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Ach, Berlin, du und deine S-Bahn. Die Bürger pflegen eine ganz spezielle Beziehung zu ihr.

© dpa/Lukas Schulze

BVG und S-Bahn: Jeder zahlt, auch wenn er nicht fährt?

Bei steigenden Preisen könnte ein „Bürgerticket“ die Berliner Fahrgäste entlasten. So hat es jedenfalls die Opposition durchgerechnet. Jeder würde zahlen, egal, ob er mit der BVG fährt, oder nicht. Was halten Sie von der Idee?

Auch im nächsten Jahr sollen die Preise für Fahrten mit Bahnen und Bussen steigen. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) ist bereits am Rechnen, wie Chefin Susanne Henckel bestätigte. Um dagegen den regelmäßigen Griff in die Geldbörsen der Fahrgäste zu vermeiden, beleben Grüne. Linke und die Piraten derzeit wieder eine alte Idee: Das Fahren zum Fast-Nulltarif, was über ein so genanntes Bürgerticket finanziert werden soll. Das heißt: Alle sollen für den Nahverkehr zahlen, egal, ob man das Angebot nutzt oder verschmäht.

Grüne: Monatskosten in Höhe von 15 Euro

Wer regelmäßig Bus oder Bahn fährt, käme dabei gut weg: Nach Berechnungen der Grünen wären monatlich nur noch rund 15 Euro fällig; die Linken kommen auf knapp 30 Euro. Derzeit kostet das Monatsticket für das Stadtgebiet immerhin 79,50 Euro. Allerdings würde es beim Modell der Grünen in den Hauptverkehrszeiten doch teurer: Um die Nachfrage nicht überborden zu lassen, sollen Nutzer montags bis freitags zwischen 7 Uhr und 10 Uhr extra zahlen – die Hälfte des jeweiligen Monatskartenpreises.

Mit dann etwa 55 Euro wären die Fahrten auch zu diesen Zeiten immer noch billiger als heute, argumentiert der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar. Auch Pendler und Touristen müssten bei diesen Modellen weiter ihre Fahrten zahlen. Damit bliebe – anders als beim früher diskutierten Nulltarif für alle – der Kostenblock für den Fahrscheinverkauf am Automat oder Schalter weitgehend erhalten. Auch auf Kontrolleure könnte nicht verzichtet werden.

Unklar ist, wie der Betrag, den alle Berliner zahlen müssten, eingezogen werden soll. Es gebe mehrere Varianten, sagte Gelbhaar. Vorstellbar ist für die Initiatoren eine Lösung wie bei der Haushaltsabgabe für Radio- und Fernsehgeräte. Aber auch der Weg über das Finanzamt kommt demnach in Frage. Ob die Zwangsabgabe für den Nahverkehr rechtlich möglich ist, ist umstritten. Die Befürworter verweisen auf das Semesterticket für Studenten, die bei der Rückmeldung einen Beitrag für den Nahverkehr entrichten müssen. Allerdings gab es dafür in Urabstimmungen zuvor eine Mehrheit. Ob es beim „Bürgerticket“ eine Abstimmung geben würde, sei noch in der Diskussion, sagte Gelbhaar. Er ist dafür.

Auf den Straßen soll es so leerer werden

Und wer weiter Auto fahre, habe auch etwas vom „Bürgerticket“, weil es wegen der Umsteiger weniger Verkehr auf den Straßen gebe, sagen die Befürworter. Bei den bisherigen Kalkulationen ersetzen die Erlöse aus dem „Bürgerticket“ aber nur die Einnahmen aus dem Verkauf von Fahrscheinen. Die Kosten für die Infrastruktur sind nicht enthalten. Sie werden bisher zum größten Teil von der öffentlichen Hand aufgebracht – und damit von allen Steuerzahlern. Schon jetzt reicht das Geld nicht aus. Allein die BVG hat bis 2020 einen Mehrbedarf um durchschnittlich 100 Millionen Euro ermittelt.

Würde bei einem „Bürgerticket“ die Zahl der Fahrgäste, wie erwartet, erheblich steigen, müssten auch die Investitionen in neue Fahrzeuge und den Netzausbau zunehmen. Die Finanzierung durch den Bund ist aber derzeit nur bis 2019 gesichert. Würden auch die Infrastrukturausgaben über das „Bürgerticket“ finanziert, müsste dessen Preis deutlich steigen. Die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek wirft ihren Genossen vor, deren Modell blende die Investitionskosten aus. Dadurch provoziere man die Finanzminister, das zusätzlich benötigte Geld gleich beim Bürger einzusammeln.

SPD: Die Rechnung geht nicht auf

Auch VBB-Chefin Susanne Henckel sieht das „Bürgerticket“ skeptisch. „Die Leistung muss vom Nutzer bezahlt werden“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins, befürchtet sogar, dass das „Bürgerticket“ drastisch mehr kosten würde als derzeit angegeben wird. Bei einer Finanzierung über eine Steuer oder einen von allen Berlinern aufzubringenden Beitrag würden die bisherigen Haushaltsmittel für subventionierte Fahrkarten entfallen und müssten über das „Bürgerticket“ mitfinanziert werden, sagte er. Dies alles sei noch nicht durchgerechnet.

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