachtenjanker zu, der von Kameras und Mikrofonen umringt vor einem Reisebus steht. Gerade ist dieser in eine Seitenstraße neben dem Kanzleramt eingebogen. Der Angesprochene wehrt sich lautstark. „Das ist ein notwendiges Zeichen“, ruft er über die Menschenmenge hinweg. Im Hintergrund skandieren Menschen mit Deutschlandfahnen „Merkel muss weg!“ und „Landshut, Landshut“.

Der Mann, der Ruth Müller so wütend macht, ist Peter Dreier, Landrat im niederbayerischen Landshut und Parteimitglied der Freien Wähler (FW). Dieser hatte am Donnerstagmorgen eine Ankündigung vom vergangenen Oktober wahr gemacht. „Wir schaffen es nicht“, hatte er damals an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben. Und gedroht, dass er, wenn mehr als die rechnerisch auf den Landkreis fallenden 1800 Flüchtlinge einträfen, „alle weiteren nach Berlin zum Kanzleramt“ schicken werde. So sind sie denn aufgebrochen um zehn Uhr in Landshut mit genau 555 Kilometer Fahrt vor sich. Der Landrat fuhr zeitgleich mit dem Dienstwagen zum Kanzleramt.

Sein Sprecher Elmar Stöttner, der im Bus mit dabei war, erklärte von unterwegs am Telefon, dass alle Asylberechtigten im Bus aus freien Stücken mitführen. Es erscheint als ein widersinniger Protest, zumindest vonseiten der Syrer: Flüchtlinge machen mit bei einer Aktion initiiert von einer Partei, die für eine restriktive Flüchtlingspolitik eintritt. 51 Syrer hatten sich ursprünglich dafür gemeldet, am Vormittag waren 31 von ihnen da.

Trotz der Anerkennung ihres Asylantrages ist ihre Lage in Landshut misslich. „Es ist praktisch aussichtslos, dass sie auf dem Mietmarkt Wohnungen bekommen“, so Stöttner. Darauf baut die Argumentation von Landrat Dreier auf: Die Flüchtlinge bleiben in den Asylunterkünften, um nicht obdachlos zu werden. Damit blockieren sie diese aber gleichermaßen für die nachfolgenden. Der Landkreis weiß nicht mehr, wo er die weiterhin ständig neu eintreffenden Asylbewerber unterbringen soll.

Die Freien Wähler brauchen dringend gute PR

Die Kapazitäten für Unterbringungen gingen „rapide zur Neige“, sagt Dreier, und er sehe nicht, dass bislang neue Wohnungen gebaut würden. Dezentrale Unterkünfte, Notschlafplätze, eine große Halle, wo früher ein Einkaufsmarkt war – alles ist in der Stadt an der Isar belegt. Der Wohnraum ist knapp, das 75 Kilometer nordöstlich von München gelegene Landshut zählt fast schon zum Einzugsgebiet der überteuerten Bayern-Metropole. Landrat Dreier ärgert sich auch über die Aufteilung der Kosten: Offiziell würden die Flüchtlinge als wohnsitzlos gelten, deshalb müssen die Kommunen für sie aufkommen. Dreier sieht den Berlin-Ausflug nun als „ein Zeichen, dass es so wie bisher in der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen kann und darf“.

Peter Dreier fuhr nicht im Bus mit nach Berlin, sondern in seinem Dienstwagen.
Peter Dreier fuhr nicht im Bus mit nach Berlin, sondern in seinem Dienstwagen.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Auch sein Parteivorsitzender Hubert Aiwanger ist dieser Meinung. Deshalb ist er an diesem Abend auch vor das Kanzleramt gekommen, um seinen Landrat zu unterstützen „Es geht uns darum, diese Menschen vor der Haustür von Frau Merkel abzuladen, um zu zeigen: So geht's nicht weiter, kümmere dich drum, wir sind Land unter“, sagt er. Doch für die Freien Wähler und Aiwanger ist die Busfahrt auch eine gelungene PR-Aktion, die sie dringend benötigen. Laut einer BR-Umfrage von dieser Woche steht die Partei bayernweit gerade noch bei fünf Prozent und muss um ihren Wiedereinzug ins Maximilianeum bangen. So ist die Flüchtlings-Busfahrt auch für Aiwanger eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren. Dies sei ein „dringend benötigtes Signal an die Bundesregierung“, sagt er. Endlich begehrten die Kommunen gegen die „gescheiterte schwarz-rote Asylpolitik“ auf.

Den Flüchtlingen sind Wohnungen versprochen worden

„Es kann nicht die Lösung sein, dass jeder Landkreis die Flüchtlinge, die er momentan nicht unterbringen kann, nach Berlin fährt“, sagt die SPD-Landtagsabgeordnete Müller. Außerdem sei die Situation vor Ort durchaus zu bewältigen. Die Grünen kritisieren die Aktion ebenfalls. „Das ist sehr populistisch“, sagt die für Asyl zuständige bayerische Landtagsabgeordnete Katharina Schulze gegenüber dem Tagesspiegel, „die Flüchtlinge werden instrumentalisiert.“ Der Landrat sollte sich lieber um die Integration kümmern, und den Wohnungsbau forcieren.

Der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Soziales, Sascha Langenbach, sprach am Abend von einem beispiellosen Vorgang, wie auf dem Rücken von Flüchtlingen unverantwortliche Politik gemacht werde. „Die Flüchtlinge sind mit dem Versprechen in die Busse gelockt worden, dass sie in Berlin Wohnungen bekommen würden“, sagt Langenbach. Die Sozialverwaltung hat laut Langenbach einen Anruf vom Bundeskanzleramt bekommen mit der Bitte, die Flüchtlinge vorerst unterzubringen. Sie würden jetzt in eine Unterkunft in Hohenneuendorf gebracht. Von dort werden sie am Freitag wieder nach Bayern fahren. „Alle, die wollen, nehmen wir auch wieder im Bus mit zurück nach Landshut“, hatte Dreier-Sprecher Elmar Stöttner schon am Nachmittag angekündigt.

Nach der Ankunft am Kanzleramt tut sich eineinhalb Stunden erstmal nichts. Die Flüchtlinge bleiben im Bus, dessen Eingänge von der Polizei abgeschirmt werden. Irgendwann tritt Peter Dreier erneut vor die Kameras. Er bittet um Rücksichtnahme auf die Menschen im Bus, sie seien verstört und irritiert von dem Medienauflauf. Auf die Frage, ob sie denn nicht darauf vorbereitet wurden, entgegnete er: Mit diesem Aufgebot habe er nicht gerechnet. Er schaut dabei stolz drein und auch ein wenig trotzig. Für diese Nacht sei für die Flüchtlinge eine Pension organisiert, die Kosten dafür übernehme er höchstpersönlich. Für wie lange wollte er sich auf Nachfrage nicht äußern. „Jetzt warten wir erstmal die Nacht ab und dann schaun wir weiter. Rund zwei Stunden nach Ankunft legt der Bus den Rückwärtsgang ein und fährt weg vom Kanzleramt. (mit AFP)

Die Kollegen Sabrina Markutzyk und Johannes Laubmeier berichteten von der Ankunft der Flüchtlinge via Periscope. Hier kommen Sie zur Übertragung: https://www.periscope.tv/jfxlaubmeier.

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