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Gelb, gut - aber günstig? Die Ticketverkäufe bringen der BVG ungefähr die Hälfte ihrer Einnahmen. Deshalb treibt sie einigen Aufwand, um die Schwarzfahrerquote zu senken.

© dpa

BVG und S-Bahn erwischen mehr Schwarzfahrer: In Bus und Bahn in Berlin wird mehr kontrolliert

Mit der Zahl der Kontrollen bei BVG und S-Bahn wächst auch die Zahl derer, die erwischt werden. Wiederholungstäter machen der Justiz viel Arbeit. Auch deshalb wollen Grüne, Linke und Piraten den Nahverkehr ohne Tickets.

Schwarzfahren lohnt sich weniger denn je: Bald soll das „erhöhte Beförderungsentgelt“ von 40 auf 60 Euro steigen, und schon jetzt haben die Verkehrsunternehmen die Kontrollen verstärkt: Bei der BVG wurden im vergangenen Jahr fast doppelt so viele Passagiere kontrolliert wie 2013, nämlich fast 5,3 Millionen. Bei der S-Bahn nahm die Zahl der Kontrollen zwar nur geringfügig zu, lag aber mit 7,9 Millionen ohnehin weit über dem Wert der BVG. Dabei hat die S-Bahn nur gut 400 Millionen Fahrgäste jährlich, während es in den Bussen und Bahnen der BVG fast eine Milliarde sind.

Die Schwarzfahrerquote in der S-Bahn war 2014 mit 4,2 Prozent (2013: 4,5 Prozent) deutlich geringer als bei der BVG, wo sie von etwa acht auf sieben Prozent sank. Aber „auch diese gut 4,2 Prozent sind uns noch zu hoch“, sagt ein Bahnsprecher. „Wir überlegen, die Zahl der Kontrolleure aufzustocken.“ Zurzeit seien insgesamt etwa 70 im Einsatz, „wobei wir auch mal Schwerpunkte setzen, wenn wir feststellen, dass es in einem Bereich Erinnerungsbedarf gibt“.

"Fangprämien" bestritten

Sowohl BVG als auch S-Bahn versichern, dass mit den Kontrollfirmen keine „Fangprämien“ vereinbart seien. „In unserem Vertrag steht ausdrücklich, dass wir das nicht wollen“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Sie könne aber nicht ausschließen, dass die externen Kontrolleure von ihrem Arbeitgeber Vorgaben bekämen. Zusätzlich zu 80 Externen, die in Zivil kontrollieren, hat die BVG 40 eigene, uniformierte Kontrolleure. Hinzu kommen 175 Kollegen, die Tickets kontrollieren dürfen – Sicherheitsleute etwa.

Dass sich die Zahl der Kontrollen binnen Jahresfrist fast verdoppelt hat, erklärt die BVG mit einem Bearbeitungsstau, den das Kontrollunternehmen nun aufgelöst habe. Noch drastischer zeigt sich das an der Zahl der gestellten Strafanträge. Sie schoss von knapp 2000 auf fast 34 000. Bei der S-Bahn stieg die Zahl der Anzeigen von gut 12 000 auf 20 000. Angezeigt wird, wer binnen eines Jahres (S-Bahn) beziehungsweise binnen zwei Jahren (BVG) mindestens drei Mal beim Schwarzfahren erwischt wurde oder Tickets gefälscht hat. Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar, der diese Angaben beim Senat abgefragt hat, sieht sich bestärkt in seiner Forderung, Schwarzfahren künftig nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Das soll die Justiz entlasten und jenen, die keine Geldstrafe zahlen können, die Ersatz-Haftstrafe ersparen.

Grüne: Strafe zahlen wird zum sozialen Problem

Zwar gibt es keine exakten Angaben darüber, wie viele Erwischte ihre Geldstrafe nicht bezahlen können. Aber Gelbhaar schätzt, dass es etwa jeder zweite ist. Er sieht darin ein soziales Problem: Viele könnten es sich schlicht nicht leisten, zumal das Sozialticket als Monatskarte 36 Euro koste, während der Hartz- IV-Satz für Verkehr nur 25 Euro enthalte.

Bei den Verkehrsunternehmen halten sich Aufwand und direkter finanzieller Effekt der Kontrollen etwa die Waage; die S-Bahn meldet immerhin ein Plus von 300 000 Euro für 2014, während bei der BVG von „plus minus null“ die Rede ist.

Zur Flut der Verfahren sagt Justizsprecher Martin Steltner: „Einerseits macht es Masse, andererseits sind die einzelnen Verfahren relativ schnell zu erledigen“, weil die Beweislage in der Regel klar sei. Aber jeder Fall werde einzeln anhand der Umstände entschieden. So könne ein reumütiger Ersttäter eher auf die Einstellung des Verfahrens hoffen als ein Vorbestrafter, der die Taten auch noch bestreite.

Opposition will Nahverkehr ohne Fahrschein

Die Opposition im Abgeordnetenhaus beschäftigt sich intensiver denn je mit der ganz großen Lösung des Schwarzfahrerproblems – dem ticketlosen Nahverkehr. Laut Gelbhaar soll dieses Thema jetzt verstärkt diskutiert werden. Bei den Linken hat sich der Landesvorstand bereits im Januar mit einem von Verkehrspolitiker und Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf vorgelegten „Modell eines solidarisch finanzierten Berlintickets“ befasst. Das zielt auf einen ticketlosen Nahverkehr, der durch eine stadtweite, sozial gestaffelte Abgabe finanziert wird.

Auch die Piraten haben sich auf einer Konferenz im Januar mit dieser Idee befasst. Nach Auskunft ihres Verkehrspolitikers Andreas Baum will die Fraktion im Mai eine wissenschaftliche Studie vorlegen, wie es funktionieren könnte. Es gebe schwer kalkulierbare Posten wie die (wünschenswerte) Umsteigerquote der Autofahrer und der (problematische) Ansturm ehemaliger Radfahrer und Fußgänger, wenn Busse und Bahnen gratis fahren. Klar scheine, dass die Kapazitäten der Öffentlichen massiv vergrößert und die Bedingungen für den Radverkehr deutlich verbessert werden müssten, sagt Baum. „Aber wir sind auf kein Problem gestoßen, das uns unlösbar scheint.“ Finanziert werden könnte das System über die Grundsteuer oder eine Art Bürgerticket. Pendler könnten über eine Abgabe ihres Arbeitgebers beteiligt werden, Touristen über die City Tax. Sicher ist: Einfach würde es nicht.

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