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Berlin: Chinesische Botschaft: Kräftig eingekauft

Der Übergang für Westbesucher war nur einen Steinwurf entfernt, die Heinrich-Heine-Straße abends und nachts in gleißendes Scheinwerferlicht gehüllt: Sperrgebiet, eine gepenstisch kalte Atmosphäre, die auf die Gegend abfärbte. Die Menschen in benachbarten Plattenbauten hatten die Mauer vor Augen, nach der Wende spürten sie jahrelang die "grenzenlose" Öde.

Der Übergang für Westbesucher war nur einen Steinwurf entfernt, die Heinrich-Heine-Straße abends und nachts in gleißendes Scheinwerferlicht gehüllt: Sperrgebiet, eine gepenstisch kalte Atmosphäre, die auf die Gegend abfärbte. Die Menschen in benachbarten Plattenbauten hatten die Mauer vor Augen, nach der Wende spürten sie jahrelang die "grenzenlose" Öde. Bis sich Investoren die ideale Stadtadresse der Zukunft ausmalten und fantasievoll vom Wohnen am Puls der Zeit schwärmten. Nun stehen sie da, die "Annenhöfe" zwischen Annen-, Heinrich-Heine- und Dresdner Straße, ein neues Viertel mit 422 Wohnungen in 20 Häusern. Sechs von ihnen mit 106 Wohnungen sind inzwischen an Chinesen verkauft.

"Chinatown wollen wir nicht hören", sagt Rolf Schmidt, Leiter der Berliner Niederlassung der Bayerischen Hausbau, die das Annenviertel errichtet hat. Auch wenn für Botschaftsangehörige kräftig eingekauft worden ist, erinnert hier - zumindest äußerlich - nichts an fernöstliche Lebenart, sondern eher an das typische Bauen im "Neuen Berlin", an eine kompakte Variante des neuen Viertels Tiergarten-Dreieck am Lützowplatz.

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Weil die Vertretung in der ehemaligen FDGB-Zentrale an der Jannowitzbrücke so nah ist, kamen die Chinesen vor zwei Jahren, als an der Heinrich-Heine-Straße das Richtfest gefeiert wurde, auf die Idee, sich für das Bauprojekt zu interessieren. Viele Familien zogen schon mit diplomatischer Diskretion ein, in Wohnungen mit Einheitsmobiliar und gleichen Vorhängen. Am vergangenen Freitag übernahm die Botschaftsrätin mit ihrer Familie eine 145-Quadratmeter-Dachwohnung mit Riesenterrasse, mit Blick nach Kreuzberg, auf das Engelbecken, oder auch den nahen Fernsehturm in Alexnähe.

Es ist nicht billig, hier am Puls der Zeit zu wohnen. Die Kaltmieten liegen pro Quadratmeter zwischen 15 und 18 Mark, die Kaufpreise pendeln von 4500 bis 5500 Mark. An Singles, Senioren und Familien richtet sich das Angebot. An der Heinrich-Heine-Straße ist eine Anlage für betreutes Wohnen entstanden, doch ein möglicher Träger des Hauses ist kurzfristig abgesprungen, ein anderer noch nicht gefunden. So stehen allein hier noch 88 Wohnungen leer. Aber jeweils über 70 Prozent der Miet- und Eigentumswohnungen sind nach Angaben des Bauherrn vergeben, noch machen sich allerdings Menschen zwischen den Häusern rar. Im Bürogebäude sind noch Flächen frei. Es gibt einen Supermarkt, diverse Läden werden gerade oder in Kürze bezogen, letzte Grün- und Spielflächen angelegt.

Mit dem Frühling belebt sich nun das Viertel, und die restaurierten Plattenbauten nebenan versuchen, optisch mitzuhalten. Die neuen Häuser füllen eine Brachfläche und machen deutlich, dass die einst verlorene Ecke wieder mitten in der Stadt liegt, wie auch das angrenzende Heinrich-Heine-Forum und die Bauten am Engelbecken Richtung Kreuzberg. Von "urbanem Zentrum" spricht gar die Bayerische Hausbau.

Die Annenhöfe, entworfen vom Büro Kny & Weber aus der Köpenicker Straße gleich nebenan, sind ein Stück Stadtreparatur, wie es auch dem "Planwerk Innenstadt" der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entspricht. Entstanden ist ein Häuserblock, der durch eine lockere Bebauung in seinem Inneren zwei Höfe bildet. Nur die unter Denkmalschutz stehende Altlutherische Kapelle und die Schinelsche Exerzierhalle erinnern an früher.

Von den Chinesen, die zu den Pionieren in der Wohnanlage zählen, ist zu hören, dass sie sich in dieser Umgebung wohlfühlen. Beim Blick aus dem Fenster können sie Rasen und auf dürres Geäst sehen, dass erst noch wachsen muss. Es sind zufällig Mandelbäume. Und an der Straße richtet sich Gastronomie ein. Ein China-Restaurant.

Christian van Lessen

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